Lernen, lernen, lernen :: Wozu sind Ferien wirklich da?

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Unlängst las ich in einer Gruppe auf Facebook die Frage einer Mutter, ob es normal sei, dass die Kinder in der ersten Klasse Gymnasium über die Herbstferien lernen müssten, Hausaufgaben und Übungen für Schularbeiten aufbekommen würden. Die Antworten, die dann kamen, schockierten mich endlos.

Die erste Kommentatorin meinte, dass sie sich schon mal dran gewöhnen solle. Ein Gymnasium sei schließlich keine Baumschule. Hier erstarrte ich schon mal über die harten Worte. Aber das war keine Ausnahme, das ging so weiter. Ohne Lernen würden die Kinder ja den Stoff nicht intus haben. Von Nichts kommt ja nichts, man müsste ja schließlich auch oft im Urlaub noch ein paar Sachen arbeiten und das wäre halt die Vorbereitung aufs Leben und auf die Leistungsgesellschaft. Und schlussendlich gäbe es einfach zu wenige Schultage für all den Stoff, weil alle Nase lang Ferien wären und da müssten die LehrerInnen halt zusehen, wie sie das alles unterbringen.

Was mich dabei wirklich schockiert hat war nicht allein die Tatsache, dass es Hausaufgaben oder Übungen zum Lernen gibt über die Ferien, sondern die Vehemenz, mit der Eltern – in dem Fall Mütter – diese verteidigt haben und als wichtig und richtig und gut abgestempelt haben. Und auch als „Ist halt so. Gehört halt dazu.“

Immer wieder erlebe ich, dass es nicht die Schule per se ist, die Stress macht und Druck ausübt auf die SchülerInnen, sondern dass es die Eltern sind, die da sehr dahinter stehen. Nicht hinter ihren Kindern, sondern hinter dem Leistungsdruck.
Ja, wir leben in einer Leistungsgesellschaft. Und es geht ja schon am Ende der Volksschule darum, welche Noten man hat, damit man überhaupt aufs Gymnasium gehen kann. Da diskutieren die kleinen Drittklässler schon panisch, ob sie das wohl schaffen werden und zweifeln an sich. Die sind gerade mal 8 Jahre alt.

Vielleicht wäre es sinnvoll zu sehen, wo uns diese Leistungsgesellschaft hingebracht hat? Dass immer mehr Menschen unter diesem Druck zusammenbrechen, im Burn Out landen, dem Stress nicht mehr standhalten. Und dass das nun auch immer mehr SchülerInnen betrifft. So auch nachzulesen in dem Artikel „Schule macht krank“ den man sich wirklich mal zu Herzen nehmen sollte. Da wird am Ende sogar gesagt, dass sich die schulischen Anforderungen in den letzten Jahren (zumindest in Deutschland) nicht verändert haben. Es ist also nicht mehr Druck von oben. Woher kommt also dieser irre Schulstress. Woher kommt der vor allem bei uns Eltern?

Die Eltern-Kind-Beziehung leidet am meisten

Mich macht das alles sehr traurig, denn ich sehe immer wieder, wie sehr die Eltern-Kind-Beziehung genau hier leidet. Und vor allem zu einem Zeitpunkt, an dem sie sich sowieso verändert. Weil Kinder sich mit der Pubertät mehr und mehr von uns lösen. Wenn ich hier mit Schulstress und Notendruck agiere, dann trage ich nicht wirklich dazu bei, dass diese Beziehung gut weiterbestehen kann. Aber auch in der Volksschule sind Wochenenden voller Dramen, weil die Hausaufgaben im Vordergrund stehen. Das wirkt sich alles auf die Beziehung aus. Wenn sich Kinder hier verstanden fühlen und ihnen wirklich geholfen wird, dann kann auch das Lernen wieder leichter von der Hand gehen.

Was kann ich aber machen, wenn die Hausaufgaben sich stapeln, nach den Ferien die Schularbeiten anstehen?

Kreative Lösungen finden

Ich denke ja, dass wir früher ansetzen sollten. Denn schon in der Volksschule stehen die Eltern hinter den Kindern und „pauken“ mit ihnen. Wenn ein Kind irgendwo Schwierigkeiten hat, dann „muss halt mehr gelernt werden“. Das suggerieren die LehrerInnen immer wieder und die Eltern tun das dann. Und niemand kommt auf die Idee, dass man den Stoff vielleicht anders vermitteln muss, das ein Kind ihn versteht. Da gibt es doch Möglichkeiten. Stattdessen wir auf Montessori herumgehackt. Dabei hat gerade sie im Bereich Mathematik, aber auch Sprache sehr wertvolle Materialien entwickelt, anhand derer Kinder leichter verstehen und begreifen.

Vielleicht sollten wir weniger Lernapps kaufen und stattdessen mal altmodische Rechenbretter, Perlenmatierial oder einfach Lego und Duplo hernehmen um die Grundrechenarten zu vermitteln. Das geht nämlich auch, dafür muss man sich nur mal darauf einlassen, was das Kind gerade braucht. Da müssen Kinder Wörter immer wieder neu schreiben, weil sie Buchstaben spiegelverkehrt schreiben. Dabei ist das ganz normal, viele Kinder machen das am Anfang. Auch meine, ich fand das faszinierend, weil mir das unmöglich erschien. Und es hat sich einfach ausgeschlichen.

Vertrauen von Anfang an

Und wir sollten unser Kind beobachten und ihm vertrauen. Manche lassen sich einfach Zeit beim Lernen, brauchen etwas länger, um zu verstehen. Das heißt doch nicht, dass sie es nie lernen. Natürlich haben die LehrerInnen ein Pensum in einer gewissen Zeit abzuarbeiten, dennoch muss ja nicht gleich aufgeschrien werden, wenn ein Kind langsamer liest, die Malreihen nicht perfekt beherrscht. Oder sich schwer tut mit der Plutimikation. Denn vor allem für die Kinder ist es ganz wichtig, dass ihre Eltern diesen Druck von oben nicht verstärken. Anstatt nun in die Lernlawine einzusteigen, kann ich das Kind auch fragen, wo es Schwierigkeiten hat und versuchen mit ihm gemeinsam Wege zu finden, diese zu lösen. So können wir auch darauf bauen, dass sie sich uns anvertrauen, wenn sie später, im Gymnasium oder sonstigen weiterführenden Schulen Probleme haben.

Wir wissen alle, dass unser Schulsystem nicht das beste ist. Dass es vorn und hinten hakt und dass es die Kinder nur bedingt auf das „wirkliche Leben“ vorbereitet. Denn da steckt noch so viel mehr drin, als die schulischen Noten. Dennoch werden wir als Eltern plötzlich diese Notenjäger. Haben wir alle vergessen, dass es auch uns früher mal schwer gefallen ist zu lernen? Dass auch wir mal einfach keinen Bock hatten? Und dass es absolut kontraproduktiv war, wenn die Eltern dann noch gestresst haben?

Sicher ist es nicht sinnvoll einem Schüler kurz vor der Matura (dem Abitur) den Lauf selbst zu überlassen, wenn er das bisher nicht sollte, wenn wir bisher dahinter waren, dass er lernt und paukt. Deshalb finde ich umso mehr, dass wir schon sehr früh anfangen sollten, unsere Kinder in ihrem Lernen sie selbst sein zu lassen und mehr zu beobachten. Mit Verständnis und Interesse agieren, anstatt mit noch mehr Druck. Das beginnt ja oft schon vor dem Schuleintritt.

Interesse zeigen

Unsere Kinder haben in der Volksschule schon seit der ersten Klasse Referate, die sie in Kleingruppen halten. Das ist faszinierend, weil sie das wirklich richtig gut hinbekommen. Das Thema des Referats beschäftigt dann immer die ganze Familie. Das bringt uns zusammen. Ich merke auch, wie viel ich aus Schulzeiten vergessen habe. Das fängt schon bei der schriftlichen Division an. Jetzt ging es um die österreichische Geschichte, von der mein Sohn nun mehr weiß als ich. Das hat er mir erzählt alles, das war richtig schön von ihm mal was zu lernen. Und so freue ich mich auch im Gymnasium wieder Themen aufzufrischen. Vielleicht hilft es den Kindern, wenn wir Interesse zeigen, ihnen auch ehrlich vermitteln, was uns früher schwer gefallen ist und welche Strategien wir entwickelt haben. So können wir gemeinsam Lösungen finden.

Und wenn eine Schularbeit ansteht, dann frage ich, ob er sich sicher fühlt oder etwas dafür üben will. Warum gehen wir immer davon aus, dass alle das gleiche als Vorbereitung brauchen? Wieso bekommen alle Übungen und Hausaufgaben, wenn es nicht alle brauchen? Hier mal zu hinterfragen, was das eigene Kind braucht, es selbst zu fragen und ihm auch das Gefühl zu geben, sich selbst einzuschätzen, halte ich für sehr wertvoll.

Und letztendlich wissen wir, dass Noten nicht alles sind. Ja, für gewisse Studiengänge brauchen wir Spitzennoten, aber ehrlich gesagt hat sich seit meinem Abitur niemand mein Abschlusszeugnis angeschaut. Und ein Kind, das gut bei sich ist, weniger notengestresst und dem von Anfang an vertraut wurde, dass es seinen Weg geht, wird auch eher spüren und wissen, was sein Weg ist. Und diesen entsprechend gehen.

In den Ferien waren wir übrigens im Wald. Wir haben alte Zugwaggons entdeckt und sind um die Welt gefahren damit. Wir haben abends den Ofen angeheizt (also der Le natürlich) und nach einer Folge „Our Planet“ über Tschernobyl geredet, weil ihn das interessiert hat. Mit seinen Schularbeiten hat das alles nichts zu tun. Aber ich denke, er wird deshalb trotzdem ein schlaues Kerlchen.

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. LODDADERINCHEN

    Also ich habe das Gymnasium in acht Jahren durch gemacht und für mich stand nie zur Debatte wieviel gemacht werden musste. Es war einfach so. Wenn etwas zu erledigen war, wurde es gemacht. Da gab es kein Hinterfragen. Ich habe mich da selbst organisiert und meine Eltern haben mir da freie Hand gelassen, denn ich bin für meine Noten verantwortlich. Sie haben geholfen wo sie konnten aber da sie nie ein Gymnasium besuchten, war ich oft auf mich gestellt.

    1. buntraum

      so habe ich das auch in Erinnerung. Nur dass sie dennoch gewisse Noten erwartet haben. Ich hatte also freie Hand, aber die Ergebnisse mussten stimmen. Das macht’s dann wieder schwierig. Später hab ich dann nämlich mühsam lernen müssen, dass die Noten bzw. das Ergebnis nicht alles ist, sondern der Weg dort hin.

  2. Anne

    Ich habe das Posting und die Diskussion dazu ebenfalls gelesen. Die Mütter in den Posts haben Kinder im Gymnasium. Die meisten finden das nicht gut, dass die Kids in den Ferien lernen müssen, die wollen nichts sehnlicher als eine Schule für ihr Kind, die ihnen das beibringt, was sie von ihnen fordert – aber sie sind realistisch genug um zu sehen, dass es die nicht gibt. Und fair genug, ihren Frust darüber nicht dadurch loszuwerden, dass sie ihre Kinder im Stich lassen in den Herbstferien, direkt vor den Schularbeiten, und sie aus Protest gegen die Verhältnisse nicht proaktiv zum Lernen motivieren und dabei unterstützen. Und ja, es gibt sie auch, die Wunderwuzzis, die mit wenig Übung auskommen und die Hausübungen dann schnell am Sonntag Abend erledigen. Aber die sind die Ausnahme.

    1. buntraum

      Ja, es gab Mütter, die das nicht gut fanden. Aber es gab genug, die voll dahinter standen, dass das nunmal so ist, weil das im Leben auch einfach so ist. Und das finde ich nach wie vor einen problematischen Gedanken. Sicher gibt es wenige Alternativen, aber ich denke dennoch, dass wir in unserem Handeln und Denken da alternativ reagieren können. Keinen Druck ausüben heißt ja nicht, dass ich das Kind im Stich lasse. Ich schaue halt, was es wirklich braucht. Und das ist selten Druck. Darum geht es mir.

  3. Katharina

    Ich habe das schon als Student mit Kopfschütteln beobachtet, als ich mir mein Geld mit Nachhilfe verdient habe und Grundschüler hatte, die unbedingt aufs Gymnasium sollten.
    Jetzt wo mein erstes Kind in der ersten Klasse ist, schüttel ich wieder den Kopf.
    Letztens waren Ferien, da haben die Kinder ein Aufgabenblatt bekommen, das sie freiwillig machen konnten. Mein Kind hat am letzten Schultag begeistert alle Aufgaben gemacht, auf die es Lust hatte und den Zettel dann für den Rest der Ferien vergessen. Wie habe ich gestaunt, als mich dann eine andere Mutter nach den Ferien fragte, ob ich meinem Kind auch hinterher sein musste, damit es die Aufgaben gemacht hat.
    Ich bin für eine Trennung von Schule und Familie. Schulaufgaben sind nicht Aufgabe der Eltern. Sie gehören in die Schule und sollten da gemacht werden. Wenn die Zeit zum Üben dort nicht ausreicht und Hausaufgaben gegeben werden, dann sollten die Aufgaben nach einer angemessen Zeit erledigt sein.
    Wenn das Kind nicht alle Aufgaben geschafft hat, sollte das auch eine lesbare Rückmeldung für den Lehrer sein. Wenn ein Kind bei den Aufgaben Fehler macht, dann ebenfalls.
    Wenn ein Kind mich um Hilfe bittet, werde ich da sein, ich werde aber nicht der verlängerte Arm der Schule sein.
    Kinder, die von Seiten der Eltern so viel Hilfe brauchen und nicht selbstständig Hausaufgaben machen oder selbstständig lernen oder um Hilfe bitten, gehören nicht aufs Gymnasium. Gott sei Dank gibt es hier ja noch genug andere Möglichkeiten für einen Bildungsweg ohne Gymnasium.

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