Blöde Plutimikation :: Vom achtsamen Umgang bei schulischen Schwierigkeiten

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Hin und wieder, wenn ich Herrn Klein von der Schule abhole, teilt mir die Lehrerin mit, wie der Stand der Dinge bei ihm ist. Meist passt sowieso alles, manchmal aber, so wie heute, erzählt sie mir von irgendwelchen Verständnisschwierigkeiten. Das ist meist dann, wenn sie etwas Neues lernen und er das noch nicht so recht verinnerlicht hat. Heute war es die schriftliche Multiplikation.

Anfangs denke ich mir dann a la Pippi Langstrumpf: Zwei mal drei macht vier – Wer braucht schon Plutimikation? Aber natürlich bringt ihn das nicht weiter. Und so lange ich mit den Kindern nicht in den Wald ziehe, wie ich es mir manchmal träume, so lange ich sie in normale Schulen schicke, so lange muss ich sie da auf ihrem Weg auch unterstützen.

Also schauten wir uns daheim seine Aufgaben an. Ich fragte ihn, was ihm schwer fiel daran. Ließ ihm Zeit. Sagte ihm, dass ich mich kaum noch erinnern kann daran und schaute gemeinsam mit ihm drauf. Und dann fand er den Weg, die Lösung. Und ich weiß jetzt auch wieder, wie man schriftlich multipliziert, herrje, das hatte ich voll vergessen. Ich war gewillt, die Aufgaben von ihm mit dem Taschenrechner am Handy zu überprüfen, strengte dann aber meine grauen Zellen an und rechnete seine Wege nach.

Was mir aber wieder bewusst geworden ist, ist die Tatsache, dass es bei schulischen Schwierigkeiten ganz stark darauf ankommt, wie wir als Eltern mit diesen mal größeren und mal kleineren Problemen umgehen. Denn viele – das merke ich im Umfeld immer wieder – werden selbst schnell panisch und befürchten weitere Schwierigkeiten. Nicht selten sind die in ihrer eigenen schulischen Vergangenheit begründet.

Ich erinnere mich noch, wie ich als Kind Schwierigkeiten hatte mit den Umrechnungen von Maßeinheiten. Es wollte und wollte nicht in meinen Kopf, wo ich Nullen hin und herschieben sollte. Und ich hörte immer nur, dass ich das doch nun endlich mal begreifen müsse. Und warum ich das denn nicht verstehen wollte. Und deshalb verstand ich immer weniger. Weil die Angst vor dem Stoff und der eigene Widerstand schon zu groß waren.

Was Kinder bei Schwierigkeiten brauchen, sind meiner Meinung nach drei Dinge:

Ruhige Eltern
Ganz oft erlebe ich Eltern, die dann sofort davon reden „da musst Du mehr lernen“. Immer wieder wird dem Kind vermittelt: Wenn Du das nicht verstehst, stimmt etwas nicht mit dir. Es liegt an dir. And dir, an dir, an dir. Dabei muss das gar nicht der Fall sein. Und was nebenbei auch oft hinten überkippt, sind die eigentlichen Stärken und Fähigkeiten, die werden dann gar nicht mehr erwähnt. Oft auch gar nicht gesehen. Im Vordergrund steht: Das läuft was schief und Panik macht sich breit.

Bestärkung
Ich erkläre den Kindern oft, dass man nicht immer alles gleich verstehen kann. Und dass einem manche Dinge leichter fallen als andere. Und ich finde es eben auch sehr wichtig, dass man sieht, was ihnen leicht fällt, was ihnen liegt, was sie gut können. Und dazu auch das Ver- und Zutrauen, dass sie auch das schaffen können. Ich erinnere mich an diese Verzweiflung des „Das werd ich nie begreifen!“ Egal ob das Mathe war oder Chemie. Und natürlich begriff ich manche Sachen dann auch wirklich nie. Dabei hilft dann Punkt drei:

Ein anderer Blickwinkel
Wenn ein Kind etwas nicht sofort versteht, dann liegt das nicht unbedingt am Unvermögen des Kindes. Dann liegt es gern auch an der Art und Weise der Wissensvermittlung. Dann ist es hilfreich zu überlegen: Wie kann ich das anders erklären? Wie kann ich vermitteln, ohne zu erklären? Wie kann man etwas spielerisch oder praktisch vermitteln? Hinzu kommt ja, dass Kinder bei uns Eltern oft schnell „resistent“ sind, weshalb sie ja Schwimmen manchmal im Schwimmkurs besser lernen als bei uns. Die Rolle des Lehrenden Elternteils liegt nur den wenigsten, denn sie erfordert unfassbar viel Geduld und Feingefühl. Kinder sind nunmal verschieden und so unterschiedlich sind auch ihre Zugänge zu Neuem und beim Lernen. Die einen begreifen schnell durch Abschauen, andere müssen etwas zig mal wiederholen. Wieder andere (ich zum Beispiel) wollen selbst so lange probieren, bis sie ihren eigenen Weg gefunden haben. Weil der Aha-Effekt dabei so wunderbar ist.
Wenn also ein Kind Schwierigkeiten mit Mathe hat, lohnt es sich zu schauen: Was gibt es für andere Methoden? Hier greife ich ja gern auf die Materialien oder Methoden von Montessori zurück. Das muss nicht das teure Material sein, aber abgewandelte Formen davon, alltagstaugliche Beispiele gespickt mit den Interessen des Kindes. Dann lerne ich halt Rechnen mit Legosteinen statt mit Fingern oder dem Abakus. Und wenn wir in höhere Sphären kommen, hilft es mal wieder einen Schritt zurück zu gehen. Vertiefen, was schon da ist um dann gestärkt in neue Wissensgebiete vorzudringen.

Es ist nicht unbedingt hilfreich zu Hause die gleichen Textbücher auszupacken wie in der Schule. Hier ist Kreativität gefragt und dabei ist es wichtig das Kind im Fokus zu behalten.

Keine leichte Übung, schon gar nicht, wenn die LehrerInnen drängen oder die nächste Schularbeit um die Ecke ist. Aber das letzte, was Kinder in diesem Fall brauchen, sind Eltern, die auch noch die Nerven verlieren. Und die dann Druck machen und womöglich auch ihre eigene Geschichte mitbringen. Dabei kann es viel hilfreicher zu sein zu sagen: „Ach damit habe ich mir damals auch schwer getan.“ Und dann kann man dem Kind erzählen, wie das war und wie man damit umgegangen ist. Oder wie man heute noch mit vielleicht vorhandenen Schwächen im Schreiben oder Lesen umgeht. Das nennt man dann Beziehung, was wir da mit den Kindern pflegen, während wir uns mit ihnen austauschen. Und die sollte über all dem stehen und nicht darunter leiden. Das tut sie nur gern, wenn die schulischen Schwierigkeiten den Alltag regieren. Klar gibt es Fälle, wo Kinder wirklich Schwierigkeiten haben, wo Teilleistungsschwächen eine Rolle spielen oder gröberer Stoff hinkt. Dennoch denke ich, ist jedem Kind geholfen, wenn die Eltern es unterstützen und begleiten, anstatt auf den Zug der Leistungsgesellschaft aufspringen und mit Stress und Druck arbeiten.

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