Herr Klein ist nun seit einem dreiviertel Jahr in der Schule. Er geht dort wirklich gern hin, es gab nie Probleme bisher und er lernt mit großem Eifer und echter Begeisterung. Das macht mich sehr froh, denn ich war prinzipiell sehr begeistert vom Freilernen. Aber das Konzept verträgt sich nicht mit meinem Streben danach zu arbeiten und meine Ideen, Träume und Wünsche zu verwirklichen. Ich bin nicht dafür geschaffen mit den Kindern auf Dauer daheim zu sein. Da braucht es meiner Meinung nach ein gewisses Commitment, das ich ehrlich gesagt nicht habe.
Umso erleichterter bin ich, dass wir für Herrn Klein eine Schule gefunden haben, die freudvolles Lernen ermöglicht. Und die Schule da lässt, wo sie ihr Fundament hat – im Schulgebäude.
Leider ist das nicht überall der Fall. Erst jetzt wieder tauchen im Bekanntenkreis die leidigen Hausaufgabenthemen auf. Und das macht mich sehr wütend. Unser Bildungssystem macht mich oft wütend – wo fixe Stundenpläne und Noten individuelle Schüler in Schubladen pressen, wo mit Text und Theorie Alltagswissen vermittelt wird und das in einem Zeitalter, in dem Hirnforschung und Neurobiologie von vorn bis hinten versuchen zu beweisen, dass Lernen anders viel besser, erfolgreicher, zielführender und vor allem: freudvoller geschehen kann. Aber dass obendrein auf die strengen Schultage auch noch stapelweise Hausübungen gepackt werden, und das bereits in der ersten Klasse – da, wo Kindern die Schule und das Lernen entweder schmackhaft gemacht oder von vornherein verdorben wird – das macht mich besonders wütend!
Es sind aber leider nicht nur die Lehrer*innen, die von diesen Hausaufgaben überzeugt damit die Nachmittage von Familien regieren, sondern es sind auch Eltern, die der Meinung sind, dass Hausaufgaben wichtig sind für ihre Kinder. Weil sie anscheinend nur so und schon unbedingt jetzt auf das Lernen und Pauken im Gymnasium vorbereitet werden müssen, weil sie sonst anscheinend verloren gehen in unserer Leistungsgesellschaft und chancenlos hinterherhecheln. Und weil Eltern scheinbar große Angst haben, dass, wenn sie nicht täglich über die Fähigkeiten und Leistungen ihrer Kinder im Bilde sind, verpassen, wo sie stehen und was sie können oder eben nicht. Das macht mich gleich noch wütender. Denn, liebe Eltern, ich rate Euch eines: wenn Ihr wissen wollt, wo Eure Kinder in ihrem Wissen stehen – dann verbringt Zeit mit ihnen. Redet mit ihnen, unternehmt Dinge mit ihnen, lauscht ihnen, hört zu auch wenn sie nichts sagen sondern „einfach nur spielen“. Denn im Spiel, da findet so viel lernen statt. Spielen ist letztendlich lernen. Statt am Wochenende über Hausaufgaben zu debattieren – geht mit den Kindern hinaus. In den Wald, in die Welt, ins Theater, in Museen, verbringt Zeit und habt Spaß miteinander. Lernt Euch kennen, erzählt Euch Geschichten, kickt Bälle, radelt neue Wege entlang, schnitzt Figuren, probiert Neues und lümmelt faul auf dem Sofa herum, singt, schweigt, träumt, lacht. Oh ja, lacht!
Bei all dem lässt sich so viel lernen, ohne dass man es lernen nennen muss, ohne Ziel und Vorgaben, ohne richtig oder falsch, ohne super oder verfehlt. Einfach nur durch die Freude am gemeinsamen Tun. Einfach nur durch die Neugier auf die Welt. Wir haben den Vorteil in einer Welt zu leben, in der wir all das tun können. Warum tun wir es nicht?
Natürlich ist das Leben nicht nur Spiel und Spaß. Wir müssen lernen und uns Wissen aneignen, weil nicht alles auf der Straße liegt, was wir für gewisse Berufe und Jobs brauchen. Aber deshalb müssen wir den Kindern nicht in der ersten Schulklasse, in ihren ersten Monaten im Bildungsgefüge den Spaß nehmen und den Frust auf den Tisch legen! Nein wir dürfen sie nicht am Anfang plagen denn hier, ja hier wird die Grundlage gelegt für ihre Lernbegeisterung. Wenn Kinder zu Beginn mit Freude und Begeisterung neugierig lernen dürfen, erfahren, dass manches leichter, manches schwerer fällt, wenn sie Fehler machen dürfen und wenn sie sich nach vollgestopften Schultagen auf Freiheit und Erholung, Spiel und Spaß freuen dürfen, dann werden sie sehr viel wahrscheinlicher erfahren, dass Lernen etwas Gutes, etwas Schönes sein kann. Wenn wir jedoch mühsam und stupide den Stoff vermitteln, wenn wir ihnen Aufgabe um Aufgabe mitgeben, damit sie verinnerlichen, eintrichtern, im Gehirn verquirlen und vor allem pausenlos lernen, dann werden sie schnellstmöglich die Schule verfluchen und vom Lernen recht bald genug haben. Das ist aber schade, denn es gibt so vieles zu entdecken, zu erfahren, zu lernen und zu wissen auf der Welt. Aber wieviel einfacher wir lernen, wenn wir etwas lernen, was uns Spaß macht, das sollten doch wir Erwachsenen langsam wissen. Wir, die wir begeistert für unsere Hobbies, für weiterführende Ausbildungen und selbst gewählte Kurse lernen und lesen. Und ja – auch die Diskussionen mit Fussballkollegen um Abseits, Linienrichter und Elfmeter ja oder nein ist lernen. Eben da, wo die Interessen gerade liegen.
Warum haben Eltern solche Angst, dass ihre Kinder nicht genug lernen? Wo ist ihr Vertrauen hingekommen? Vertrauen dahingehend, dass unsere Kinder lernen wollen. Wenn wir sie lassen. Sie wollen lesen und schreiben, manche höchst eifrig, andere lassen sich dafür Zeit. Sie erfreuen sich daran zu erkennen wer größer, schneller, älter oder schwerer ist. Sie begreifen im Alltag die Wochen und Monate, die Uhrzeit, das Geld, die Post, woher Essen kommt, wovon wir krank werden und wie wieder gesund. Ich könnte endlos aufzählen was unsere Kinder wie und wo einfach so lernen ohne dass jemand vor ihnen steht und erklärt und abfragt. Aber das versuchen Menschen, die viel bekannter und einflussreicher sind bereits. Und ich wundere mich, ich staune und frage entgeistert: wovor habt Ihr Angst, liebe Eltern? Welche Erwartungen habt Ihr an Eure Kinder, dass Ihr verunsichert und streng auf die Hausaufgaben besteht, beharrt und Wochenenden zu Schuldebatten werden lasst?
Und wann werdet Ihr liebe Lehrerinnen und Lehrer endlich begreifen, dass Schule Spaß machen kann? Und wenn sie Euch keinen Spaß mehr macht, vielleicht solltet Ihr dann Eure Hausaufgaben machen und Euch mit der Frage auseinandersetzen: Habe ich den richtigen Beruf gewählt? Lebe ich meine Berufung und wenn nicht – welche ist das?
Es ist nie zu spät umzulernen und sich neu zu orientieren, aber es ist immer zu früh neugierigen Köpfen das Lernen zu verderben!
Dieser Text könnte von mir sein :))
Super auf den Punkt gebracht! Danke dafür
Vielen Dank, liebe Doris!
Ja, ganz wunderbar geschrieben! Sehen wir auch so. Wir leben als Familie ja -auch durch meine verschiedenen Erkrankungen- so null keistungsorientiert. Und wenn ich sehe wie unsere Tochter nun mit 9 alles bestens und begeistert macht (Reiten, Voltigieren, Kinderchor und Schule), dann sehen wir: Ja, es geht so komplett ohne jeglichen Leistungsdruck und komplett ohne „du musst jetzt mal üben“ – nein, sie macht dies ganz von alleine und zwar genau das, was sie grad üben muss! Deshalb unterschreibe ich deinen Text voll und ganz! 💜
Und auch ich frage mich auch -wie zu vielen anderen Themen- beim Thema Schule und Lernen wieder: Die Wissenschaft weiß es doch heutzutage bereits viel viel besser, warum in aller Welt wird da nicht drauf gehört?!? Warum in Gottes Namen wird an diesem Leitungsgedanken soso festgehalten und warum werden nicht die individuellen Bedürfnisse eines/einer jeden beachtet?!?
Seuft! Bleiben WIR einfach weiter bei unserer Haltung und erfreuen uns an unseren Kindern, die sich täglich so wunderbar von ganz selbst entfalten! 💜
Da ist er wieder, der Spagat zwischen dem was ich gerne für mein Kind hätte / wie ich mir die Welt gerne bauen würde und dem was ist und worin das Kind zumindest heute noch zurechtkommen muss. Zum Glück haben auch wir hier eine Schule gefunden mit einem fortschrittlichen Konzept und ohne Hausaufgaben, denn ich sehe das so wie du. Aber wenn ich die Möglichkeit nicht hätte und es Hausaufgaben gäbe, was sollte ich dann tun? Dem Kind sagen, brauchst du nicht machen? Und es damit zum Sonderling in der Klasse machen? Wahrscheinlich würde es auch bei uns in Wochenenddiskussionen enden, weil ich meinen würde, es müsste nunmal erledigt werden, aber gleichzeitig doch nicht endgültig von der Sinnhaftigkeit überzeugt wäre. Und das merkt das kluge Kind ja.
Auch wenn ich anders denke, wird das Kind von vielen (noch) nach Leistung und Noten beurteilt. Es ist schwierig da eine Balance zu finden. Dem Kind zwar zu vermitteln, dass das nicht das Wichtigste aber doch auch nicht ganz vermeidbar ist, weil eben viele noch anders denken.
Wie ändert man von unten das Schulsystem? Es scheint auf dem Weg zu sein, aber es dauert.
Liebe Grüße,
Stefanie
Die Balance ist wirklich schwierig, letztendlich sind wir dem System ausgeliefert und die Änderungen gehen nur gaaaaanz langsam voran. Ich werde in Kürze noch einmal das Thema aufgreifen und näher auf den Umgang mit den Kindern dabei eingehen. Denn die sind ja letztendlich die, die es „ausbaden“ müssen, wenn ihre Eltern anderer Meinung sind. Liebe Grüße!
Ja, ein ganz wichtiger Text…allerdings fehlt mir hier ein Hinweis zur praktischen Umsetzung, ganz konkret. Was sag ich meinem Kind wie es dann in der Schule reagieren soll, wenn fehlende Hausaufgaben auffallen und in der Pause nachgeholt werden müssen etc….Ich sage meiner Tochter immer, dass sie die Hausaufgaben für mich nicht machen muss, aber sie steht ja trotzdem unter gewissem Druck sie zu erledigen, da sie in der Schule nicht unangenehm auffallen möchte und in der Pause nacharbeiten möchte…
Ja, liebe Kristina, darauf bin ich hier noch nicht eingegangen, das hätte den Artikel gesprengt. Ich habe es aber auf der Liste und werde das in Kürze verbloggen. Liebe Grüße, Nadine