Als Herr Klein noch im alten Kindergarten war, verbrachte ich dort oft bis zu 1h im Garten, bis er dann mal bereit war, mit mir heimzugehen. Nachmittags waren alle Kinder draußen, bei Wind und Wetter. Und sie liebten es. Was mir daran besonders gefiel, war die Stunde Zeit, die ich irgendwie gewann. Zeit, um ihn in einer Welt zu beobachten, in der ich ihn sonst nie sah. Und Zeit, um wirklich entspannt auf einer Bank zu sitzen. Warum ging das auf normalen Spielplätzen nicht, fragte ich mich oft.
Seitdem er in den neuen Kindergarten, der leider keinen so großen Garten hat, geht, schauen wir am Heimweg noch an einem Spielplatz vorbei. Für den unerlässlichen Energieablass. Aber die Ruhe und Entspannung, kann ich dort nur selten erleben.
Was ist also so anders am Garten im Kindergarten, als am Spieplatz?
Ich glaube, es sind die Eltern. So. Nun ist es raus.
Auch wenn mit Eintreffen der Eltern im alten Kindergarten die Verantwortung für ihr Kind bei ihnen lag, und nicht mehr bei den Pädagoginnen, so saßen und standen sie dennoch hauptsächlich herum und unterhielten sich. Schauten hier und da, was ihre Kinder so trieben, aber ließen sie großteils machen. Und die Kinder machten.
Auf Spielplätzen ist die Beobachtung oft eine ganz andere. Die Eltern folgen ihren Kindern. Bis in den Sandkasten. Manchmal sogar bis aufs Klettergerüst. Sie schaukeln ihre Kinder in den Himmel und zurück, sie wippen mit ihnen und achten auf ein „gutes Verhalten“. Denn beim kleinsten Konflikt wird eingegriffen – die Schaufel zurückgegeben, schreiende Kinder von Dreirädern gezogen, großzügig das eigene Spielzeug verborgt.
Seit kurzem setze ich mich (aus verschiedenen Gründen) konsequent nur noch auf die Bank, während Herr Klein den Spielplatz erobert. Früher war auch ich viel bei ihm, habe Sandkuchen gebacken oder ihn angeschaukelt (obwohl ich von Anfang an ahnte, dass die Verwendung der „Käfigschaukeln“ ein Schuß in den Fuß war).
Natürlich will Herr Klein nach wie vor schaukeln, ich erkläre ihm, dass ich das nicht mehr will, er fragt noch ein paar Mal und geht dann weiter. Vielmehr: er entdeckt. Er spielt auf eine viel wertvollere, wunderbare Art. Er klettert, probiert sich aus, knüpft Kontakte zu anderen Kindern. Er tobt, er lacht, er phantasiert und experimentiert. Er ist Kind. Frei und unbefangen.
Und deshalb plädiere ich für „elternfreie Spielplatzzonen“. Sozusagen für Pikler-Spielräume im Freien. Wo die Eltern am Rand sitzen, beobachten, aber nicht aktiv mitspielen. Wo Konflikte begleitet, statt gelöst werden. Wo Kinder Kinder sein dürfen. Paradox, dass das ausgerechnet in ihrer Welt – auf dem Spielplatz – so selten geht. Denn abgesehen davon, dass auf diversen Spielplätzen gewisse Dinge oft sogar verboten sind, so wie Ballspiele z.B., hindern meiner Meinung nach viele Eltern ihre Kinder am eigentlichen Spiel. Die einen stehen irgendwo im Eck und werfen ihren Kindern Befehle zu ohne dabei mit ihnen „in Kontakt“ zu sein. Die anderen kleben an ihren Kindern, schweben immer um sie herum, kommen an und absolvieren mit ihnen gemeinsam ein vermeintliches Pflichtprogramm ab: Rutschen, Schaukeln, Wippen, Sandkasten. Vielmehr: da werden Kinder in Höhen gehoben und geschoben, die sie so nicht erklimmen könnten und somit nicht einschätzen können. Da ist so eine Rutsche doch „kein Akt“, und man soll sich „mal nicht so anstellen“. Da wird Stress gemacht, weil doch die nächsten Kinder schon warten. Und ja, geteilt werden muss sowieso. Weil das muss man ja schließlich lernen, so als kleines unsozialisiertes Kind.
Und am Ende wird zum Abpfiff gerufen. Der Einkauf, die Turnstunde oder das Abendessen warten.
Ich weiß, dass auf Spielplätzen viele Altersgruppen umherlaufen und man – vor allem mit sehr kleinen Kindern – schauen muss, dass sie in Ruhe spielen können. Quasi gefahrlos, außer Reichweite der wilderen Spiele der Großen. Dass sie diese nicht stören oder nerven, denn alle gehören gesehen und respektiert, auf so einem Spielplatz. Aber auch all das habe ich als möglich erlebt, ohne großes Eingreifen der Erwachsenen. Und wenn ich in beobachtender Distanz bin, so kann ich immernoch rechtzeitig eingreifen, wenn nötig.
Also, für einen spaßigen Dienstag (und MIttwoch, und Donnerstag und…) – setzt Euch doch einfach mal auf eine Bank, liebe Eltern. Genießt Euer Kind allein durch Zuschauen und Beobachten. Erlebt mit ihm seine Freude am Entdecken, seinen Spaß am Herumtoben und die Fähigkeit, kleinere Konflikte selbst zu lösen, aus der Distanz. Denn dieser Moment, wenn das Kind allein auf ein Klettergerüst heraufgekommen ist, sich zum ersten Mal eine große Rutsche herunter gewagt hat, sich plötzlich selbst anschaukeln kann oder stolz ein ganz eigenes Sandbäckereikunstwerk präsentiert, ist so viel wertvoller. Für beide. Eltern und Kind. (Wenn man diese Momente von der Bank aus beobachtet und dabei nicht ins Smartphone vertieft abdriftet…) Und dann kann man auch erleben, dass Kinder ihre Grenzen selbst austesten, aber auch erkennen und akzeptieren, dass sie Neues wagen, wenn sie bereit sind. Damit nehmen wir ihnen nichts, wenn wir sie nicht mehr anschaukeln, in unerreichbare Höhen heben, oder ihnen zeigen, wie man Sandkuchen backt. Wir schenken ihnen etwas: Freiheit! Die Freiheit all das selbst zu erreichen, zu erfahren und zu entdecken.
Und Ihr liebe Eltern, die Ihr genau das schon tut, schaut doch mal auf einem Spieplatz vorbei, auf dem ich sitze. Dann können wir gemeinsam nebeneinander sitzen und schweigen, uns nett zunicken und uns völlig tratschfrei an unseren Kindern erfreuen.
Ich hab jetzt den (langen ;) Beitrag nicht zu Ende lesen können weil das Bett ruft aber ich möchte mich dennoch äussern. Ich bin auch eine Parkbank-Mama (allerdings meist in Gesellschaft oder am Handy (no go, ich weiss…)…), die nur eingreift wenn es dringend sein muss (und oft nur weil ich das Gefühl habe, zu müssen weil mich sonst die anderen Mütter massakrieren. Konkret: Mein Sohn schläft, stösst ein anderes Kind od nimmt was weg etc.) Nun gut, ich schätze, das ist dann auch ein Muss, sonst denkt er, Schlagen sei OK. Meist ist es aber meine Tochter (bald 2), die mich immer wieder von der Parkbank holt weil sie wie Du erwähnst schaukeln will oder irgendwo hoch, wo sie nicht kann od weil sie sich weh getan hat und weint. Du plädierst also dafür, dass ich meine Tochter nicht schaukeln lassen soll solange sie sich nicht selber draufsetzen kann obwohl ihr das Spass macht? Tatsächlich mache ich das oft nicht (gleich) weil ich im Gespräch mit anderen Müttern vertieft bin. Ich erinnere mich auch an unseren Pikler-Spielraum. Hier hat die Pädagogin den Kindern sehr wohl geholfen, wenn sie etwas (erreichen) wollten, das sie noch nicht konnten. Auch will ich die Gesichter der Mütter nicht sehen, die dann denken „Rabenmutter. Zu faul um ihr Kind in die Schaukel zu setzen!“ L’enfer, c’est les autres…
Ich kann es auch echt nicht ab, diese Mütter zu beobachten, wie sie ihren Kindern entweder überall hinterherhechten oder ihnen dauernd „Ideen“ liefern („Komm wir machen dies…“, „Magst Du schaukeln…“) Furchtbar. Eine dieser Mütter war zwar jahrelang mit im Pikler-Raum aber sie hat wohl nicht verstanden. Sie ist auch oft noch so „dreist“ (*lach*), meine Kinder mit Nachdruck davon zu überzeugen, jetzt sofort auf dieses oder jenes Spielgerät zu wechseln weil ihre Tochter da jetzt grad einen Spielkameraden braucht (zum gigampfen beispielsweise)… Grauenvoll! :D Ernsthaft… kann ich nicht ab! Und gerade gestern rief mich eine befreundete Mutter hinzu, dass ich bitte meinen Sohn zurechtweisen soll, weil er ihre Tochter nicht ans Steuer des Holzbuses lässt obwohl sie zuerst dran war. Gott, soll sie sich doch wehren, die beiden sind gleich alt. Ich könnte jetzt massenhaft Beispiele folgen lassen aber eben, das Bett… nur eins noch: Das Problem ist, dass meine Kinder andere Kinder brauchen, um zu spielen. Besonders der Grosse sagt beim Anblick eines menschenleeren Spielplatzes, dass er lieber woanders hin geht. Er mag dann nicht spielen. Nur, andere Kinder, andere Mütter. Man kann ihnen nicht entfliehen…
Hallo. Also ich finde es sehr eigenartig, dass eine Spielraumleiterin den Kindern hilft auf etwas hinaufzukommen, wo sie von sich aus nicht hinkommen können. Eigentlich ist das ja gerade das No go. Entweder sie schaffen es und wenn es schwierig ist, dann stehe ich in Reichweite und kommentiere, und wenn sie nicht weiterkommen, helfe ich ihnen runter, aber nicht weiter rauf. Mein Sohn kennt das von Anfang an, er kommt nirgends rauf, wo er nicht allein hinkommt. Damit war ich natürlich auf den Spielplätzen schon die unmögliche Rabenmutter. Aber das ist ok. Stattdessen weiß ich, dass er da, wo er raufkommt, sehr sicher ist. Und seine Grenzen kennt. Denn wenn er dann merkt, dass das sehr hoch und unheimlich ist, dann ruft er mich und ich helfe ihm runter. Und motiviere ihn nicht runterzurutschen, wo er sich nicht traut. Und ja, das Anschaukeln durch uns ist ja klar ganz nett und schön, aber sie sind dadurch auch wieder sehr abhängig von uns. Ich mach’s nicht mehr und für ihn ist das auch ok. und ehrlich: er kann ja noch eeeewig viele Jahre lang schaukeln, wenn er dann selbst rauf kommt. Wenn mir andere Mütter zu sehr reinfunken in Konflikten versuche ich einfach nur bei den Kindern zu bleiben. beschreiben, was gerade das Problem ist, ohne es zu lösen. Dabei lasse ich wirklich oft die Erwachsenen komplett raus. Es ist erstaunlich, was dann möglich ist. Es sei denn, die anderen Mütter (oder Väter, aber meist natürlich Mütter) reißen ihre Kinder auch oft raus aus der Situation. Leider.
Naja, sie hob jetzt das Kind nicht hoch oder so aber sie bot wohl ihre Hand an und reichte Gegenstände, wenn sie unerreichbar waren aber gefordert wurden.
Ich werde mich also auf dem Spielplatz mal im Nicht-Helfen üben ;) Am besten alleine… :D Denn meine Tochter kann sehr gut und laut zornen wenn ihr etwas nicht passt. Ein bisschen fürchte ich mich allerdings davor, wie sie es auffassen wird wenn ich plötzlich nicht mehr helfe.und nur noch passiv bin. Dein Kind kennt das ja aber meines eben nicht… Wird es sie nicht verstören?
wenn Du überzeugt bist, es ihr bestimmt und klar vermittelst, dann wird sie es verstehen. sicher wird sie erst einmal schimpfen und vielleicht auch toben, weil Du doch bisher und überhaupt, Mama!!! aber wenn Du immer wieder ruhig und geduldig sagst, dass Du das ja, bisher immer gemacht hast, aber nun Deine Meinung geändert hast und das nicht mehr möchtest, wird sie das akzeptieren.
Schöner Text, aber diesmal bin ich nicht ganz einer Meinung mit dir. Also eigentlich schon, ich stimme dir in allem zu. Aber was ist, wenn ich selber gerne mitspiele und mein Kind das dann auch mag?
z.B. spielen wir manchmal dass das Karussell oder das Klettergerüst ein Piratenschiff sind, wir Wale entdecken, ein Sturm aufzieht? Im Gegensatz zu zB Lego mag ich Rollenspiele und spiele da gern mit. Und unsere Abenteuerrollenspiele passen oft gut auf den Spielplatz. Oder letztens bauten wir im Sand ein Hexenhäuschen und 2 Stöckchen taufte I. als Hänsel und Gretel. Das war spannend. Ich fand es toll, auf was für Einfälle I. kam. Ich hielt es aus, dass es wahrscheinlich peinlich war, dass ich mit ihm Sandkasten rumkroch und laut „Hänsel, pass auf!“ brüllte. Sowas ist eher verpönt, zumindest auf unseren Spielplätzen. Hier sitzen die Eltern eher auf der Bank. Das tue ich auch oft. Aber manchmal habe ich eben Lust mitzuspielen. Ich bin halt ein Spielkind geblieben, mit großem Spieltrieb. (ok, bin auch Schauspielerin ;)) Und auch wenn ich damit auffalle, (z.B. als „Kind“ einen stampfe und „ich will aber einen Lolli“ brülle) finde ich es ok.
Wenn ich die Lust und Energie habe (und die habe ich längst nicht immer) habe ich eben auch das Bedürfnis MIT I. zu spielen. Kann man natürlich auch zu Hause, aber auf dem Spielplatz habe ich keinen Haushalt usw. Über dieses Thema gärt bei mir auch schon länger ein Post. Na ja, ich denke die Mischung machts und v.a. die Authenzität.
Dem stimm ich so ganz zu,ist einleuchtend,daß jeder Tag verschieden ist vom Verhalten her,auch die Reserven sind ja jeden Tag unterschiedlich…
naja wenn Du so richtig Spaß dran hast und Dein Kind auch, dann ist das ja völlig authentisch und schön. Und solange Dein Sohn dann daheim damit klar kommt, dass Du andere Spiele nicht mitspielen willst, ist es ja auch für ihn klar. Das hier ging wirklich eher an Eltern, die eigentlich so ein wenig ungewollt ihren eigenen Kindern beim Entdecken im Weg stehen. Die sie „antreiben“ und motivieren etwas zu tun und zu spielen. (Ich würde Dich zu gern mal sehen, wie Du wütend auf dem Spielplatz rufst „Ich will aber einen Lolli!!!“ :)
„Und deshalb plädiere ich für “elternfreie Spielplatzzonen”.“
Du sprichst mir aus dem Herzen. Ich leben in Berlins kinderreichstem Stadtteil und das, was hier auf den Spielplätzen zu beobachten ist, damit könnte man ganze Bücher füllen. Eigentlich scheinen oft die Eltern im Sandkasten zu sitzen und nicht die Kinder…
Ich kann Dir auch nur beipflichten, wenn Du nicht die Schaukel anschubsen willst. Ich habe es auch so gehalten. Ich habe sehr viel mit Kindern allen Alters zu tun (ich arbeite kunsthandwerklich mit Kindern) und wenn halt einer gewisse Dinge noch nicht tun kann, dann muss er eben warten bis er so weit ist, dass es alleine geht… Natürlich gibt es Alternativmöglichkeiten. Aber dass die Erwachsenen das quasi Selbsterproben der Kinder wegnehmen und das Scheitern und Wiederversuchen verhindern dadurch, dass sie immer so hilfreich zur Stelle sind, finde ich, gelinde gesagt, sehr unangenehm.