„Mama, darf ich zocken?“

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Und, wieviel Zeit verbringen Eure Kids gerade so vor den viereckigen Kastln?

Ich gebe zu: meine viel zu viel. Und nein, ich bin da nicht stolz drauf. Aber ehrlich, es ist gerade kaum anders möglich hier für uns alle gut durch die Tage zu kommen. Aber ich habe aufgehört deswegen ein schlechtes Gewissen zu haben.

Diese Zeiten sind extrem herausfordernd und ich glaube die wahren Auswirkungen spüren wir alle erst jetzt so langsam. Ich erinnere mich noch, wie zu Beginn des ersten Lockdowns vor fast einem Jahr plötzlich überall die „Bastelgruppen“ auf Facebook gewachsen sind. Nett gemeinte Sammlungen an Bastelideen für die Zeit daheim. Mich hat das damals schon reichlich überfordert. Zum einen bastele ich ja nicht gern mit den Kindern, weil das meist in einer ziemlichen Sauerei endet, zum anderen habe ich zu wenig Geduld für solche Späße. Ich freue mich, wenn die Kinder malen, was sie auch immer wieder gern tun oder herumstempeln und ein bissl schnipseln. Aber ehrlich – wie viele Bilder kann ein Kind am Tag malen? Eben. Und dann sitzen wir ja nicht nur alle gelangweilt daheim herum. Neben Homeschooling will ja auch das Homeoffice erledigt werden. Die Arbeit interessiert es ja nicht, ob da nicht gerade ein Kind Hunger hat, ob ihm fad ist oder ob die Geschwister soeben das Bad unter Wasser gesetzt haben. Naja und ehrlich gesagt, neben Homeoffice und Homeschooling habe ich auch noch sehr oft das Bedürfnis nach Ruhe. Wenn ich nämlich den ganzen Tag 47 Bedürfnisse erfülle neben allen anderen Aufgaben, dann brauche ich Rückzug und Stille, um nicht vollkommen bekloppt zu werden. Tja und da ist so ein viereckiges Gerät einfach eine willkommene Hilfe.

Ja, wie hätten wir das nur früher gemacht, kann man da fragen. Aber ehrlich, früher habe ich auch fern geschaut. Früher habe ich mich brav daheim beschäftigt, um meiner (alleinerziehenden) Mutter nicht zur Last zu fallen und das hat mich nachhaltig nicht nur positiv beeinflusst. Früher hatte ich auch ein schönes Elektronika Telespiel, was den ganzen Tag lang in schrecklichen Tönen trällerte. Und letztendlich ist dieses „Früher hatten wir sowas nicht“ ja kein Grund, dass ich das den Kindern heute nicht erlaube. Schließlich schalte ich auch den Geschirrspüler ein, obwohl wir früher ohne ausgekommen sind.

Klar gibt es Familien, wo das kein wirkliches Thema ist. Aber sich da mit anderen zu vergleichen führt nur in Frustration und Verzweiflung. Hier geht es darum, was uns hilft, was uns allen gut tut und wie wir es uns hier auch einfach leicht machen können. Die Situation ist für alle schwer genug.

Die berechtigte Frage ist natürlich die nach dem „wieviel ist zu viel“. Aber ich glaube, da gibt es gerade kein wirkliches Allgemeinmaß. Da kommt es drauf an, was die Kinder schauen und wie sie damit umgehen. Wenn die Kinder eine Serie schauen, die sie dann hinterher stundenlang nachspielen, freue ich mich, dann hat das ganze ja fröhliche Auswirkungen. Wenn sie zu dritt auf dem Sofa sitzen und etwas schauen, freue ich mich, weil sie zu dritt kichern und sich die Bäuche halten und beim Abendessen noch immer lachen müssen. Ansonsten habe ich einfach ein Auge drauf, dass sie nicht wahllos umher klicken und irgendwas schauen. Ich achte darauf, dass sie im Kinderbereich bleiben und frage, was sie schauen oder spielen wollen. Und naja, wirklich wichtig ist mir einfach, dass sie sich auch noch anders beschäftigen können. Sprich, dass das Schauen oder Zocken für sie nicht der Lückenfüller für jede Langeweile wird.

Seit einer Woche sind die Kinder hier wieder in Schule und Kindergarten. Seitdem haben sie nicht mehr nachmittags am Bildschirm gezockt. Weil sei es nicht brauchen, weil sie voll sind vom Tag und auch wieder Freude an ihren Spielsachen haben. Und weil ich auch wieder mehr Kraft für die „Nein-Diskussion“ habe. Weil ich nicht schon rund um die Uhr diskutiere oder von Fragen geplagt bin, weil ich Ruhe hatte zum Arbeiten und für meine Dinge. Da kann ich auch mal wieder konsequenter sein und sagen: „Nein, heute wird nicht gezockt. Ende.“ An diesen irren Homeschoolofficetagen fehlte mir dafür einfach die Energie. Auch das darf sein. Auch das ist normal!
Gestern bin ich auf dem Sofa eingedöst am Nachmittag, weil das halt auch manchmal vorkommt. Und um mich herum haben sie aus Stühlen und Pölstern eine Welt gebaut, so dass ich am Ende nicht mehr genau wusste, wer ich bin und vor allem wo und wieviele. Und dann dachte ich: Schau, es geht noch. Sie können einfach so spielen. Ganz zufrieden und in ihre Welten abtauchen. Alles ist gut.
Vielleicht sollten wir einfach nicht zu viel auf das „wieviel viereckige Kastln“ fokussieren, sondern schauen, dass einfach auch genug Zeit für all das andere ist. Für freies Spiel und Langeweile. Für Draußensein und Faxen.

Heute früh auf dem Weg zur Schule sind sie in jeden Schneehaufen gehüpft und haben gelacht und sich mit Schnee beworfen. Haben Herzen und Smileys im Schnee auf Autos hinterlassen. Ich dachte mir: Den inneren Drang einfach zu spielen, wild herumzutollen, draußen zu sein, den verlieren Kinder nicht so schnell.
Irgendwann habe ich dann gesagt: „So los jetzt, beeilt Euch, sonst kommt die M. zu spät zur Schule.“ Und irgendwie klang das erst so richtig falsch. Welch schönere Ausrede fürs Zu-Spät-Kommen gibt es, als Schnee? Aber das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Angie

    Danke liebe Paula – Nadine für diesen schönen und echten Bericht eines Alltags der so oft vor kommt! 🌷🌻

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