Heute war ich mit Frau Klein in der Bücherei. Ich suchte zwei Bücher und sie wollte nicht in den Kindergarten, also nahm ich sie dorthin mit. Wir gingen hinein und sie lief sofort in die Kinderbücherecke. Ich sagte noch „Ich suche kurz mein Buch, dann komme ich wieder.“ und verschwand.
Es war sehr ruhig in der Bücherei, das ist es ja meistens. Aber heute war auch kaum jemand da. Ich fand mein Buch nicht, dachte mir aber, ich versuche es vorn in der anderen Ecke nochmal. Da warf ich einen Blick in die Kinderbuchecke und da saß Frau Klein, schluchzend, in Tränen aufgelöst.
Ich lief zu ihr und tröstete sie, sie klammerte sich an mich und ließ mich nicht mehr los, bis ich mein Buch gefunden hatte und wir draußen waren. Sie hatte mich nicht mehr gesehen und gehört und sich verdammt erschreckt.
Da merkte ich, wie sehr ich sie oft überschätze. Sie ist so groß geworden, sie redet so viel und ist hier im Haus schon sehr viel selbständig unterwegs. Aber da draußen in der Welt, da merke ich dann plötzlich wie klein sie noch ist. Wie sehr sie mich noch braucht ganz nah an ihrer Seite. Und so habe ich sie noch eine Weile länger festgehalten und umarmt.
Vor zwei Wochen holte ich Herrn Klein von der Schule ab. Miniklein und Frau Klein schliefen im Fahrradanhänger, also sagte ich per Whatsapp der Nachmittagsbetreuerin sie könne Herrn Klein runterschicken, wenn er fertig ist. Sie schickte ihn einfach nur runter, ohne zu sagen, dass ich unten warte. Er glaubte, ich sei nicht da und sie schicke ihn nach Hause. In Tränen aufgelöst kam er aus dem Schulhaus, in dem Glauben, er müsse jetzt allein nach Hause gehen.
Das sind die Momente, in denen ich wieder etwas zurechtgerückt bekomme, wo meine Kinder wirklich stehen. Weil sie als „die zwei Großen“ hier viel zu oft überschätzt werden. Weil sie oft so groß und schon wissend wirken, dass ich ihnen zu viel abverlange.
Es sind die Momente, in denen ich merke, wie wichtig es ist immer wieder zu hinterfragen wo sie gerade stehen. Das ist genau das, was hier so viel untergeht, weil Miniklein viel deutlicher und lauter auf seine Bedürfnisse beharrt.
Drei Kinder unter einen Hut zu bekommen ist nicht einfach. Was mir dabei immer wieder hilft ist:
Beobachten und Wahrnehmen.
Es gibt viele kleine Situationen im Alltag, in denen Kinder uns ganz indirekt zeigen, was sie gerade brauchen, ohne es direkt mitzuteilen. Wenn Frau Klein vermehrt auf Miniklein losgeht. Wenn Herr Klein am Frühstückstisch wütet. Wenn die imaginären Freunde vermehrt auftauchen. Wenn ein falsches Paar Socken für große Kullertränen sorgt. Wichtig ist, hier nicht die Nerven zu verlieren und ruhig zu bleiben. Ist nicht immer leicht, ich bewundere oft den Liepsten, der das besser schafft als ich. Aber es wirkt Wunder.
Den kleinen Momente ganze Aufmerksamkeit schenken.
Miniklein lässt mich oft nicht weg, nicht los. Schon morgens streckt er mir laut seine kleinen Ärmchen entgegen noch bevor ich die anderen beiden begrüßen kann. Am Abend balanciere ich Abendessen und sein müdes Dasein durch den Raum. Umso mehr genieße ich Momente, die ich mit einem Kind allein habe. Wenn Miniklein schläft, während ich Frau Klein abhole. Wenn ich Frau Klein in den Kindergarten bringe, während der Liepste bei Miniklein bleibt. Wenn Herr Klein mir stolz aus Büchern oder seinem Lesebuch vorliest. Mit ihm seinen Geburtstag planen. Mit Frau Klein am Esstisch sitzen, wenn alle anderen schon längst fertig sind – weil sie eeewig braucht, dabei aber die lustigsten Dinge erzählt.
Ich bin oft wehmütig, dass die Babyzeit hier nun für immer vorbei ist. Aber gleichzeitig bin ich froh, dass sich die Bedürfnisse der Kinder, die in den ersten Jahren so weit auseinander gehen, näher zusammenrücken. Und dass nun so langsam auch meine wieder in den Vordergrund rücken. Und die des Liepsten. Denn ach ja, Erwachsene wohnen hier ja auch.
Wie schafft Ihr den Spagat zwischen den unterschiedlichen Kindern?
Ach, Nadine, du sprichst mir schon wieder mal sooo aus der Seele!!!! …diese unterschiedlichen Bedürfnisse von drei kleinen/und auch schon großen Menschen, und diese Phasen, wo die Bedürfnisse unterschiedlich weit auseinanderdriften oder näher rücken… sind uns auch ein ständiger Begleiter… manchmal mehr herausfordernd manchmal weniger… und wenn ich grad mal das Gefühl hab, dass die Bedürfnisse von uns Erwachsenen bissl mehr Platz haben – Ha, da melden sich die Bedürfnisse des Ältesten, der sich nicht Gesehen fühlt… :-) …..
Danke liebe Elisabeth, scheinbar hört das also nie auf, es verändern sich einfach nur die Bedürfnisse. Naja, es wäre ja auch zu langweilig, wenn es nicht so wäre… Liebe Grüße!