Dieser Tag

Die letzten Jahre haben wir immer wieder damit verbracht den Herzfehler und die HerzOP dazu mit Herrn Klein weitestgehend zu be- und verarbeiten. Wir haben geredet und professionelle Unterstützung aufgesucht. Wir haben ihm ein Herzbuch gestaltet und seine Geschichte in Bildern festgehalten. Und irgendwann haben wir gemerkt, dass es genug ist. Dass er all das auf seine Art verarbeitet und es Zeit ist alles etwas ruhen zu lassen.

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So war ich mir nicht ganz sicher, ob es gut ist, dass wir diesen heutigen Tag, seinen Herztag, irgendwie erwähnen sollten. Einen Kuchen backen, so wie jedes Jahr. Doch als ich gestern am Heimweg war und darüber nachdachte, stellte ich fest – ich muss noch einkaufen. Für seinen Lieblingskuchen. Für seinen Herztag. Weil ich es wollte. Weil ich es brauche.

Denn dieser Tag wird nie mehr ein ganz normaler sein. Er hat nicht nur die Geschichte Herrn Kleins verändert, sondern auch unsere. Wenn ich darüber rede, spüre ich noch immer einen Kloß im Hals. Der ist da, er ist geschrumpft, aber spürbar. Ich fühle dieses große Aufatmen darüber, was wir gemeinsam geschafft haben und gleichzeitig die unfassbare Schwere dieser Tage damals. Und ich merke, dass ich diesen Tag in seiner Besonderheit mehr brauche, als Herr Klein selbst. Er freut sich über den Kuchen am Morgen und geht weiter seinen Weg. Ich hänge in der Erinnerung fest, betrachte das Herbstlaub, das damals so golden am Boden lag, während ich ängstlich und nervös mit meinen Füßen darin scharrte.

Ich atme die Luft, die mir damals zu knapp erschien. Nehme einen tiefen Zug und fülle damit meine Brust, die sich stolz hebt. Geschafft. Das haben wir geschafft. Wir zwei erwachsenen Menschen, die sich nie so recht erwachsen fühlen. Wir zwei jungen Dinger, die sich einst auf einer Party im Rotweingewand begegnet sind und auf den gemeinsamen Weg abgebogen sind. Die nie so richtig ernst sein wollen, lieber albern und kichernd. Die keinen Nagel gerade in die Wand schlagen können, die Tickets für gestern statt morgen buchen und die leere Käsepackungen zurück in den Kühlschrank stellen. Wir sind die zwei, die sich jahrelang lachend über ihre Stehlampe streiten und sie dennoch behalten können, die huch aus Versehen drei Kinder bekommen und vor Verzückung über diese abends einfach lächeln müssen. Wir zwei haben unser Kind durch diese Geschichte begleitet und tragen sie nun mit uns herum. Sein geflicktes Herz in unseren. Fest verankert.

Und ja, ich bin stolz. Denn wenn dieser Wahnsinn irgendetwas mit uns getan hat, dann hat er uns noch mehr zusammen gestrickt. Noch enger. Noch fester. Noch gemeinsamer. Und ich bin dankbar, froh und stolz. Denn es hätte auch anders kommen können. Es hätte uns auch auseinander brechen können, uns verstummen lassen können. Aber wir haben immer gespürt, wann es Zeit war zu reden und auch nach der OP, als es an der Zeit war, das Thema eine Weile ruhen zu lassen.

Heute ist diese Geschichte Teil unserer Geschichte. Als Paar. Als Eltern. Als Familie. Und das wird sie immer sein. Und so wird dieser Tag nie einfach so dahingehen. Vielleicht werden wir den Kuchen eines Tages allein essen müssen, weil Herr Klein irgendwo sein Leben lebt, aber nicht mehr hier im Haus. Dann werden wir trotzdem dankbar sein und uns an all das erinnern, was wir da geschafft haben.

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