Gestern bekam ich wieder einmal erstaunte Reaktionen darauf, dass wir Herrn Klein nicht loben. Bei uns gibt es kein „Super!“, „Bravo!“ oder „Gut gemacht!“. Das mag für viele wirklich unvorstellbar klingen, vor allem, da man ja immer wieder davon liest, wie wichtig es ist, Kinder zu ermutigen und ihre erreichten Meilensteine anzuerkennen. Und genau darin liegt der Unterschied.
Doch ich möchte jetzt gar nicht allzu sehr darauf eingehen, warum wir nicht Loben. Denn das tut Alfie Kohn in seinem Artikel Fünf Gründe gegen „Gut gemacht!“ (original: 5 resonst to stop saying „Good Job!“)selbst sehr gut. Worauf ich eingehen möchte ist das, was uns wirklich gut tut.
Wie im gestrigen Post bereits erwähnt, bin ich Mitglied eines Wohnprojektes. Begonnen haben wir das ganze in einem Kreis von 15 Personen. Und da wir eine große Aufgabe vor uns sahen – nämlich die Teilnahme an einem Bauträgerwettbewerb der Stadt Wien und die anschließende Planung eines Wohnhauses mit 39 Wohneinheiten – mussten wir uns recht bald und früh überlegen, wie wir das gut und organisiert angehen. So stießen wir auf das alternative Projektmanagement „Dragon Dreaming“. Hierbei wird ein Projekt immer wieder in 4 Phasen unterteilt:
1. Das Träumen – ohne eine Vorstellung, einen Traum, eine Vision, kommt so ein Projekt gar nicht zustande. Und wenn es mal nicht weitergeht, man mal ansteht, so muss man wieder schauen – Was sind unsere Ziele? Was genau wollten wir nochmal? Und das schönste daran: Es darf geträumt werden, was das Zeug hält. Dann erst geht es in die nächste Phase:
2. Das Planen – wie können wir nun diese Vision verwirklichen? Unsere Träume leben lassen? Was braucht es? Welche Arbeitsschritte sind notwendig und wer tut was?
3. Das Tun und Handeln – Und dann geht es ans Eingemachte. Es wird umgesetzt. Alles in der 2. Phase überlegte und durchdachte wird nun umgesetzt. Dabei wird immer die Vision aus Phase 1 im Kopf behalten. Gehandelt wird im Sinne der Zielerreichung.
4. Das Feiern – Erfolge müssen gefeiert werden. So kann man Druck und Anspannung der letzten 2 Phasen ablassen, sich gemeinsam über das erreichte freuen und dann viel entspannter weitergehen. Weiter Träumen. Weiter Planen. Weiter Handeln.
Es klingt alles danach, als wäre die letzte Phase die Schönste. Aber nach 3 Jahren in diesem Projekt kann ich sagen: Ich liebe sie alle. Ich bin eine Träumerin. Aber ich mag es auch mit engagierten Leuten am Tisch zu sitzen und zu überlegen: ‚Und nun: wie?‘ um dann loszustarten. „Let’s get it on!“ Und am Ende wird gefeiert. Ausgiebig.
Mittlerweile sind wir 50 Erwachsene. Das Projekt befindet sich in in verschiedenen Phasen. Während der Bau offensichtlich in der Tun & Handeln – also in der Bauphase ist, so wird heute auch die Dachgleiche gefeiert. Für uns ein großes Event, waren wir doch von der ersten Idee, dem ersten schwarzen Strich auf Papier dabei. Gleichzeitig planen wir weiter an unseren Wohnungen und müssen wichtige Entscheidungen für die Einrichtung treffen. Das Projekt will sich auch sonst engagieren, nicht nur ein großes Haus bauen. Dafür braucht es neue Ideen und Visionen. Da beginnt ein neuer Prozess.
Auf diesem Wege gibt es immer wieder Einzelne oder Kleingruppen, die sich für irgendetwas besonders einsetzen. Weil es ihnen liegt. Weil sie gute Kontakte haben oder besondere Fähigkeiten, die es für diese eine Aufgabe braucht. Und wenn dann etwas gelingt, wird diese Person oder Arbeitsgruppe gefeiert. Gefeiert im Sinne von: Wertgeschätzt.
Als wir noch 15 Leute waren, geschah dies auch hin und wieder über den Wertschätzungskreis.
Hier saßen wir in einem Kreis und jede Person durfte für 2 Minuten in die Mitte. Die anderen hatten in diesen 2 Minuten Zeit der Person etwas wertschätzendes zu sagen. Etwas, was sie beeindruckt, was sie vielleicht außergewöhnlich, oder auch einfach nur mal erwähnenswert fanden.
Als ich das erste Mal in diesem Kreis saß, fühlte ich mich nervös und knallrot. Gleichzeitig war ich überrascht, was die Menschen um mich herum zu mir sagten und offensichtlich von mir dachten. Es war eine Seelenmassage höchster Ordnung und nach 2 Minuten schwebte ich förmlich aus dem Kreis. Das wirklich wundervolle daran war jedoch: Ich war ja nicht die einzige, nicht die Königin im Mittelpunkt. Denn alle wurden für 2 Minuten seelenmassiert. Alle schwebten. Und alle hatten am Ende aufgetankt.
Das war der Moment, in dem ich den Unterschied zwischen Lob und Anerkennung erkannt hatte. Dass es nicht darum ging, etwas zu tun, um gelobt zu werden. Dass es mich nicht weiter brachte, wenn jemand etwas, was ich tat „Super!“ fand. Sondern dass wirklich ehrliche Worte beschrieben, was genau sie beeindruckt hat. Nicht unbedingt das, was ich tat. Sondern wie ich es tat. Und vor allem: So, wie ich war.
Seit ich 13-14 Jahre alt war, schrieb ich Texte. Gedichte, Geschichten, sonstiges. Und ich war stolz wie Oskar, wenn jemand „Toll!“ fand, was ich schrieb. Dann schrieb ich weiter und suchte diese Bestätigung wieder. Immer und immer wieder. Bis ich schrieb, um Bestätigung zu erhalten. Sobald diese kam, war ich glücklich. Bis das Gefühl abflaute. Der Text in Vergessenheit geriet. Dann musste schnell ein neuer her. Für das Gefühl, das Schöne. Aber kurze. Ein Auf und Ab. Aber keine Auseinandersetzung mehr mit dem, was ich eigentlich tat. Schreiben. Verarbeiten. Freude empfinden.
Heute schreibe ich viele Blogs. Wenn ich dann von jemandem höre: „Schön.“ oder „Toll.“ empfinde ich das als leer. Wenn jemand sagt: „Schön geschrieben.“ so ist es zumindest eine vage Auseinandersetzung mit der Art des Textes, der Wortwahl vielleicht, dem Aufbau des Posts. Erhalte ich jedoch Kommentare, die sich auf den Inhalt beziehen, befriedigt mich das wirklich und nachhaltig. Denn dann werde ich motiviert, mich weiter damit auseinanderzusetzen. Und ich beschäftige mich weiter mit der eigentlichen Arbeit dahinter.
Und das ist es doch, was wir von unseren Kindern wollen. Dass sie Bilder malen, weil sie malen wollen. Dass sie einen Sport betreiben, der ihnen Spaß und Freude bereitet. Dass sie sich mit Themen befassen, weil sie diese interessieren. Und nicht, weil sie unsere Bestätigung, unser Lob wollen. Oder gute Noten (Leider ist das ein ganz großes anderes Thema…)
Also lobe ich auch Herrn Klein nicht. Wenn er zum Beispiel irgendwo hinaufklettert, oder es wagt das erste Mal von weit oben runterzurutschen. Wenn ich aber gesehen habe, dass ihn das Mühe oder Überwindung gekostet hat, dann erwähne ich das. Und sehe somit nicht nur das Ergebnis – diesen kurzen Moment. Sondern sein wirkliches Tun. Und ihn selbst.
Lob oder Anerkennung. (Strafe oder Konsequenzen)Wunderbar beschrieben und endlich ein Punkt angesprochen, so klar und deutlich, dass es mal nicht weh tut. Vielen Dank.
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