Gestern abend habe ich per email das dritte Modul meines Fernkurses zur Bi.G Kursleiterin erhalten. Das bedeutet wieder Hausaufgaben. Skript lesen, weiterführende Literatur lesen. Nachdenken. Fragenkatalog bearbeiten. Also habe ich mich heute, als die Babysitterin Herrn Klein betreut hat, in die Bücherei gesetzt und losgelegt. Und gar nicht prokrastiniert
In der Schule hat unser Physiklehrer bei der Erteilung der Hausaufgaben immer mit einem Lächeln gesagt: „Was Freude macht, belastet nicht.“
Ich hab das lange Zeit gar nicht verstanden, weil ich gar nicht genau hingehört habe. Und weil mich Physik in ihrer vermittelten Trockenheit nicht interessiert hat. Auch im Studium habe ich mich auf Grund von Zeitdruck, anderen „lustigeren“ Interessen oder Nichtverstehens eher durch die Hausübungen gequält. Ebenso durch das Schreiben meiner Diplomarbeit, obwohl sie von einem Thema handelte, was mich damals sehr interessierte. Aber der auferlegte Zeitdruck, die Rahmenbedingungen und die vorangegangenen mühseligen Jahre des „Durchboxens“ haben mir sehr viel Motivation geraubt. So ging es weiter. Im Job, in Weiterbildungen. Zäh wie alter Kaugummi.
Jetzt werde ich verunsichert angeschaut, wenn ich erzähle, wie viele Ausbildungen ich grad mache. Und das mit einem Lachen im Gesicht. Nein, leicht ist es nicht immer neben Kind, Familie und Job. Aber es ist nicht das Lernen und Erarbeiten, was mich stresst. Es ist die Zeit, die ich anderweitig verbringe. Verbringen muss – mit Arbeit zum Beispiel. Wo ich NICHT lernen kann, keine spannenden Artikel lesen kann. Mich nicht austauschen kann.
Das ist es also, was Maria Montessori an Kindern entdeckt hat. Der Drang, der Wille, etwas zu erfahren, zu erlernen, zu verstehen. Der Drang, den wir durch fixe Stundenpläne und Frontalunterricht in der Schule zerstören. Im Volksschulalter bereits. Und die Freude, die Ausdauer, die ein Kind hat, wenn es sich mit etwas beschäftigt, das es von sich aus gewählt hat. Frei und ohne Zwang.
Nein, nicht nur Kindern geht das so.
Auch ich saß heute also da und „lernte“. Wenn man das so bezeichnen mag. Denn was genau ist lernen? Etwas lesen und lesen und lesen und nicht verstehen aber mühsam versuchen in den Kopf zu hämmern? Das – so schien is – war es jedenfalls, was die StudentInnen um mich herum in der Bücherei alle taten. Oder sich mit etwas beschäftigen, darüber lesen und recherchieren, dabei mehr und mehr Interesse entwickeln und gar nicht bemerken, wie schnell die drei Stunden um sind, die man sich dafür genommen hat?
In meinem Fernkurs suche ich mir bewusst Fragestellungen aus den Modulen aus, die ich mit mir spazieren trage. Über die ich nachsinnen kann, wenn ich in der Ubahn sitze oder abends Herrn Klein lausche, während er in die Traumwelt dahindöst. Früher habe ich Fragestellungen so lange gemieden, bis ich einen Prüfer und ein A4 Blatt vor mir hatte.
Apropos Fragestellungen. Vielleicht habe ich die auch nie wirklich verstanden. Denn noch heute zieht sich in mir alles zusammen, wenn ich lese „Beschreiben Sie…“ Wie genau? Wie ausführlich? Und was überhaupt? Und dann die Bitte, das mit eigenen Worten zu tun. Hilfe! Keine Definition abschreiben? Kein Lexikon zitieren? Oft hänge ich an solchen Aufgabenstellungen fest, bis ich beschließe, einfach ein paar Stichpunkte zu machen und zur nächsten Fragestellung weiterzugehen. Und während diese Notizen das Papier streifen, bilden sich schon Sätze, die Gedanken poltern und plötzlich habe ich die Antwort da, von der ich gar nicht wusste, wie sie ausschauen sollte.
Das ist es also, was die Schule mit uns angestellt hat. Unsere Geister verkompliziert und verschreckt.
Ich hoffe, dass, bis Herr Klein mit seiner Zuckertüte das erste Mal eine Schule betritt, sich schon einiges geändert hat im Bildungssystem. Und vielleicht habe ich bis dahin auch gelernt mit ganz einfachen Fragestellungen umzugehen. In diesem Sinne – Modul 3 hat noch ein paar Fragen offen und der Abend ist noch jung. Oder: „Was Freude macht, belastet nicht!“