Schlaf, Kindlein schlaf

IMG_1884Schon sehr lange wandere ich gedanklich um einen Artikel zum Thema (Ein)schlafen umher. Immer und immer wieder beginne ich zu tippen, lösche, tippe neu, speichere unter Entwürfe und kehre nie mehr zurück. Warum? Weil das Thema Schlaf ein sehr sehr sehr sensibles ist. Und es schwer ist hier auszudrücken, was man sagen will, ohne dabei unabsichtlich zu verletzen. Mit den anhaltenden Diskussionen über die Ferber-Methode im Netz will ich nun aber doch endlich auch meine Gedanken dazu äußern. Weil ich sonst irgendwann innerlich platze, wenn ich weiter nur tippe und lösche. 

Die Diskussionen gehen hauptsächlich von 2 Fronten aus – denen, die das Ferbern unterstützen und meinen, es wäre gut, einem Kind das alleinige Ein- und Durchschlafen mit Zeitmethoden anzutrainieren und denen, die meinen, dass man Kinder so lange beim (Ein)schlafen begleiten sollte, wie sie es brauchen, weil sie eines Tages selbst die Fähigkeit entwickeln, dies allein zu tun. Und so wird debattiert und argumentiert. Es werden wissenschaftliche Studien auf den Tisch geworfen und selbige wiederum ignoriert. Es werden Erfahrungen ausgetauscht und es wird vor allem viel geredet über richtig und falsch.

Meiner Meinung nach führt das alles jedoch zu Verwirrung und Verunsicherung seitens derer, die damit tagtäglich konfrontiert sind – den Eltern. Und die schwanken dann zwischen der Angst des Verwöhnens ihrer kleinen kaum ein paar Wochen alten Babies und andererseits dem erschöpften Glauben, ihre 3-Jährigen Kinder würden schon irgendwann schlafen lernen und das müsse nun einfach so sein. Da müsse man durch.

Dabei ist nichts dergleichen notwendig. Was vielmehr verbreitet gehört ist die Tatsache, dass es für das (Ein)schlafverhalten eines Kindes kein Rundumrezept gibt. Da gibt es Kinder, die verschlafen die ersten 6 Wochen ihres Lebens förmlich und es gibt die, die scheinbar dauerhaft wach sind. Es gibt die, die immer und überall einschlafen können, die man schlafend vom Kinderwagen in den 6. Stock tragen, wickeln und ins Bett legen kann und die, die aufwachen, wenn im Nachbarort ein Auto hupt. Wir haben zum Beispiel letzteres. Hingegen haben wir Kinder, die relativ gut schlafen. Beide. Deswegen kann ich noch lange nicht umhergehen und sagen, das wäre so, weil…

Was braucht es nun aber, damit Eltern wieder zu etwas Ruhe finden? Und nicht nur das – damit auch Kinder zur Ruhe kommen! Denn Schlaf ist ja nicht nur etwas, was wir Erwachsenen uns viel zu oft wünschen und nicht bekommen, sondern eine Notwendigkeit, um gesund und fit zu sein und zu bleiben. (Abgesehen davon, dass auch hier variiert, wieviel Schlaf ein Mensch baucht, um zu „funktionieren“)

Selbstsicherheit
Als erstes brauchen Eltern die Gewissheit, dass ihr inneres Bestreben zu tun, was sie tun, ihre Kinder weder verwöhnt noch ihnen langfristig schadet. Sie sollen sich nicht bewertet und verurteilt fühlen, weil sie ihr Kinder im gleichen oder im eigenen Bett schlafen lassen. Sie dürfen keine Sorge tragen, wenn sie ihr Kind in den Schlaf begleiten, ob stillend oder singend, händchenhaltend oder selbst schlafend. Sie sollten sich ganz bei sich und in sich ruhend fühlen, egal, was sie tun.
Das mag so klingen, als würde ich auch denen, die ihre Kinder abends bis zum Einschlafen allein im Bett schreien lassen, unbewertet und urteilsfrei lasse. Das ist nicht wirklich so, ich glaube nur nicht, dass man die, die das aus tiefster Überzeugung tun, umstimmen kann. Und deshalb versuche ich das auch nicht. (abgesehen davon, dass die auch keine solchen Artikel lesen oder Diskussionen verfolgen, weil sie eben von ihrem Weg überzeugt sind). Ich glaube lediglich, dass die, die das tun während sie selbst darunter leiden, wissen sollten, dass das nicht sein muss. Dass es anders geht.

Betrachtung der individuellen Situation
Wenn eine Mutter am Limit ist, erschöpft und nicht mehr kann, wenn sie flucht und schimpft oder verzweifelt ist, dann hilft es nicht ihr zu sagen, sie hätte eben doch nicht dies oder das tun sollen. Es hilft auch nicht ihr verschiedenste Dinge zum Ausprobieren vorzuschlagen. Denn wenn wir probieren, dann können wir nicht wirklich etwas verändern. Dann sind wir nur ambivalent und „schauen mal, ob sich da was tut“. Um wirklich eine bewusste Veränderung herbeizuführen, muss dafür die Überzeugung und Bereitschaft dazu da sein. Aber zu der gelange ich nur, wenn ich weiß, was ich überhaupt ändern kann. Ist es die Umgebung, ist es meine Einstellung, ist es etwas ganz Aktives in meinem Tun und Handeln? Dazu muss man die Gesamtsituation beleuchten, und das geht oft nur mit etwas Abstand oder Unterstützung von außen. Eine Beratung kann da viel bewirken, wenn man von einer Person beraten wird, der man vertraut und der man Kompetenz zuschreibt. Das sollten keine Freunde, Verwandten oder Bekannten sein, die vielleicht eine gute Meinung oder Erfahrung haben. Es lohnt sich, hier zu investieren. Das sage ich nicht, weil ich selbst Beratung anbiete, sondern, weil ich selbst schon unzählige Beratungen und Gespräche in Anspruch genommen habe und danach immer erleichtert und etwas befreit war. Weil ich einen Knoten gelöst hatte und so entspannt weiterstricken konnte.

Eingeständnis
Sowohl für eben jene Beratung als auch für eine bewusste Veränderung, sprich Verbesserung der Situation, braucht es die Einsicht der Eltern, dass sich etwas ändern darf, ja teilweise muss. Dass es nicht sein muss, dass sie so am Limit sind. Auf Dauer. Dass sie körperlich und geistig nur mehr erschöpft sind und sich selbst nicht mehr finden. Es braucht die Einsicht, dass ich mein Kind nicht schreien lassen muss, wenn es mir selbst dabei das Herz bricht und es braucht die Einsicht, dass ich mein Kind nicht jahrelang bis in den Tiefschlaf begleiten muss. Sondern dass es auch anders sein kann und darf.

Vertrauen und Zutrauen
Zu alledem gehört auch eine gewisse Portion Vertrauen in unsere Kinder, dass sie ein gesundes (Ein)Schlafverhalten erlernen können. Wenn man ihnen gewisse Fähigkeiten zutraut. Lernen können klingt nun vielleicht wieder nach Methoden und Konditionierung. Es kann eben aber auch bedeuten, dass ich meine Begleitung ändere, mein Verhalten. Dass ich liebevoll, respektvoll und dennoch klar und ehrlich ein alleiniges (Ein)schlafen herbeiführe. Wir haben das mit Herrn Klein erlebt. Lange Zeit sind wir neben ihm gelegen, bis er geschlafen hat. Haben uns dann hinausgeschlichen. Manchmal zu früh, dann fing alles von vorn an. Lange Zeit war das ok für uns, fühlte sich richtig und gut an. Aber irgendwann wurde es wirklich zehrend, wir wurden genervt und gereizt. Und mit der nahenden Ankunft von Frau Klein einfach nicht mehr machbar. Also beschlossen wir, etwas zu ändern. Natürlich gab es Tränen. Immerhin war es eine Veränderung, die wir herbeigeführt hatten, die wir dringend brauchten und wollten, um die Herr Klein jedoch nicht gebeten hatte. Aber mit diesen Tränen war Herr Klein nie allein, wir ließen ihn nie schreien oder allein im dunkeln weinen. Denn ja, es gibt einen Weg da durch. Zwischen diesen hohen Wänden aus tränenfreier Begleitung und Schreimethoden. Aber wie gesagt, dieser Weg, den wir gegangen sind, muss nicht für alle passen. Er muss auch nicht für alle die Lösung sein. Die Lösung, die ergibt sich aus der Summe der einzelnen Teile hier. Aus der Betrachtung einer individuellen Gesamtsituation einer Familie. Und nur dieser Familie.

Nun bleibt mir nur zu sagen, dass auch ich, obwohl es mir hier nicht um die Diskussionen im Netz geht, ganz bewusst von der Ferbermethode distanziere. Weil sie eben Konditionierung ist. Langzeitschäden hin oder her, sie ist meiner Meinung nach unnötig. Weil es andere Wege gibt. Und ich wünsche allen Eltern, dass sie ihren finden und gehen. Gerne versuche ich, dabei zu unterstützen.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. momatka

    Hallo Nadine,
    danke für deinen Artikel. Mich beschäftigt die Debatte um das Einschlafen auch gerade wieder und ich habe deinen Artikel gerne gelesen. Leider sagst du ja gar nicht, welchen Weg ihr dann letztlich gegangen seid. Wo führt der Weg zwischen tränenfreier Begleitung und Schreimethoden entlang? Ich frage aus ehrlichem Interesse.
    Liebe Grüße, Momatka
    Wenn du es nicht öffentlich schreiben willst, dann vielleicht als Mail?

    1. buntraum

      Liebe Momatka,
      vielleicht werde ich das mal verbloggen hier. Damals hab ich es für meinen alten Blog aufgeschrieben. http://piklerexperience.blogspot.co.at/2012/12/go-f-to-sleep.html Es lief wirklich sehr gut und meiner Meinung nach sehr sanft für Herrn Klein. Wie gesagt – er hat geweint, aber er war damit nie allein. Und seitdem schläft er immer allein ein, meist ist er nach ein paar Minuten weg. Falls Du noch Fragen hast dazu – her damit!
      Liebe Grüße, nadine

  2. Verena

    Ich möchte Ihnen sagen, ich bin froh, dass Sie sich durchgerungen haben den Artikel zu schreiben.
    Ich habe selbst vor zwei Tagen auf Facebook meinem Frust sowohl über unsere persönliche Einschlafsituation mit unserem 4-Jährigen freien Lauf gelassen wie dem Frust dieser ‚Diskussion‘ gegenüber. Und Ihr Artikel hat mich in beidem so wunderbar bestätigt, genau das auf den Punkt gebracht, was meine Konklusion aus alle dem für mich war, dass es gestern Abend schon sooo viel besser wieder lief, dass ich wieder glücklicher bin. Und einfach froh, dass diese Betonung auf die eigene Expertin eben doch immer wieder zu finden ist und ganz besonders der letzte Abschnitt über das Vertrauen eben auch zum Kind schließt den Kreis für mich.
    Dankeschön also, dass Sie sich durchgerungen haben und gerade ihre Gedanken veröffentlicht haben.
    Herzliche Grüße und einen guten Tag wünsche ich Ihnen! ;)
    Verena

    1. buntraum

      Vielen Dank!!

  3. Moechtegernautorin

    Es passiert nicht oft, dass ich mich bemüßigt fühle, einen solchen Beitrag mit einem unter Müttern immer wieder zu Streitthema aufkommendem Thema zu kommentieren. Für gewöhnlich halte ich mich heraus. Aber dieses Mal tue ich es, denn: Diesem Artikel kann ich nur voll und ganz zustimmen.
    Ich bin wohl eine der Mütter, die niemals auf die Idee käme, auf einzelne Methoden zu pochen. Gibt es ein Problem recherchiere ich, suche Lösungsmöglichkeiten, Anregungen und Ideen, und finde einen Weg, der für meine Kinder passend ist, ohne ein schlechtes Gewissen dabei haben zu müssen.
    Jedes Kind ist so eigen, wie soll da eine Methode bei allen Kindern helfen können?
    Alleine zwischen meinen beiden Kindern sind, was die Schlafgewohnheiten angeht, riesige Unterschiede. Während mein Großer immer nur in seinem Bett geschlafen hat und wirklich nirgendwo anders, ist unsere Kleine sehr anhänglich in ihren Schlafgewohnheiten. Doch, als ich wieder anfing zu arbeiten, mussten Dinge geändert werden. So haben wir Töchterchen über die Zeit hinweg zuerst von meinem Schoß in mein Bett und zuletzt in ihr eigenes „verbannt“. Noch steht ihr Bett neben dem unseren, trotzdem gab es am Anfang Tränen, zwei, vielleicht drei Nächte lang, dann war es ok.
    Es stehen noch ein paar Schritte aus, bis sie ganz alleine in ihrem eigenen Zimmer schlafen könnte, aber es wird gehen. Ganz einfach weil ich weiß, was ich ihr zutrauen kann.

    In dem Sinne: Vielen Dank für den Artikel! :)

    Liebe Grüße,
    Möchtegern …

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