Wortlos dankbar

IMG_5007Wenn die Kinder mich um etwas bitten, ein Glas Milch, das Rüberschieben einer schweren Spielzeugkiste, das Raufkrempeln von Hosenbeinen oder ähnlichem, dann rufen sie mir danach meist ein fröhliches Danke entgegen und gehen weiter ihren Tätigkeiten nach. Wenn die Oma ihnen ein Geschenk gibt, wenn die Frau an der Supermarktkassa ihnen das Eis aufmacht, während ich noch einpacke und zahle, wenn im Haus ihnen jemand einen verlorenen Schuh aufhebt, dann nehmen sie das nur stumm entgegen. Sind meine Kinder undankbar?

Ich glaube nicht. Sie sind Fremden, auch bekannten Fremden, also allen, die nicht Mama oder Papa für sie sind, eher schüchtern gegenüber. Zurückhaltend. Vor allem wortkarg. So sind sie. So war auch ich früher. Im Gegensatz zu vielen meiner Verwandten damals habe ich damit kein Problem. Leider wird dieses kleine Wort „Danke“ jedoch oft für den Inbegriff von ehrlicher höflicher und gesellschaftlich erwarteter Dankbarkeit gehalten. Ich hingegen habe ich mich gefragt: Was ist Dankbarkeit wirklich?

Wikipedia sagt: Dankbarkeit ist ein positives Gefühl oder eine Haltung in Anerkennung einer materiellen oder immateriellen Zuwendung, die man erhalten hat oder erhalten wird.

Aha. Ein Gefühl. Eine Haltung. Anerkennung. Wieso also glauben wir, dass Menschen, die sich nicht laut und deutlich bedanken, nicht dankbar sind? Wieso sind viele Menschen verärgert, wenn sie nicht das Wort „Danke“ entgegengebracht bekommen? Warum werden Kinder immer wieder gebeten, ja teilweise genötigt „schön brav danke zu sagen“? Wieso vertrauen wir unseren Kindern nicht, dass sie dankbar sind? Und dieses auch auf ihre Weise zeigen werden? Wieso sehen wir nicht ihre wahren wirklichen körpersprachlichen Dankbarkeitszeichen? Leuchtende Augen. Verschmitztes, schüchternes Lächeln, freudiges Spielen mit dem neuen Spielzeug, genüssliches Eislöffeln. Wieso können wir das nicht als ausreichenden Dankbarkeitsbeweis hinnehmen?

Wenn ich einem guten Freund etwas schenke, dann freue ich mich nicht, wenn dieser Danke sagt und das Geschenk beiseite legt. Ich freue mich, wenn er sich freut. Wenn er überrascht ist. Ich freue mich über die Erleichterung einer Person, der ich gerade in irgendeiner Form geholfen habe, nicht über das Wort danke, das mitkommt.

Wir verwechseln Dankbarkeit oft mit Anerkennung, die wir uns wünschen für unsere Handlungen. Wir sehnen uns nach Wertschätzung. Das ist normal und völlig in Ordnung. Nur sehen wir die Wertschätzung nicht, wenn wir so dringend auf das Wort „Danke“ warten, anstatt die eigentliche, offensichtliche Wertschätzung und Anerkennung vor unseren Augen wahrzunehmen. Die, die wortlos ausgedrückt wird.

Natürlich bin ich manchmal enttäuscht, wenn eine Person nicht so dankbar wirkt, wie ich mir das erhofft habe. Aber bedeutet das, dass die Person undankbar oder unhöflich ist? Waren nicht meine Erwartungen vielleicht etwas zu hoch? Ist die Person eventuell einfach ehrlich, statt unehrlich höflich? Nicht immer ist das der Fall, aber es lohnt sich, das zu hinterfragen.

Ich nötige meine Kinder nicht, sich zu bedanken. Ich bedanke mich bei ihnen, wenn sie mir etwas gutes tun, mich überraschen oder mir helfen. Ich bedanke mich und sage ihnen, wofür genau ich dankbar bin. „Danke, Du hast mir sehr geholfen.“ „Oh danke, da freue ich mich wirklich drüber.“ „Danke, das ist lieb von Dir, dass Du daran gedacht hast.“ Ich möchte Dankbarkeit mit Taten verbinden, möchte Wertschätzung ausdrücken und nicht leere Floskeln. Und ich glaube fest daran, dass sie daran lernen, dass sie das so in ihr Leben mitnehmen, wie sie mein Fluchen, meine Klarheit und sämtliche unbedachte Eigenschaften mit übernehmen. Und ich wünsche mir, dass sie Dankbarkeit als eben solch wohliges Gefühl erleben, wie ich das tue, wenn ich freitags die Friday Fives verfasse. Und nicht als etwas, was man ausdrückt, weil die Gesellschaft es erwartet.

 

 

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Ein zustimmendes Kopfnicken hier von mir und ein herzliches Danke, für diese wahren Worte, einmal mehr mir wieder genau aus dem Herzen geschrieben.
    Ich freue mich so, wie sogar das Winterkind daheim fast immer „Dankeschön“ oder „Danke“ ruft. Aber wenn ihm jemand einen Traubenzucker in der Apotheke gibt dann versteckt er sich hilfesuchend hinter meinem Bein. Und ich lass ihn. Weiß ich doch genau was Du oben beschrieben hast. Aber meistens, fast immer, wird ein Danke erwartet.
    Lieben Gruß

  2. andrea

    danke für diesen artikel! der hat in mir was mehr geklärt, das da schon lange schwelte: ich halte meine kinder zum dankesagen an, weil ich gelernt habe, dass sich das so gehört. aber es fühlt sich nie ganz richtig an und schon gar nicht wie ein freudvolles von innen kommendes danke. nun werde ich das für mich trennen und auch so kommunizieren. wenn man sich nicht für das ‚was‘ bedanken kann oder will, dann vielleicht für das ‚das‘? und dann kann vielleicht aus dem halbherzigen danke, ein vollherzigeres: ‚danke dafür, dass du an mich gedacht hast werden.‘ ob ausgesprochen oder nicht, ist dann eine andere geschichte. zwang hat an dieser stelle (wie an jeder anderen auch) jedenfalls nichts zu suchen. also nochmal: danke :-)

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