Hausgeplauder I Wir reden im Kreis

IMG_3683Gestern war ich beim Elternabend in Herrn Kleins Kindergarten. Dort wurden wir in ein neues Ritual eingeführt, das sie gerade mit den Kindern begonnen haben: Den Redestein. Der liegt während des Morgenkreises in der Mitte in einer Schale und jedes Kind hat die Möglichkeit ihn zu nehmen und etwas zu sagen. Es kann immer nur ein Kind den Stein halten und wenn es ihn hat, dürfen die anderen nichts sagen, sondern schenken diesem Kind ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.

Das ist in vielerlei Hinsicht eine schöne Übung. Es lässt jedes Kind zu Wort kommen. Jedes Kind erlebt sich einmal vor einer Gruppe sprechend gehört. Und es wird auch die Geduld geübt. Geduld, zu warten, bis man dran ist. Bis der Stein frei ist und ich ihn habe. Für Kinder keine leichte Übung. Für uns Erwachsene erst recht nicht.

Bei uns im Haus gibt es statt dem Redestein einen Redestab, meistens ein Stück Holz, das als Redestab gilt. Jede Arbeitssitzung, egal ob AG Finanzen und Recht, UG Mobilität oder PG Mitgliedschaften, beginnt mit einer sogenannten Ankommensrunde. Dabei hat jede/r die Möglichkeit zu sagen, wie er oder sie gerade angekommen ist. Wie geht es mir jetzt im Moment, zur Zeit oder auch in dieser Gruppe? Bin ich gestresst, weil ich mich auf dem Weg zur Sitzung im 3. Stock verquatscht habe ? Bin ich genervt, weil ich schon wieder kränklich bin? Schreckt mich die Agenda, die es heute zu besprechen gilt? Oder bin ich einfach nur zufrieden und glücklich und freue mich auf ein produktives Treffen? Niemand wird in dem, was er oder sie sagt, unterbrochen oder kommentiert. Es geht nur darum mit Worten anzukommen. In dem Raum, in der Runde. Und nach dieser Runde ist meist eines deutlich spürbar: Alle sind angekommen. Alles sind auch gedanklich im Raum und beim Thema und mit dieser gebündelten Aufmerksamkeit kann die Gruppe viel besser beginnen.

Aber auch während der Treffen arbeiten wir in Runden. Meist Meinungsrunden. Wenn es zu einem Thema offensichtlich mehrere verschiedene Meinungen gibt, werden die in Runden angehört. Dabei spricht immer nur die Person mit dem Redestab. Alle anderen müssen abwarten, bis sie in der Runde dran sind. Das ist nicht immer leicht. Ich höre eine Meinung und will sofort beginnen zu argumentieren. Warum ich das jetzt aber ganz anders sehe. Oder ganz genau so! Stattdessen muss ich also warten. Das Gute? Ich kann meine Emotionen zur Ruhe kommen lassen und mir meine Worte zurechtlegen. Ich höre vielleicht unterwegs noch drei andere Meinungen und Argumente, die meine vielleicht beeinflussen, bestätigen oder evtl. ganz und gar kippen. Dabei fällt das hektische Hin- und Herdiskutieren aus. Es fliegen keine Emotionen einfach so durch den Raum. Außerdem wird jede/r gehört. Denn wenn ich automatisch an der Reihe bin, sage ich vielleicht auch etwas. Wenn nur quer durch den Raum diskutiert wird, komme ich evtl. nie zu Wort oder bemühe mich auch nicht darum. Obwohl meine Gedanken hilfreich sein könnten.

Es gibt Themen, die brauchen zwei oder drei Meinungsrunden. Es gibt Themen, die brauchen keine. Denn nein – nicht jede angeschaffte Schraube bedarf bei uns einer Meinungsrunde. Und was wo in welcher Gruppe diskutiert wird, das ist eine andere Geschichte.

Und nein, wenn wir uns im Stiegenhaus begegnen, dann reden wir ganz normal miteinander. Ohne Stock und Hut. Einfach so. Hin und her. Aber das Ausreden lassen. Das haben wir schon ein bisschen gelernt. Denn das ist ja manchmal auch im Zweiergespräch nicht einfach.

Herr Klein übt nun also im Kindergarten das Reden in Gruppen mit dem Redestein. Das Bedürfnis danach, dass wir Menschen uns nicht ins Wort fallen, sondern geduldig miteinander reden, scheint recht groß zu sein. Auch ich bin froh über diese Art und Weise in Gruppen zu kommunizieren, weil ich mich früher aus Diskussionen schnell rausgenommen habe, weil ich beim Abwarten, bis jemand ausgesprochen hat, meist gar nie zu Wort gekommen bin. Denn nicht alle warten. Und so bin ich froh über den Redestab. Oder den Redebleistift oder eine Redemandarine. Wir sind ja flexibel. Manchmal stelle ich mir das auch am Esstisch zu Hause sehr praktikabel vor. Jetzt, wo beide Kinder schon recht viel reden. Vielleicht könnte man auch eine Redekarotte oder ein Stück Redebrot einführen, von dem man dann auch immer ein Stück abbeißt, wenn man gesprochen hat. So vergißt man nicht aufs Essen beim Reden. Und das alte Gemüse und Brot kommen auch gleich weg. Wie praktisch.

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und in den nächsten Wochen immer wieder. Schaut wieder rein! Falls Euch spezielle Themen interessieren, meldet Euch einfach in den Kommentaren. Es gibt so vieles, worüber ich schreiben könnte. Aber wer weiß, was Euch wirklich interessiert?

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Desiree Tietz

    Super ich glaube so eine Rede Runde mit Stein oder Stab werde ich hier vorm Abendessen einführen so kommen alle etwas zur Ruhe nach einem anstrengenden Tag und man kann den Tag Revue passieren lassen😊. Danke für die Anregung.
    Liebe Grüße
    Desiree

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