Wenn wir vom Wohnprojekt erzählen, gibt es immer wieder Menschen, die sagen: Das ist mir zu viel Verpflichtung. Da muss ich zu viel tun, und dafür habe ich keine Zeit oder keine Lust. Nunja, ausschließlich Konsumenten, die nur von der Gemeinschaft profitieren, ohne selbst etwas beizusteuern, haben wir tatsächlich nicht so gern. Aber es geht gar nicht darum, dass jeder hier sein Pensum an Arbeit absolviert, sondern eher, dass jeder sich da einbringt, wo es ihm wichtig ist, ihm Freude bereitet. Dass das manchmal in Arbeit ausartet, ist dabei nicht ausgeschlossen.
Tatsächlich haben wir die Vorgabe, dass jeder im Monat 11h für die Gemeinschaft leistet. Aber es ist nicht vorgeschrieben, was das ist. Ich kann hier für andere Babysitten, ich kann im Sommer die vielen Grünanlagen gießen, ich kann mich in den diversen Arbeitsgruppen einbringen und das wiederum öffnet ein breites Spektrum an vielfältigen Tätigkeiten. Und dabei wird niemand zu etwas verdonnert. Auch wenn es sich vielleicht manchmal so anfühlt. Aber hey, setzt man sich nicht lieber selbst hin und bespricht die Gestaltung des Kinderspielraumes, als dass irgendeine externe Hausverwaltung hier Vorgaben gibt und sich sonst nicht kümmert, unnötigen „Sperrmüll“ abtransportiert und die Räume zu leeren, traurigen Höhlen verkommen? Genau. Und so kann ich mich in der Gruppe, die für die Sauna, die Bibliothek, die Küche, die Werkstatt oder sonstige Räumlichkeiten zuständig ist, einbringen. Ich kann aber auch trockenen Stoff mit erarbeiten, so wie ich in der AG Finanzen und Recht. Da hat man allerdings den Vorteil, dass man immer auf dem aktuellsten Stand der Zahlen und Fakten ist. Ohne dass man – auch so wie ich – viel Ahnung davon haben muss. Das ergibt die „Weisheit der Gruppe“. Auf die bauen wir übrigens schon sehr lange. Eigentlich, seitdem das Projekt entsteht ist.
Vor Weihnachten saß ich eines nachmittags und bestellte sämtliche Schalter-, Kasten- und Türbeschriftungen für das gesamte Haus. Das dauerte in Summe drei Stunden. Hat auch nicht sonderlich viel Spaß gemacht, gebe ich zu. Aber wenn die dann mal da sind (apropos, wo bleibt die Bestellung?) und aufgeklebt (was sicher auch nochmal drei Stunden dauert…) – dann sieht das schön aus. Und macht Freude, wann immer man durchs Haus geht. Bis man sich vielleicht dran gewöhnt hat. Aber eigentlich gewöhnt man sich in diesem Haus an fast nichts. Weil keine Zeit ist. Weil so vieles noch im Wandel ist. So vieles noch entsteht und so einiges sich auch immer wieder verändert. Weil immer irgendwo kleine fleißige Ameisen sitzen und diesen Haufen hier am Sein, Werden und Bestehen halten. Und keine von diesen Ameisen möchte tauschen. Nur manchmal Pause machen vielleicht. Das geht aber auch. Dafür gibt es die sogenannte Wohnprojekt Karenz. Die gilt nicht nur für frische Mütter, sondern für jede/n, die/der es braucht. Aus welchem Grund auch immer. Es mag ganz angenehm sein, sich für eine Weile zurückzuziehen, keine AG Treffen im Kalender tummeln zu haben. Aber dann gibt es so Momente, wo man denkt: „Mist, das würde ich gern wirklich mit entscheiden, da sollte ich mich einklinken.“ Macht ja nix. Kann man ja auch. Die Karenz ist ja kein Verbot. Und am Ende macht es auch genau so viel Freude, wieder zurückzukehren und im Bilde zu sein. Denn das fehlt auch, wenn man nicht „dran bleibt“. Dann weiß man wieder nicht mehr, was genau die Preise jetzt für die Gästezimmer sind, wie und wo man die bucht. Dann hat man den neuen Code für einen Schlüsseltresor nicht mitbekommen. Oder versäumt, wer jetzt eigentlich wofür und wie zuständig ist. Ist auch nicht so leicht zu überblicken, dieser Ameisenhaufen. Muss man aber auch nicht. Einfach rein und mitmachen. Irgendeine Arbeit fällt immer ab. Und wer rechtzeitig kommt, der sucht sich die, die am meisten Freude macht. Welche das ist? Tja, das sieht jede Ameise anders. Und wenn man doch mal nicht weiter weiß und eine Info nicht hat, dann gibt es ja genug nachbarschaftliche Ameisen, die aushelfen können.
In diesem Sinne gehe ich mal und schreibe eine ungeliebte email an alle mit einer neuen Info. Und hoffentlich lesen die auch alle Ameisen, sonst laufen wieder ein paar eine Weile in die falsche Richtung und machen anderen Ameisen noch mehr Arbeit. Wie draußen im Wald, also, unser Häuschen hier. Nur eben doch nicht.