Leerlauf :: zu mir zurückfinden

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Die letzten zwei Wochen hatten es schon wieder in sich. Kranke Kinder haben mir meine mühsam zurechtgelegte Alltagsstruktur zusammengeworfen und mit jedem Tag einen Jenga stein aus meinem Stimmungsturm gezogen.

Anfang November hatte ich wieder begonnen zu schreiben. Ich hatte mich zum NaNoWriMo selbstverpflichtet, hatte eine Kurzgeschichte bei einem Schreibwettbewerb eingereicht und fühlte mich wieder voll in meinem Element. Aber zwischen Fiebermessen, Wäsche waschen und Kindergartenrunden fehlte mir täglich mehr und mehr die Energie fürs Fabulieren.

Zum Glück fiel mir diese Woche dann mal wieder ein, dass die Schwiegereltern eine Wohnung in Wien haben, die sie nur benutzen, wenn sie hin und wieder mal in der Stadt sind. Also habe ich kurzerhand gefragt, ob ich sie am Wochenende nutzen dürfte. Samstagfrüh packte ich also einen kleinen Rucksack und übersiedelte für eine Miniauszeit.

Die meiste Zeit verbrachte ich damit mir selbst zu folgen, zu tun, wonach mir gerade war. Ich ging ins Museum, strolchte durch den Stadtpark oder lag einfach nur auf dem Bett und starrte an die Decke. Erst am Samstagnachmittag kam ich dann so richtig bei mir an. Da spürte ich, wie lange ich brauche, um überhaupt erst einmal wieder zu mir zurückzukommen. Wie viel Leerlauf es braucht, bis ich meinen eigenen Rhythmus wieder finde. Und das ist wohl auch das Problem, weshalb ich im Alltag zwar immer wieder Zeit habe, aber sie wenig so nutzen kann, dass ich mich danach gestärkt und bei mir fühle. Mir fehlt der Leerlauf.

Am Sonntag spürte ich am frühen Morgen diese bekannte Unruhe in mir. Da meldete sich schon wieder das Gefühl des „Was da nicht alles zu tun ist.“ und ein seltsames nicht hier sein wollen. Ich spürte genauer hin. Das Gefühl gibt es da in mir schon seit Jahren, eigentlich schon immer. Aufwachen – Unruhe – Unzufriedenheit. So beginnen alle meine Tage. Und so kam ich mir allmählich selbst auf die Schliche. Unzufrieden. Mit meinem Leben unzufrieden. Das ist die Grundlage meiner derzeitigen Situation. Und weil ich mich mit allen Händen und Füßen und Sinnen und mir zur Verfügung stehenden Mitteln gegen dieses Leben, so wie es gerade jetzt ist, wehre, kann ich es nicht genießen. Auch nicht die Momente, die eigentlich gut sind, die schön sind. Für die ich dankbar bin.

Schnecke am Donaukanal

Zur Zeit lese ich Beth Mulligans „Das Herz der Achtsamkeit“ *. Sie beschreibt darin genau das, was ich erlebe. Die erste edle Wahrheit des Buddha lautet: Wir leiden alle. Und dahinter verbirgt sich zu erkennen, dass wir leiden. Die zweite edle Wahrheit ist: Es gibt einen Grund für das Leiden. Hier gilt es hinzuschauen, wie wir leiden, wie wir also mit schwierigen, anstrengenden oder schmerzhaften Situationen umgehen. Die meisten von uns tendieren dazu, dieses Leiden abzuwehren, es anders haben zu wollen. Auch ich tue das scheinbar ausgiebig. Doch um das Leiden abzuwenden gehört erst einmal die Erkenntnis dazu, dass wir leiden und das auch anzunehmen als Tatsache. Dann kann sich, so schreibt sie, Raum öffnen für die Frage: „Mache ich vielleicht durch das, was ich tue, alles noch schlimmer?“

„In diesem Hinterfragen liegt die Möglichkeit des Aufatmens.“ sagt sie. Und ich atmete auf.

Herbtst Donaukanal

Während ich also krampfhaft versuche mein Leben so wie es ist nicht zu akzeptieren, verwehre ich mich auch davor das Schöne zu sehen, das Wertvolle, den Zauber. Ich muss also einen Schritt zurücktreten und einmal genauer schauen: Was tut mir gut, was ist schön, was macht Freude? Und erst dann kann ich mich öffnen für den Weg, den ich gehen darf. Wie auch immer der aussehen wird. Ein Prozess, der anstrengend ist, schmerzhaft, aber letztendlich auch so wichtig und wertvoll. Und, davon bin ich überzeugt, lichtbringend.

sonniger Donaukanal

Obwohl es draußen novembergrau war, habe ich mich also aufgerafft und bin am Donaukanal entlang spaziert. Hier konnte ich ein paar Gedankenknoten aufdröseln, woraufhin sich auch gleich die Sonne etwas durch die Wolken kämpfte. Ein paar graue Gedanken habe ich in den Kanal geworfen und Raum gemacht für neue, hellere. Im Herzen ist eine neue Geschichte entstanden, auf die zu schreiben ich mich jetzt sehr freue.

Es tut gut, wieder ein wenig mehr zu mir gefunden zu haben. Ein wenig werde ich noch die Stille genießen. Dann freue ich mich auch wieder meine drei quietschenden Nasen. Und morgen beginnt der Alltag wieder.

Was hilft Dir im Alltag wieder zu Dir selbst zurückzufinden?

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