Ich hatte ganz vergessen den Wecker zu stellen, aber mein verlässlicher Körper weckt mich um 5.45Uhr auf und schickt mich Duschen. Erste Hürde genommen – das Aufstehen. Früher war das eine Qual, ich habe es bis zur letzten Minute rausgezögert. Heute wache ich auf, schenke mir noch 5-10Minuten im Bett und stehe dann auf.
Im Bad mal wieder Dusche mit Musik. Das habe ich neu für mich entdeckt, ein bisschen aufwachen, bisschen tanzen und der Tag kann starten. Gut, wieder etwas Energie in den Knochen zu spüren. Die kalte Dusche lasse ich noch aus, Lunge und Hals wollen sich noch erholen. Das sollen sie auch.
Angezogen stehe ich in der Küche und befülle den Kindern ihre Jausenboxen. Erstaunlich, wie sehr ich mich an den österreichischen Begriff „Jause“ gewöhnt habe, den ich anfangs so befremdlich fand. Brotbüchsen waren das bei uns früher, das klingt mittlerweile auch sehr fremd. Ich mag das Broteschmieren jedenfalls nicht. Und wenn ich dann die Jausenboxen verschließe, habe ich das Gefühl etwas geschafft zu haben. Hürde zwei genommen. Nebenbei stelle ich den Frühstücksbrei auf, den die Kinder so gern essen. Und für mich endlich den ersehnten Kaffee. Dann nehme ich Hürde drei und wecke die Kinder. Schlafende Kinder haben für mich etwas so Beruhigendes und Friedliches, ich mag es überhaupt nicht, sie aufwecken zu müssen. Beim großen Le ist das zum Glück kein großes Thema. Wenn er sieht, dass ich wach bin, springt auch er aus dem Bett. Aber die beiden anderen sind Bettkuschler wie ich. Wälzen sich noch hin und her und werden gern von mir aus dem Bett direkt aufs Sofa getragen, wo sie unter Wolldecken gemütlich aufwachen. Da ich eben keine Freundin des frühen Aufstehens bin, gönne ich ihnen dieses langsame Erwachen. Ich könnte sie auch eine Viertelstunde später wecken aber dann müsste ich sie direkt in den Antriebsmodus schicken und das mag ich nicht.
Also sitzen wir alle in Küche und Wohnzimmer herum. Der kleine Li und der große Le sitzen am Küchentisch und löffeln ihren Brei. Frau Mo liegt noch immer unter der Wolldecke am Sofa, sie frühstückt nicht gern, genau wie ich. Mit einer Kaffeetasse bewaffnet setze ich mich neben sie und bin froh, die ersten drei Hürden des Tages geschafft zu haben. Der Rest rollt dann meist von ganz allein.
Dann erzählen wir uns Witze. Frau Mo fängt damit an. Ihr Witz ist viel zu lang und verrät schon am Anfang jegliche Pointe. Meinen Witz muss ich dreimal erklären, weil er noch zu erwachsen ist. Und der große Le vergisst mitten im Erzählen die Hälfte von seinem Witz. Aber all das ist egal. Wir sitzen hier gemütlich beisammen und haben es fein. Ich nehme noch einen Schluck Kaffee und denke mir: Wir haben es doch wirklich gut. Es sind diese Momente, die ich einrahmen möchte und aufheben. Aber die Situationsfotografie ist noch nicht erfunden. Vielleicht heißt sie auch einfach: JETZT! Dieses im Moment sein, das uns so oft so schwer fällt. Das sind Augenblicke, in denen es mir gelingt. Ich sauge auf, ich inhaliere und bin zutiefst dankbar.
Möglich ist das alles auch hauptsächlich deshalb, weil ich morgens keinen Laptop aufklappe und am Handy nur das Wetter checke. Emails und Arbeit haben nichts zu melden, bis alle aus dem Haus sind. Das hilft mir alles, ganz bei den Kindern zu sein. Und das tut uns allen gut.
Noch ein Schluck Kaffee, dann gebe ich mir einen Schubs für Hürde vier. Die Kinder müssen ja doch aus dem Haus. Frau Mo schiebt die Wolldecke beiseite und geht sich umziehen, der große Le packt seinen Rucksack fertig und der kleine Li läuft vor mir davon, weil er nicht umgezogen werden will. Aber den schnapp ich mir. Und den restlichen Tag auch.