In der Früh erwache ich vom Kreischen und Schreien der beiden Großen. Ich liege im Bett bei Miniklein, der in der Nacht wieder raufgefiebert hat. „Wieso müssen die schon wieder streiten und so lärmen??“ denke ich müde und verdrehe meine noch geschlossenen Augen. So fängt doch kein guter Tag an, dröhnt mein Kopf.
Um 8 Uhr sind die großen Leut hier alle aus dem Haus und ich mit Miniklein allein. Etwas Ruhe. Um 9 Uhr schlummert Miniklein im Träumeland und ich sitze mit Kaffee auf dem Sofa. Ich könnte arbeiten, aber ich bin fertig. Von der Nacht. Von den letzten Tagen. Und von diesem lauten Morgen. Was ist nur los mit den beiden Großen? denke ich. Und überlege ein bisschen. Dauernd streiten sie. Lärmen. Kreischen. Warum warum warum? Was ist da los?
Und während ich müde meinen mittlerweile kalten Kaffe schlürfe, muss ich lächeln. Stimmt ja alles gar nicht. Die streiten ja nicht nur.
Gestern erst haben sie in innigster Einigkeit und größter Freude gemeinsam das Bad geflutet. Da waren sie quietschvergnügt zu zweit. Beim Abholen von Herrn Klein läuft Frau Klein ihm oft entgegen und winkt ihm fröhlich zu.
Herr Klein war heute auf einem Kindergeburtstag. Quasi Ruhe mit nur zwei Kindern bis 17:30Uhr. Kaum treffen die zwei aufeinander, kracht es wieder. Wer im Lastenrad neben Miniklein sitzen darf führt fast zu einer Prügelei. Ich warte, seufze und warte, bis sie sich einig sind. Dann radel ich los. Herr Klein wirkt gereizt. Angespannt. Kein Wunder. Lange Schultage, Berlin sitzt ihm noch in den Knochen, dann ein Kindergeburtstag. Alles ist viel. Und überhaupt ist die Welt aggressiv heute. Da hupt schon wieder ein Autofahrer. Der Bus hat heute einen halben Meter neben Frau Klein Gas gegeben, weil sie ihm zu langsam über die Straße ging. Und zwei Autofahrer haben mich angehupt, weil ich bei rotgrün noch knapp auf der Straße war. Die Hitze macht die Menschen aggressiv. Wieso also nicht auch die Kinder?
Mit einer Mutter rede ich über die Kinder. Ihr Sohn sei auch gerade so anhänglich. Da klickert es wieder in mir. Herr Klein ist momentan selig, wenn er meine vollste Aufmerksamkeit hat. Sein Wechsel zwischen „Ich will allein in die Schule gehen“ und „Nein, lieber doch nicht.“ zeigt mir, wie es ihn ihm grad zugeht. Frau Klein wünscht sich, dass ich sie mal wieder in den Kindergarten bringe, statt immer nur der Papa gemeinsam mit dem Bruder…
Es sind nicht die Geschwister, die sich dauernd streiten und nicht mögen. Es sind die Kinder, die jeder für sich ihre Aufmerksamkeit suchen, ihre Portion Mama und Papa, ihre Erholung, die sie allein schwer finden. Und wenn beide gesättigt sind, dann finden sich auch wieder untereinander zueinander. Weil sich dann neue Türen öffnen und neue Wege bahnen. Und irgendwie geht es mir doch auch so. Wenn ich Ruhe und Zeit mit dem Liepsten habe, kann ich mich besser auf Freunde und Bekannte einlassen, wenn ich gute Gespräche mit Freunden geführt habe, bin ich wieder mehr bei mir und aufmerksamer für die Kinder. Ein ewiger Kreislauf. Ein guter Tag mit den Kindern führt zu einem guten Abend mit dem Liepsten, weil ich zufrieden und glücklich bin mit diesem wuseligen Haufen hier.
Wie immer hilft also mal wieder die Umkehrsicht. Also statt „die streiten ja nur“ zu fragen: „Wann streiten sie eigentlich nicht?“ Das hilft mir in vielen Situationen. Auch bei mir selbst. Von „nichts funktioniert hier“ über „ich kann überhaupt nichts“ bis hin zu „ich bin immer nur genervt“ hilft das Umkehren dieser Aussagen. Im Kinderbuchworkshop letztes Mal haben wir das als Schreibaufgabe gehabt. Beschreibe einen starken Charakter, eine besondere Eigenheit. Und dann: Beschreibe eine Situation, in der die Person nicht so ist. Ist sehr augenöffnend. Spannend und interessant.
Probiert das mal aus! Demnächst schreibe ich mal wieder darüber, wie ich am besten mit solchen Situationen, in denen sie sich eben doch streiten, umgehe. Aber dabei hilft mir eben als erster Schritt zu sehen, dass es nicht immer so ist. Das macht schon sehr viel, findet Ihr nicht?
Mal wieder triffst Du den Nagel auf den Kopf. Danke dafür.
Gestern und heute waren so schlimme Tage hier. Meine zwei waren nur am streiten und sich anbrüllen. Hatte ihnen selig ein neues Planschbecken gekauft und freute mich auf den Sommernachmittag im Garten. Es war aber natürlich anders. Der Ton war sowas von agro.
Jetzt nach Deinem Post sieht alles ganz anders aus… Bin grad wieder viel alleine mit den Jungs, exklusive Zeiten Mangelware. Und das direkt nach einem wunderschönen Urlaub in Frankreich. Ich glaube, sie sind auch noch nicht wieder im Alltag angekommen. Wie Mama. Danke für’s Augen öffnen.
Tanja