Frau Brüllen fragt jeden 5. des Monats: Was machst Du eigentlich den ganzen Tag? Die Frage ist ja wie für mich geschaffen, weil ich ja auch so getrieben bin, als würde jede Minute, in der ich mal ausruhe, jemand rufen: He, was machst Du eigentlich den ganzen Tag?
Heute stehe ich um 6.20Uhr auf, weil ich mit den Kindern allein bin. Das heißt ich muss die Morgenschicht hier allein schupfen, was nicht so meins ist weil ich morgens eher einem Monster gleiche. Dazu kommt, dass heute die Putzfrau, die alle zwei Wochen mal grundreinigt, angekündigt war. Dafür muss die Wohnung immer pipifein aufgeräumt sein, damit die hier ordentlich in Ruhe saugen und fegen und wischen und überhaupt besagte Grundreinigung reinbringen kann. Aber irgendwie habe ich an solchen Morgenden so einen Stress in mir, dass wir pünktlich fertig sind und die Kinder wie sonst um 8 in Schule und Kindergarten sind. Zurück daheim überlasse ich die Putzfrau ihrem Schicksal und verziehe mich zu einem Gespräch mit einer Nachbarin in den Salon am Park unten im Haus.
Weil ich nämlich neulich mal wieder total gestresst und genervt auf eine Frage von ihr reagiert habe. Da hat sie gefragt, ob wir mal reden können und das ist das schöne an so einem Haus. Da sind Menschen, die so etwas spüren und fragen: Hey, kann ich helfen? Brauchst Du was? Klar kann das zuweilen anstrengend sein und man möchte rufen: „Ich will nur meine Ruhe!“, aber mittlerweile weiß ich, dass es wirklich gut gemeint und besorgt ist. Und ich weiß die Hilfe wirklich zu schätzen und bin dankbar. Wir haben dann gut geredet, auch über die Kinder im Haus, weil die eine so ganz eigene Dynamik haben, was den Familienalltag ziemlich fordert. Aber das ist eine andere Geschichte.
Um 11.20Uhr hatte ich Therapietermin. Ein guter heute, ein wichtiger. Es ging um das Thema Erfolge. Weil ich nämlich da einen netten inneren Kritiker auf der Schulter hocken habe, der immer, wenn ich etwas gut meistere, sagt: „Jaja, schön und gut, aber andere schaffen das auch.“ Gern auch mit dem pieksenden Nachsatz: „Vielleicht sogar besser.“ Damit kann man sich herrlich seine eigenen Erfolge mies reden. Ich hab das scheinbar jahrelang geübt. Schön blöd.
Am Heimweg kaufte ich kiloweise Obst, das ich daheim klein schnippelte und dann in den Kindergarten karrte. Dort war nämlich heute das alljährliche Sommerfest. So Events sind mir ja ein Graus. Viele Menschen, viele Kinder, viel Trubel und ich bei Hitze mittendrin. Das heutige war dann auch noch besonders aufregend, weil Frau Klein offiziell verabschiedet wurde als Vorschulkind. Und bei so etwas bin ich ja hoffnungslos emotional. Das ist dann besonders angenehm, wenn man sich sowieso schon unwohl fühlt in seiner Haut. Ein Hoch auf die Sonnenbrille und viele Taschentücher!
Aber ich habe auch mal wieder nette Eltern kennengelernt. Welche, die auch eher am Rand stehen und das Treiben beobachten. Unaufgeregt, aber mit einer Portion lächelndem Humor. Welche, die auch sagen: „Halleluja, ist das Leben manchmal anstrengend.“ Das tat gut und es sind mögliche Badewetterkontakte für einen langen Sommer, der vor uns liegt.
Pünktlich um fünf ist das Sommerfest aus, die Kinder auch ziemlich hinüber und wir fahren mit dem Lastenrad heim. Ich muss dabei Miniklein immer wieder in die Seite pieksen, damit er auf der 5min langen Fahrt nicht einschläft. Findet er nicht lustig. Ich find aber spätnachmittagschläfrige Kinder nicht lustig.
Daheim prügeln sich die Kinder um ein paar Obstreste. Die Beerensaison sorgt irgendwie immer für Geschrei, womöglich weil es die eben nur saisonal gibt bei uns. Atmen, viel atmen.
Nach und nach bringe ich hier die Kinder ins Bett. Morgen- und Abendprogramm allein zu schupfen ist immer wieder eine Herausforderung. Aber ich werde besser darin. Herr Klein schreibt noch zwei Seiten an „seinem Buch“. Er tippt das nun sogar direkt im Computer und malt die Bilder dazu auf Papier. Es ist faszinierend ihm dabei zuzusehen und seine Begeisterung zu spüren. „Mama, wieviel kostet so ein Buch?“ und „Mami, ich hoffe viele Leute kaufen mein Buch.“ Da möchte ich bissl eingehen vor Freude und Stolz.
Nun schlafen alle und jetzt gönne ich mir ein Glas Wein. Einfach so. Weil auf meiner Liste unglaublich viele Erfolge stehen. Weil ich da heute wieder einen langen Tag gut rumgebracht habe. Und weil ich groß bin und das darf.
Liebe Nadine, ich staune, was du alles machst und schaffst – und was andere (ich) davon haben können… Schön zu lesen, da kann dein kleiner schultergucker mal die Klappe halten ;-)
Ciao, Hilke
Danke, liebe Hilke! und bis bald!