Vor ein paar Wochen habe ich das Wohnzimmer umgestaltet. Habe den abgetrennten Bereich für Frau Klein in einen abgetrennten Bereich für Herrn Klein umgewandelt. Weil sie nun krabbeln kann und unterwegs ist, weil ich ihr etwas „Auslauf“ schenken wollte, mit dem Herr Klein aber nicht zurecht kam. Denn sie war ständig überall und ihm zu nahe.
Also bekam er ein Spielgitter um seinen Autoteppich und seinen kleinen Schrank, der eigentlich auch nichts anderes als Autospielzone ist. Er schien zufrieden und lächelte, als er die Umstellung sah. Und ich dachte, ich hätte die Lösung. Nungut, das schreit nach Aber. Genau. Aber…
Frau Klein wuselte nun fröhlich frei durchs Wohnzimmer und überall umher. Das störte ihn dennoch, während er in seinem Bereich spielte. Um genau zu sein: er spielte nicht mehr. Er beschwerte sich. „Mag nicht wenn die M. da so rumwuselt.“ „Mag nicht die M. am Boden haben.“ Nunja. An die Decke konnte ich sie schlecht hängen.
Ich bot ihm sein Zimmer an. Aber klar – nach 3 Jahren „Vorherrschaft“ im Wohnzimmer war ihm das Konzept vom alleinigen Spielen in seinem Zimmer fremd. Mitkommen konnte ich jedoch nicht immer, ohne dass Frau Klein mir folgte. Was ihn – man ahnt es – störte.
Er soll sich mal nicht so anstellen, könnte man meinen. Er hat einen Bereich, er hat ein eigenes Zimmer und nun genug der Rücksichtnahme. Kann man denken. Funktioniert praktisch aber auch nicht. Herr Klein kämpft nämlich. Um sich. Um seine Stellung. Um uns. Um sein Spielzeug. Um Raum. Um alles. Mit Gefühlen, die er nur schwer beschreiben kann. In ihm schlummert viel. Er hat nicht nur eine Schwester bekommen, er hat sich den Arm gebrochen, war drölfzig mal im Krankenhaus, wurde operiert, er hat den Kindergarten gewechselt und daheim wachsen Kisten und Boxen um ihn herum, weil ein Umzug ansteht, von dem er nicht weiß, was er zu erwarten hat. Das ist viel. Sehr sehr viel. Und das versuchen wir uns immer wieder ins Gedächtnis zu rufen. Wenn er kämpft. Wenn er sie sekkiert und malträtiert. Sie zerrt und zieht, schiebt und umkippt. Sie kneift und tritt. Und wir am Rande unserer Nerven versuchen hier alle am Leben zu halten. Denn auch wir haben ein zweites Kind bekommen, haben unseren Sohn durch Armbrüche und OPs begleitet, haben die Kindergartenumgewöhnung mitgemacht, stehen morgens um 5 mit zwei Kindern auf in den Tag. Ich stille, wickle und laufe dem Haushalt hinterher. Der Liepste arbeitet, plant die neue Küche und übernimmt am Abend das erschöpfte Chaos. Wir husten und schnupfeln und organisieren einen Umzug. Und sitzen abends frustriert vor unserem momentanen Leben. Fallen müde ins Bett.
Also habe ich heute, in der Hoffnung auf einen kleinen Lichtblick, auf etwas Lagerentspannung alles wieder verrückt und verschoben. Habe Frau Klein wieder ein „Gehege“ gebaut, Herrn Klein die Welt wieder eröffnet. So dass sie nicht mehr überall ist, aber da, wo sie ist, sicher ist. Und er Gewissheit hat, dass sie dort bleibt. Dass eventuell ein wenig Ruhe einkehrt. In alle Gemüter.
Denn da geht es nicht darum, wer jetzt womit durchkommt. Es geht darum, alle Bedürfnisse zu erkennen und versuchen einen Weg zu finden, den alle gemeinsam gehen können. Denn Herr Klein will nicht mit irgendetwas durchkommen, er ist verwirrt und verzweifelt. Und das darf er sein. Es liegt an uns, das zu sehen und zu respektieren, ihm Ruhe und Sicherheit zu geben. Bis sein Leben wieder so etwas wie Normalität bekommt. Und gleichzeitig bedeutet es, auch Frau Klein zu sehen und zu schützen. Ihr Raum und Sicherheit zu geben. Und wenn all das gegeben ist, dann können auch wir (hoffentlich) wieder etwas Ruhe erleben. Dringend notwendige.
Tja und manchmal bedeutet das, das Wohnzimmer auf den Kopf zu stellen. Obwohl viel Wohnzimmer grad nicht mehr vorhanden ist. Aber das ist auch ok. In 7 Wochen ziehen wir um. Dann wird alles wieder anders. Ach Herrje.
Besser kann man das nicht machen, glaube ich. Am schwierigsten für mich als Mutter war immer, meine eigenen Bedürfnisse vor lauter anderen lautstark geäusserten Bedürfnissen nicht ganz hintenanzustellen, bis ich sie fast vergass. Was ich aber doch tat, obwohl ich es merkte. Es scheint, dass du das besser hinbekommst. Das macht mich froh, denn selbst mit all dem Wissen und der Erfahrung, die ich jetzt als dreifache und getrennte Mutter habe, bin ich nicht sicher, ob ich es bei einem vierten Kind (das nicht geplant oder überhaupt auch nur angedacht ist) besser schaffen würde.
Viele Grüsse, Christine
Naja, man kann auch sagen: nachdem ich gestern einen Wäschekorb zertreten habe, hab ich gemerkt, dass ich mal wieder komplett ausgebrannt bin. Es muss also oft erst eskalieren, bis man merkt, dass man auf sich selbst vergisst. Aber wenn man dann schnell handelt, versucht zu ändern, was zu ändern geht, kann auch wieder was entstehen. So hoffe ich. Finde es jedenfalls auch sehr beeindruckend, wie Du das schmeißt so allein mit 3 Kindern. Wirklich! (Und Deinen Humor, den Du Dir dabei behältst :)) !
Liebe Nadine,
ach ja, der Wäschekorb – den hatte ich auf twitter gelesen, aber nicht mit diesem Post in Verbindung gebracht.
Die Eskalation als Leuchtsignal, dass etwas aus dem Lot ist, kenne ich natürlich auch. Es ist ja nicht so, dass ich immer humorvoll und gelassen neben meinen Kindern stehe. (Insbesondere nicht im Urlaub.) Und genau wie du sagst, da ist dann Raum für Neues.
Alles Liebe und Gute!
Christine
Ich kenne diese Absperrung aus der Wiegestube (unser Pikler-Spielraum). Sie hat aber nicht lange geklappt. Meine Kleine wollte natürlich nicht eine Sekunde ohne Mutter hinter der Absperrung spielen. Sass ich mich aber hinter’s Gitter, war ich getrennt von meinem Sohn. Auch die Tochter meiner Freundin stand immer schnell am Gitter und wollte raus zu ihrem Bruder, den anderen Spielsachen. Die ihrigen Spielsachen interessierten die zwei nicht deshalb Hut ab, dass es bei Euch zu klappen scheint mit dem „Einsperren“.
Ich verstehe, was Du durchmachst… unser Grosser hatte und hat jetzt noch grosse Mühe damit, nicht mehr das einzige Kind zu sein. Wir haben viel durchgemacht und machen es noch… wir Eltern stecken sehr zurück und ich hoffe, dass sich das bald ändert.
Auch wir sind umgezogen, allerdings erst im Sommer (also 1,5 Jahre nach der Geburt der Kleinen). Ich habe mit dem schlimmsten gerechnet (wie so oft) aber eingetreten ist ein Wunder! Die Kinder haben den Umzug bestens akzeptiert und fast sofort gut geschlafen (im Vgl dazu war unser Urlaub ein Horror, da schliefen beide eine Woche lang miserabelst!)… es ist jetzt also zu spät für dieen Tipp aber vlt hast Du ihn eh schon berücksichtigt…: Ich glaube, dass unsere Kinder den Umzug deshalb problemlos verkraftet haben (ich hatte weitaus mehr Mühe!!!) weil wir sie vom Baubeginn an immer wieder mitnahmen zu der Baustelle und ins Haus. Zum Schluss waren wir fast täglich dort, brachten Kisten und liessen die Kinder immer darin herumgehen, spielen, etwas knabbern; blieben auch mal länger. Ich drücke Euch die Daumen, dass Ihr bald an- und zur Ruhe kommt!
Danke Dir! Nunja die Absperrung akzeptieren beide ganz gut zum Glück. sind sie auch von anfang an gewöhnt gewesen. Bin gespannt wie es jetzt wird. Aber interessant was Du sagst wegen des Umzugs. Herr Klein ist auch von Anfang an immer mit bei der Baustelle gewesen. Er kennt auch alle Nachbarn, weil es ein Gemeinschaftsbauprojekt ist. Leider darf er momentan noch nicht mit rein ins Haus. Aber ich hatte gehofft, dass es so etwas greifbarer wird für ihn, wenn er das Ziel etwas kennt. Bin gespannt!
Ich bin auch gespannt! :)
soviel Phantasie und Geduld…!!
Du machst das toll.