Unlängst wurde ich gefragt, wie ich es schaffe, zwei Kindern gerecht zu werden. Ich glaube diese Frage stellt sich jede/r einmal, wenn es um das Thema zweite Kinder geht. Oder wenn man auf dem Zahnfleisch kriecht mit nur einem Kind und sich wundert, wie andere das mit mehreren Kindern schaffen. Meine erste Gegenfrage im Kopf war eigentlich: Werde ich meinen zwei Kindern überhaupt gerecht?
Da sprach mal wieder die zweifelliebende Mutter aus mir. Bin ich genug? Werde ich meinen Kindern gerecht? Gebe ich alles, was ich zu geben habe? Und meine schnell überdachte Antwort war: Ja. Denn meinen Kindern geht es gut. Bis auf ein paar entwicklungs- und altersbedingte Stolpersteine hier und da gibt es keine gröberen Probleme. Und meine Beziehung? Denn das bedeutet doch ein Gerechtwerden, oder? Bin ich mit meinen Kindern in Beziehung? Und wie sieht die aus?
Frau Klein ist noch sehr körperlich gebunden. Sie braucht mich viel bei sich, will viel kuscheln und in meiner Nähe sein. Das lasse ich zu, indem ich sie noch immer stille und nachts zu ihr krieche, wenn sie mich braucht. Dafür kann sie tagsüber auch gut davonziehen, ihrem Bruder nacheilen und die Welt entdecken. Sie bleibt auch problemlos bei dem Liepsten oder allein bei fremden Personen, wenn sie sich bei denen wohlfühlt. Für mich ist das ein Zeichen, dass wir eine gute, ausgewogene Beziehung haben. Sie braucht mich, aber sie vertraut darauf, dass ich zu ihr zurückkehre und für sie da bin, wenn ich mal weg muss.
Herr Klein war körperlich schon immer eher etwas distanzierter. Dennoch will er gern von mir getragen werden, wenn wir allein unterwegs sind. Er sitzt gern auf meinem Schoß in den Straßenbahnen und hat es gern, wenn ich mich abends noch etwas zu ihm lege, bevor er schläft. Er erzählt mir gern über seine gemalten Bilder und die Erlebnisse seiner Dinosaurier und Flugzeuge in seiner Fantasie. Seit neuestem Toben wir gern gemeinsam auf dem Sofa herum, was er offensichtlich sehr genießt. Dabei genießt er mehr die wilde Nähe, das Gerangel und Gekugel, statt wirklicher Zärtlichkeit. Ich akzeptiere das.
Wie kam es dahin, dass ich zufrieden glaube, dass ich zu meinen Kindern eine gute Beziehung habe? Dass ich das Gefühl habe, beiden gerecht zu werden?
Nun, der Anfang war holprig. Sehr holprig. Aber er hat mir viele wesentliche Erkenntnisse gebracht, auf die ich heute noch zurück greife.
Erst Du, dann Du.
Wenn ich mit einem Kind beschäftigt bin, sei es beim Essen, beim Wickeln oder im Spiel, dann muss das andere warten. Es sei denn es brennt der Hut, so bin ich klar in der Aussage, dass ich jetzt hier bin. Und zwar so lange, wie es dauert. Wenn ich „frei“ bin und beide Kinder etwas von mir wollen, so schaue ich, was dringender ist, wer zuerst was will und vor allem auf die Gesamtsituation. Müdigkeit und Hunger spielen immer eine übergeordnete Rolle und um Wutausbrüche zu meiden, gehe ich auch gern mal gegen die Reihenfolge vor.
Wenn zwei sich streiten…
… verziehe ich mich. Wenn beide Kinder unbedingt zu mir wollen, beide meinen Schoß belagern wollen und dabei um mich streiten, stehe ich auf und gehe. Das ist meine Grenze. Das wird mir körperlich zu viel Gerangel um mich und vor allem auf mir. Das ertrage ich nicht und dann verlasse ich kurz den Raum. Prinzipiell habe ich gern beide bei mir und betone auch gern, dass ich für beide Platz bei mir habe. Auf dem Schoß, in meinen Armen und vor allem im Herzen.
Kein schlechtes Gewissen
Anfangs hatte ich natürlich immer wieder ein schlechtes Gewissen. Wenn ich Herrn Klein sitzen lassen musste, weil Frau Klein schon wieder stillen wollte. Oder weil Frau Klein den ganzen Heimweg vom Kindergarten im Kinderwagen saß, während ich mit Herrn Klein am Schoß erzählte oder die Zweisamkeit genießend gemeinsam schwieg. Doch bald habe ich bemerkt, dass ich es bin, die ein schlechtes Gewissen hat, ohne dass die Kinder dafür ernsthaft Gründe lieferten. Herr Klein hatte sich bald daran gewöhnt, dass ich Frau Klein stillte, wenn sie das einforderte. Und Frau Klein hat sich eigentlich nie darüber beschwert im Kinderwagen zu sitzen. Sie fand die Aussicht schon immer aufregend. Und hinzu hatte ich den Tag sowieso gut geteilt. Frau Klein bekam mich vormittags für sich, dafür konnte sie am Nachmittag mal zurückstecken und ich konnte mich auf Herrn Klein konzentrieren. Und eigentlich ist das immer noch so.
Das schlechte Gewissen kommt ja immer aus uns selbst heraus. Und wenn uns andere Gründe dafür liefern, dann kann ich immer noch reflektieren, ob ich nun deshalb an der Situation etwas ändern kann und was genau es dafür braucht. Oder ich kann eben versuchen anzunehmen, dass es jetzt so ist, wie es ist. Dass ich jetzt nichts ändern kann und Punkt. Und das wiederum bringt mich zum nächsten Punkt.
weniger Erwartungen
Ich wollte recht bald wieder recht viel. Ich wollte wieder mit Herrn Klein rumtoben, weil mir das während der Schwangerschaft so fehlte. Ich wollte wieder Zeit für ihn haben. Exklusiv. Und ich wollte das alles sofort und auf einmal. Aber das ging nicht. Frau Klein brauchte mich noch viel, sie konnte mit dem Stillen noch nicht warten damals. Und sie stillte unregelmässig, weshalb ich nicht so frei war. Es hat mich unrund gemacht. Ich wollte und wollte und konnte nicht. Bis ich akzeptierte, dass Herr Klein auch noch etwas warten kann, dass unsere Beziehung nicht eingeht, wenn ich noch etwas darauf achte, mich nicht zu zerreißen und dann voll da zu sein, wenn es soweit ist. Oft war ich neidisch auf den Liepsten, der so viel tolle Zeit mit Herrn Klein verbringen konnte. Und heute weiß ich – es kommt ja wieder und das früh genug. Wenn wir Geduld haben und warten, bis die Umstände es wieder zulassen.
Auszeit
Aber um zwei Kindern gerecht zu werden, ist vor allem eines wichtig: dass ich mir selbst gerecht werde. Dass ich meine eigenen Ansprüche so stelle, dass sie realistisch bleiben und ich dennoch nicht ganz auf der Strecke bleibe. Dazu gehören eben auch kleine Auszeiten. Anfang ist das vielleicht einfach nur ein ausgiebiges Bad, eine lange Dusche. Mittlerweile heißt das auch mal wieder abends das Haus verlassen, dem Liepsten die Kinder zu überlassen oder Sonntags für zwei Stunden zu verschwinden. Genauso bedeutet es, dass ich mal den Haushalt Haushalt sein lasse und nein – nicht für die Kinder, sondern um zu sitzen und zu stricken, zu schreiben oder Löcher in die Luft zu starren. Das darf nur nicht so weit gehen, dass am Ende alles über einen hereinbricht. Dann hat man statt Ruhe und Entspannung den Supergau gewonnen.
Das klingt nun so, als wäre alles ganz wunderbar und harmonisch. Natürlich ist es das nicht. Wie gesagt haben wir am Anfang sehr gekämpft. Alle. Und auch heute noch gibt es solche Tage und solche. Es gibt die Momente, an denen ich davonlaufen möchte. Wo mir alles zu viel wird und ich deutlich meine Grenzen spüre. Aber das gehört wohl dazu. Kinder entwickeln sich. Sie bewegen sich ständig in Veränderung. Und auch wir verändern uns mit ihnen. Bewusst und unbewusst. Es gibt immer etwas zu schrauben und zu drehen, um Ruhe und Ordnung herzustellen. Oder zumindest das Gefühl eines ganz normalen Alltagswahnsinns einer Familie mit 2 Kindern.
Wie schafft Ihr es zwei oder sogar mehr Kindern gerecht zu werden?
Ich finde es bisweilen sehr, sehr schwierig… am Anfang war es extrem da mich die Kleine fast rund um die Uhr brauchte und der Grosse sehr stark reagierte. Während die Kleine auch heute noch mit Nähe/Stillen/Tragen zufrieden ist und dann auch ihren eigenen Weg gehen kann wenn sie gesättigt ist, braucht der Grosse etwas, das er weniger offensichtlich zeigt und das nicht immer einfach zu geben ist: Aufmerksamkeit, Zeit… wie einfach wäre es doch wenn auch er sich seine Portion Nähe einfordern/holen würde und dann ist’s gut. Nein, er braucht mehr aber er sagt nie konkret, was er gerade braucht. Wenn beide um mich streiten und ich stehe auf, dann weint die Kleine und der Grosse reagiert mit Gewalt gegen sie. Ich KANN also nicht einfach weg da der Grosse nach wie vor Gewalt als erstes Mittel seiner Wahl anwendet wenn die Kleine nicht so „tut“ wie es ihm passt…
Hallo Nadine!
Dein Artikel gefällt mir gut und ich finde mich darin wieder! Besonders die Auszeit ist super wichtig.
Tatsächlich finde ich 2 Kinder einfacher als eines. Die beschäftigen sich miteinander (2 und 5 Jahre alt), das ist so toll!
Beim ersten Kind war ich viel gestresster und hatte das Gefühl, viel mehr tun zu müssen. Zwei sind einfach besser!
Liebe Grüße, Katharina
Anfangs hat es mich fast zerrissen. Mit dem Großen konnte ich nicht mehr wie vorher (und wir hatten ein wirklich intensives Verhältnis zueinander) und mit der Kleinen konnte ich nicht so, wie mit dem Großen damals. Irgendwann hab ich dann gemerkt, es muss ja auch gar nicht so sein. Dem Großen tut die Veränderung auch gut und die Kleine braucht nicht genau dasselbe wie ihr Bruder damals. Das nahm den ersten großen Druck weg!
Ich kämpfe aber nach wie vor mit der Zeiteinteilung. Beide wollen ständig mich – an, um, bei ihnen, spielend, lesend, kuschelnd. Mit dem Großen kann ich nicht mehr so intensiv spielen, weil die kleine Schwester nicht schläft und immer wieder unterbricht. Und die Kleine darf nie so dahinleben, von einem Spannenden zum nächsten, weil der große Bruder schon weiterzischt und wir hinten nach müssen.
Und dann fehlt mir auch oft die Luft, der Freiraum, weil beide so auf mir picken und ich kaum ein paar Schritte machen kann, geschweige denn etwas erledigen, ohne gerufen oder gleich belagert zu werden.
Es ist ein Krux. Manchmal klappts besser, manchmal weniger. Manchmal kann ichs gut annehmen, wie es ist, dann wieder gar nicht. Und oft lieg ich nachts noch wach und grüble nach, wie der nächste Tag für uns alle besser gestaltet werden kann…
Wieder einmal danke ich dir sehr für diese Worte.
Grad noch alles ganz frisch mit zwei Kindern, finde ich mich vor allem in dem Absatz „weniger Erwartungen“ vor. Mir fehlt meine Große, da der Mann sich nun erstmal hauptsächlich um sie kümmert während ich das Baby versorge. Da beruhigt es mich sehr zu hören, dass das alles wiederkommt.
Danke für den Beitrag, ich nehme ihn gerne als Inspiration für einen eigenen Text (der noch zu schreiben ist) wie das mit vier Kindern so ist.
LG, Micha
Ich stehe da noch am Anfang als Zweifachmama. Umso spannender fand ich deinen Bericht. Denn ich kenne Paralellen trotz das meine erst 2 1/4 Jahre und 5 Monate alt sind.
Wenn beide schreien muss ich schnell abwegen wer mich gerade dringender braucht. Das tut mir schon oft weh und macht mir ein kleines schlechtes Gewissen. Aber auch das warten können müssen die beiden lernen.
Und ich muss mich in Geduld üben.
Danke für den tollen Artikel.
Liebe Grüße
Anja von der Kellerbande(.wordpress.com)
Das war wieder sehr interessant zu lesen. Danke für die vielen kleinen reminder, die im Text versteckt waren. Erst du, dann du. Im Moment sein. Es ist jeden Tag ein Jonglierakt. Am herausforderndsten finde ich den täglichen Spagat zwischen 10 Jahren Altersunterschied. 12-6-2. Da ist das volle Spektrum von Windelwechsel-Forschungsdrang-Zahnwechsel-Pupertäts-Hormoncocktail dabei. Und dann sich selbst nicht aus den Augen verlieren. Ich finde das echt nicht einfach. der große Altersunterschied hat auch Vorteile, aber manchmal fände ich es schön, wenn Dinge etwas synchroner sein könnten.
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Hallo,
zwei Kinder sind wunderbar, wenn auch bisweilen nervenaufreibend bei Wutausbrüchen und Streitereien. Aber auch bei uns als Eltern läuft ja nicht jeder Tag rund. Ich würde sagen, es kommt auf unsere Verfassung an, daher sind Auszeiten sehr wichtig, damit kämpfe ich als Mutter auch noch. Manche Tage kann man sich köstlich amüsieren über unsere süßen Kleinen, 2 und 4 Jahre, und an manchen Tagen könnte ich auch schreiend davonlaufen, aber ich möchte sie nie missen. Das hört sich paradox an, aber frag dich immer, wie war dein Tag und wenn dein Tag nicht gut war, weißt du, dass du an dir arbeiten musst. Umso besser kannst du deine kinder genießen und steuern. Und jede Erfahrung hat seinen Sinn und man lernt mit den Kindern…
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