Tagsüber cool, abends klein :: wenn Kinder groß werden

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Herr Klein ist ja nun längst nicht mehr klein sondern schon ein richtig großes Kind und deshalb werde ich ihn vielleicht auch einfach nicht mehr Herr Klein nennen, sondern Le, so wie ihn seine Freunde nennen. Le ist jetzt neun und wird zusehends cooler. Manchmal unerträglich cool.

Dann fallen so Worte wie „Alter“ oder „Digger“ aus ihm heraus. Da braucht er dringend Haargel für eine „coole Frise“ und saust mit seinem Scooter davon, springt damit über Bordsteinkanten und dreht ihn in der Luft. Seine Klamotten sind eher dunkel, am liebsten schwarz, denn das ist cool. Morgens macht er Liegestütze und Klimmzüge, abends auch, wenn er dran denkt und dann übt er Gitarre, denn das ist auch cool. Und die Geschwister, „die Kleinen“, die müssen auch immer wieder dran glauben.

Aber wenn der Tag dann Richtung Bett wandert, wenn es draußen und drinnen stiller wird, dann wird er auch er wieder kleiner. Dann soll man ihn bis ins Bad begleiten, weil der Gang vom Wohnzimmer bis dahin dunkel ist. Da muss man noch zu ihm ins Bett und mit ihm kuscheln. Die Tür muss dann gaaaanz aufbleiben und so ca. 2-3 Mal ruft er noch aus dem Bett, ob ich eh im Wohnzimmer sitze. Ob ich eh da bin. Ob er eh nicht allein ist. Denn wenn es dunkel wird, wenn es ruhig wird, dann kommt die Angst. Die Unsicherheit. All das, was tagsüber keinen Platz hat.

Da ist es wichtig mitzuschwingen. Mit jeder Emotion mitzugehen. Ich merke, wie ich tagsüber ganz anders mit ihm rede als abends. Klar ist es manchmal anstrengend, wenn er zum dritten Mal aus dem Bett kommt weil er schauen will, ob ich da wirklich noch sitze, weil er nicht schlafen kann, weil er Hilfe mit der Bettdecke braucht oder einfach weil er einfach so nochmal Kontakt sucht. Da möchte man manchmal genervt rufen: „Tagsüber bist doch auch so cool hey, jetzt gib a Ruh!“ Und tagsüber, wenn er mal wieder besonders cool ist spüre ich, wie mir ein „Jaja und heut Abend machst Dir wieder in die Hose.“ über die Lippen hüpfen will. Aber ich verschlucke es.

Genau darum geht es, wenn Kinder groß werden, wenn sie sich verändern. Mitzugehen mit dieser Veränderung und da zu sein, wenn sie zurückkehren in den sicheren Hafen. Denn eine Veränderung ist immer ein Rucken und Rütteln, ein Durchschütteln im Moment, ein Nach-vorn-wollen und Loslassen. Und gleichzeitig ein Festhalten an alter Sicherheit. Da sind wir Eltern gefordert. Da müssen wir schwingen zwischen „Ich bin da.“ und „Ich lass Dich los.“ Das ist auch für uns herausfordernd. Was uns dabei gut hilft ist im Moment zu sein. Jeden Moment für sich zu betrachten. Ohne zu bewerten.

Achtsamkeit nennt man das wohl auch. Es ist ein stetiges Fragen: „Wer bist Du? Was ist gerade los in Dir? Was brauchst Du jetzt?“ Eigentlich sollten wir uns das immer fragen, wenn wir Kindern begegnen, aber wenn sie eine Weile ruhig dahin schwimmen, dann sind wir auf sie eingestellt. Und wenn sie dann plötzlich weiter wachsen, Neues probieren, anders agieren und reagieren und uns vor neue Herausforderungen stellen, dann müssen wir uns wieder und wieder daran erinnern.

Für mich ist dabei besonders hilfreich diese Fragen auch an mir zu üben. Denn auch ich verändere mich. Bewege mich. Und brauche heute etwas anderes als morgen. Wenn wir uns das immer wieder fragen, immer wieder bewusst machen, dann können wir lernen in jedem Moment neu und offen zu sein. Für uns. Für unsere Kinder. Und überhaupt für die Menschen, denen wir begegnen.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Carla

    Ein toller Artikel – danke dafür! ☺️

    1. buntraum

      Danke, liebe Carla!

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