Am Freitag ging ich wie jeden Tag um 13Uhr in die Gemeinschaftsküche, um dort beim täglichen Mittagstisch zu essen. Für nur €3 ist das für mich die Gelegenheit nach einem Vormittag daheim mit Kind unter große Menschen zu kommen und vor allem nicht allein kochen zu müssen. Dafür koche ich alle 1-2 Wochen einmal für ca. 15 Leute. Ein guter Deal, finde ich.
Dieses Mal kam ich hinunter und fand dort neben bekannten Gesichtern aus dem Haus auch einige Gäste vor. Das ist nicht ungewöhnlich, jeder ist willkommen, so das denn mit den Kochenden abgesprochen ist. Doch innerhalb kürzester Zeit füllte sich die Küche und auf einmal befand ich mich umgeben von 20 Erwachsenen und einigen Kindern. Und spürte, wie ich immer kleiner wurde. Bis mir die erlösende Idee kam – nämlich so, wie es die Kränklichen im Haus oft machen – das Essen mit in die Wohnung zu nehmen. Erleichtert stand ich kurz darauf mit einem Teller Curry und einer Schüssel Salat im Lift nach oben in die Wohnung.
Diese schnellen Ausflüchte zu finden, ist nicht immer leicht. Und es war ein langer langer Lernprozess. Sie zu erkennen, sie anzunehmen und sie auch wirklich durchzusetzen. Denn viel zu oft halten wir uns an dem Fest, was andere über uns denken mögen. Oder was sich eben so gehört. Dabei verlassen wir unsere eigene Wohlfühlzone und sind längst nicht mehr wir selbst.
Doch gerade als Eltern ist es wichtig, dass wir das erkennen. Was uns gut tut, und was zu viel wird. Denn wir werden von unseren Kindern immer wieder aus unserer eigenen Wohlfühlzone herausgeholt. Sie stellen uns immer wieder vor Situationen, die uns eigentlich unbehaglich sind. Die wir im Leben ohne Kindern meiden würden. Bei mir sind das Spielplätze, Kindergeburtstage, die überfüllte Garderobe im Kindergarten zur Abholzeit, oder auch, dass Herr Klein dringend irgendwo ein WC braucht und ich mit Fremden kommunizieren muss. Ist einfach alles nicht meins.
Gleichzeit fehlen uns als Eltern so oft diese sozialen Kontakte, so dass wir sie meist unbedingt auskosten wollen, obwohl wir merken, dass uns Ruhe besser täte. Die vielen Bedürfnisse, die wir haben und die uns hier und da gut tun, brauchen einen guten Jongleur.
Als ich in Schottland lebte, war es besonders schwer für mich, diese Auswege zu erkennen und sie auch zu gehen. Nicht selten verließ ich, ohne jemandem Bescheid zu geben, irgendwann die Clubs und ging heim. Weil mir mein Bett, meine Ruhe und mein Zu Hause so viel attraktiver schienen. Dafür kassierte ich natürlich viele Sprüche und Fragen. Fühlte mich immer mehr als Freak. Immer wieder sagte ich Parties ab, sehr zum Unverständnis der schottischen Trinkkollegen. Immer blieb ein Stück des „Irgendwas stimmt mit mir nicht.“ zurück.
Ich bin froh, dass ich es heute gut schaffe, rechtzeitig zurück in meine Wohlfühlzone zu finden. Auch meinen Kindern bin ich das schuldig. Sie sollen lernen, dass es nicht darum geht, alles mitmachen zu müssen, überall dabei sein zu müssen. Auch wenn sie in einem Haus aufwachsen, in dem vieles gemeinsam getan wird, in dem viel Gemeinschaft gelebt wird. Gerade da ist es wichtig, sich zurückzuziehen und bei sich zu bleiben. Und nicht bei dem, was andere denken mögen. Alleinsein ist kein Zeichen von Einsamkeit. Vielmehr ist es das zwanghafte Vermeiden vom Alleinsein, das uns auf Dauer schadet.
Wie geht es Euch damit? Schafft Ihr den Ausgleich zwischen Familie, Partnerschaft, Freundschaften und Zeit für Euch selbst?
Liebe Nadine,
ich finde mich in deinem Beitrag so ganz und gar wieder!
Auch ich ziehe mich in Situationen, die mir unangenehm sind, gerne zurück; bei der Hochzeit meiner Tochter ging das soweit, dass ich um 22Uhr die Lokalität verließ und mich allein in das Hotelzimmer ins Bett legte – voller Schuldgefühle und bereits ahnend, was dieser „Affront“ wohl auslösen würde. Und trotzdem zog ich mich zurück, und zwar ohne jemandem Bescheid zu sagen… die Atmosphäre war für mich unerträglich geworden. Seit diesem Tag hat meine Tochter kein Wort mehr mit mir gesprochen (die Hochzeit war im August), mein Schwiegersohn auch nicht und mir wird vorgehalten, ich hätte den beiden „den schönsten Tag“ komplett verdorben… niemand versteht mein Verhalten des unerwarteten Rückzugs; an diesem Tag hätte ich mich anpassen müssen (der allgemeine Tenor). Ich habe meine Rolle nicht „richtig gespielt“, war authentisch und bin trotzdem nicht mit mir im Reinen, weil ich jetzt vor den Scherben stehe….
Danke für deinen Post!!
Liebe Nadine, deine Texte und vor allem die Inhalte Deiner Posts sprechen mich sehr an, und laden mich ein mich durch alle Beiträge zu lesen. Immer wieder finde ich Posts die mich nachdenken lassen, innehalten, überlegen, wie ist das bei mir. Herzlichen Dank für diesen tollen Input!
Bei dem Post oben ist mir aufgefallen, das Du dich wohl unwohl fühlst, wenn Du mir fremden kommunizieren sollst, z.B. Weil Herr Klein aufs Klo muß. Zuerst dachte ich: „Merkwürdig, Sie schreibt so toll und macht Beratung aber hat im Alltag Schwierigkeiten zu kommunizieren? Und dann hab ich überlegt und fest gestellt das es mir ähnlich geht. Ich bin Krankenschwester, und in meinem Beruf kann ich sehr gut auf Menschen und Ihre Bedürfnisse eingehen, auch mit meinen Kindern ist das kein Problem, aber im Umgang mit unbekannten oder unvertrauten Menschen tue ich mich schwer… Wie gehst Du damit um?
Ich freu mich schon auf vieles weiteres inspirierendes von Dir.
Liebe Grüße von Kati