Vom Anderssein und dem Traum vom Gehen

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Solange ich denken kann, fühle ich mich anders als andere. Nicht selten falsch oder fehl am Platz. Das hat viel damit zu tun, dass ich als Kind oft zu stur, zu schüchtern oder zu sensibel war. Einfach immer viel zu viel „zu viel“ von etwas, was ich scheinbar nicht sein sollte. Aber auch heute noch fühle mich oft anders als die anderen.

Wer will schon normal sein, sagen die Leute. Aber ich rede gar nicht von normal oder unnormal. Ich weiß, dass ich nicht unnormal bin und ob normal langweilig oder spießig ist, das will ich gar nicht beurteilen. Ich rede davon, mich immer wieder anders als die Menschen in meinem Umfeld zu fühlen und das auch zu spüren zu bekommen. Ich denke, dass das vor allem als ich Mutter wurde, immer deutlicher wurde. Auf dem Spielplatz fühlte ich mich so oft so ganz anders. Ich war die, die keine Feuchttücher dabei hatte für das Kind. Ich war die, die keine Lust hatte den Kletterturm siebzehn mal raufzuklettern mit dem Kind. Ich war die, die sich nicht an das Datum des ersten Zahnes erinnern konnte und das auch nicht für wichtig hielt. Meine Kinder hatten keine Mützen auf beim ersten Wind, ungeschnittene Fingernägel und ich fand es nicht schlimm ihnen Smarties zu füttern statt Karotten. Ich wollte in Ruhe auf der Bank sitzen und durchatmen anstatt mich mit anderen Müttern zu unterhalten. Noch heute sitze ich abseits, bin maximal in ein Gespräch mit einer Freundin vertieft. Aber mit den anderen komme ich nicht so leicht zusammen. Das liegt nicht mal an den anderen. Das weiß ich und das zu wissen, tut weh. Aber auch als Nadine, als Frau und Mensch bin ich oft so anders. Ich bin nicht so energiegeladen wie andere. Ich genieße die Ruhe und liebe den Regen. Ich hasse Sonnencremes und die Hitze. Ich werde verrückt, wenn jemand neben mir Essen kaut. Ich gehe nicht gern ans Telefon und fühle mich in Menschengruppen unwohl. Ich will Dinge lernen und tun, aber meistens auf meine Art und in meinem Tempo. Ich kann mich nur schwer an Vorgaben halten will mein eigenes Ding machen. Und vieles davon behindert mich im Alltag. Und für so manches ernte ich gern komische Blicke. Besonders schwierig wird es, wenn ich sehe, wie „die anderen“, die nicht so sind wie ich, scheinbar durchs Leben surfen. Weniger allein sind. Lustiger sind. Fröhlicher. Leichter. Die Freunde finden und halten. Etwas, was mir schon immer schwer gefallen ist. Und heute noch schwer fällt.

Sei einfach so, wie du bist. Du bist okay, so wie du bist. Du bist gut genug. Du bist genug.

Ja, diese Sätze höre ich. Diese Sätze sage ich mir auch selbst. Um mein inneres Danken dahin zu bewegen, wo ich das auch glauben kann. Aber immer wieder merke ich, dass mir damit doch nur selbst was einrede. Ich bin nicht so, wie die anderen. Das mag okay sein. Aber ich weiß nicht, wie ich da hinkomme, das zu akzeptieren. Mich zu akzeptieren.

Vielleicht bin ich deshalb so bestrebt etwas zu erreichen. Etwas Großes. Ich schreibe Bücher und möchte, dass die Menschen sie lesen. Ich schreibe Artikel und Geschichten. Ich gestalte hier und da kleinere künstlerische Sachen. Und träume immer wieder davon damit ein bisschen größer zu werden. Aber in mir drin sagt jemand: Du hast das Zeug nicht. Das ist alles nichts. Du bist zu klein. Das ist nichts für dich. Und damit stehe ich an. Und bleibe da, wo ich bin. Auf der Stelle. In meinem Anderssein.

Wie ich da rauskomme, weiß ich nicht. Manchmal möchte ich einfach losgehen. Ohne Ziel und ohne Müssen. Einfach gehen. Allein gehen und den Weg finden zu mir. Den Weg zu meinem inneren Ich, das ich spüren kann und sagen: Ja, das bin ich. Genau so. Und genau so bin ich gut und richtig und da, wo ich sein soll.

Aber heute nicht. Heute erhole ich mich noch vom Kranksein. Und morgen? Da ist wieder Montag und das Leben geht weiter.

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Eva

    Liebe Nadine, danke für Deine Offenheit – das tut gut! Ich kenne das Gefühl auch sehr gut. Ich glaube, dass das Empfinden der Andersartigkeit aber auch daher kommt, dass wir als Eltern dank unserer Kinder wieder so richtig mit Gruppen konfrontiert werden – mit Elterngruppen, Spielplatzgruppen, Hausgemeinschaftsgruppen. Irgendwann sind die Kinder groß und dann kann man sich wieder viel freier und eigenständiger bewegen. So habe ich das zumindest bei meinen Eltern erlebt. Es gibt also Hoffnung :). Viele Grüße Eva

    1. buntraum

      Liebe Eva, ja, da magst du Recht haben und das sind eigentlich auch gute Aussichten. Danke Dir! Alles Liebe, Nadine

  2. annette

    liebe nadine, weisst du was mir an diesem post ganz besonders gefällt…..du hast nicht die schnelle lösung, sondern lässt es einfach so stehen….
    herzliche grüße und danke
    annette

    1. buntraum

      Liebe Annette, danke! Ja, das ist spannend. Ich dachte immer, man müsse beim Bloggen ja auch was „Wertvolles“ rüberbringen, aber manchmal ist Offenheit wertvoll genug und eine wirkliche Lösung habe ich einfach nicht und ich glaube auch nicht, dass es sie gibt. Liebe Grüße, Nadine

  3. Stephanie

    Liebe Nadine, ich habe eben deinen Blogpost gelesen und mir ist gerade sehr warm ums Herz. Ich fühle mich in deinen Worten verstanden, es könnten meine sein… Und ich fühle mich in meiner Andersartigkeit gerade weniger allein. Einfach danke dafür… Und von Herzen alles Gute!

    1. buntraum

      Liebe Stephanie, vielen lieben Dank. Das berührt mich sehr und ich freue mich immer sehr, wenn meine Zeilen drüben auf Resonanz stoßen. Alles Liebe auch für dich. Nadine

  4. Ekaterini Hugger

    Ich kann mich da auch super wiederfinden. Wir sind nicht allein;-D

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