Als wir das Buch „Hans im Glück oder die Erlaufung des Südens“ von Andreas Zöllner, der auf eben dieser Wanderung eine Weile bei uns im Haus wohnte und uns seitdem immer wieder besucht, lasen, stießen wir erstmalig auf den Begriff Zwiegespräche. Im Text war eine Referenz zu Michael Lukas Moeller angegeben und ich begann etwas zu recherchieren.
Es war nicht so, dass ich das Gefühl hatte, unsere Beziehung bräuchte mehr Worte oder mehr reden – im Gegenteil, ich dachte, dass wir eigentlich sehr viel reden würden. Dass wir uns nicht verschweigen würden, dass wir Dinge beim Namen nennen würden und so viele Hürden schon gut gemeistert hatten. Dennoch war ich immer an Neuem interessiert und diese Zwiegespräche, die klangen nach mehr als nach nur Reden. Der Liepste war ebenso angetan, doch so richtig wussten wir nicht, wie wir das angehen sollten. Wir wussten nur, was ungefähr im Internet dazu geschrieben steht. Aber wie ging das wirklich?
Dann traf uns ein Thema, dass unseren Alltag etwas durchrüttelte und das viel von uns abverlangte. Der Liepste beschloss: „Heute probieren wir dazu so ein Zwiegespräch. Ich glaube, dass uns das helfen kann.“
Gesagt getan saßen wir uns am Abend gegenüber. Etwas nervös, das auch „richtig“ zu machen und vor allem gespannt, was das Zwiegespräch mit uns und unserem Thema machen würde.
30 Minuten „Wie geht es mir?“
In den ersten 30 Minuten geht es darum zu sagen, wie es einem geht. Was einen beschäftigt. Was im Kopf herum schwirrt. Der andere hört dabei nur zu. Kommentiert nicht, bewertet nicht. Hört nur.
30 Minuten sind lang. Sehr lang. Immer wieder schauen wir auf die Uhr. Wie lange noch? Was soll ich denn noch erzählen? Ist nicht schon alles gesagt? Doch nein, da kommt noch ein Gedanke. Und oh, wo kommt der eigentlich her? Ich wusste gar nicht, dass mich das beschäftigt. Aha, interessant. Plötzlich erfahren wir selbst Dinge über uns von denen wir nicht wussten, dass sie uns beschäftigen.
Und der Zuhörer? Ich selbst fand es entspannt. Ich muss nicht kommentieren. Muss nicht argumentieren. Und erfahre zudem, wie es dem Liepsten wirklich geht. Wirklich. Denn was ich täglich sehe, ist ein oberflächliches Durchlaufen. Morgens aufstehen, in den Tag starten, ein paar sms aus dem Büro, Abendplanung besprechen, die Kinder versorgen, Feierabend. Hier und da die Erwähnung von Gedanken, aber nie das gesamte Bild. Und ehrlich: wie oft saß ich in meine Gedanken versunken und dachte mir: „Wie geht es dem Liepsten eigentlich damit?“ Abends vergessen. Zu müde, um lange zu reden. Den Kopf in anderen Gedanken verloren.
Jetzt. Endlich. Endlich erfuhr ich, wie es in ihm drin aussieht. Was ihn beschäftigt. Ich war gespannt. und erleichtert.
Dann war ich dran. Wow. 30 Minuten sind wirklich lang. Aber gut. Gut zu sehen, was mich wirklich beschäftigt gerade. Diese Gedanken zu sortieren und auszusprechen. Jeden einzelnen. Ordnung. Und etwas Erleichterung, weil hier Zeit und Raum dafür ist. Weil es nicht darum geht „interessiert ihn das?“ sondern darum, was mich beschäftigt und bewegt.
Nach diesen insgesamt 60 Minuten geht der Ball zurück.
15 Minuten „Wie geht es mir in unserer Beziehung?“
Jetzt wird es noch einmal spannend. Wie geht es mir mit uns? Mit Dir? Weiß ich doch, sehe ich doch? Klar, wir begegnen uns liebevoll, sind uns nahe. Doch oft verlaufen wir uns im Alltag und wissen letztendlich nicht wirklich, wie es dem anderen geht. Nicht in einem Moment, in dem er mir ganz nahe zusäuselt, wie sehr er mich mag, sondern in einem gestellten Setting. Klar und ehrlich.
Nach 15 Minuten bin ich dran. Und durchwandere die Beziehung auf allen Ebenen, um diese lange Zeit Worte zu finden. Es tut gut, nicht einfach nur „Es geht uns gut ich hab Dich lieb.“ zu sagen, sondern ganz tief zu graben und zu schauen, wie ich mich mit uns empfinde.
90 Minuten sind um. Wir sind erschöpft, vor allem auch, weil das Thema schwer war. Noch nicht gelöst, aber beide Seiten intensiv angehört. Eine gute Grundlage, für eine Entscheidungsfindung.
3 Tage später wiederholen wir auf Grund der Dringlichkeit das Zwiegespräch. Es ist Freitag. Und von da an steht es als fixer Termin in unserem Kalender. Jeden Freitag 20 Uhr Treffpunkt Wohnzimmer. Keine anderen Besprechungen oder Verabredungen. Der Freitag gehört uns. Und wenn es wirklich mal nicht möglich sein sollte, dann ist Sonntag die Deadline, bis wann es nachgeholt sein muss.
Warum dieser Terminstress?
Die Regelmässigkeit bringt Sicherheit und Wertschätzung. Und verhindert, dass das nächste Zwiegespräch in 4 Monaten stattfindet, weil zu viel dazwischen kam, man müde war, beschäftigt, abgelenkt. Denn durch das wöchentliche Erzählen des „Was beschäftigt mich?“ entsteht ein unbewusster roter Faden. Wir knüpfen an, erzählen weiter. Wir sind in ständiger Verbindung. Und – was ich besonders mag – entstressen unsere Woche. Ich muss nicht hier oder dort fragen „Was ist los?“ oder „Weißt Du was…“ Ich weiß, dass es in Ruhe Zeit dafür geben wird. Am Freitag.
Und wenn jemand fragt, ob ich am Freitag schon was vor habe, dann sage ich „Ja.“ und freue mich auf mein Date mit dem Liepsten.
Und warum all das überhaupt?
Lukas Moeller gibt an, was wir uns vom Zwiegespräch erwarten können:
- uns selbst wahrzunehmen,
- von uns zu sprechen,
- dem anderen zuzuhören,
- sich wechselseitig anzuerkennen,
- sich einander zuzuwenden,
- dialog- und konfliktfähig zu werden,
- die Bedürfnisse des anderen und die eigenen Wünsche gleichrangig zu beachten,
- an Selbstvertrauen zu gewinnen
und vieles mehr. Mit dem Zwiegespräch werden wir fähig, uns und unsere Beziehungen kreativ zu gestalten.
Und nach nur drei Zwiegesprächen mit dem Liepsten, kann ich das schon bestätigen. Durch diese Art und Weise miteinander zu reden, arbeitet etwas in uns. Ganz unbewusst. Etwas, das uns näher bringt, uns (noch) besser kennenlernen lässt, spüren lässt. Nicht nur was den anderen bewegt, sondern auch uns selbst. Und wenn wir uns besser verstehen, können wir andere besser verstehen, sind eher bereit und offen dafür. Fühlen wir uns vom Partner verstanden, können wir uns wiederum besser auf uns selbst einlassen. Es ist ein Wechselspiel, das entsteht. Nur, weil man einmal die Woche Zeit füreinander aufbringt. Ich denke, dass ist ein wertvolles Geschenk.
Denn ja, wir reden viel. Vielleicht mehr, als andere Paare. Definitiv mehr als der deutsche Durchschnitt, denn „Eine Zeitbudgeterhebung des Bundesministeriums für Familie (1996) ergab jedoch, dass deutsche Paare heute kaum mehr als zwei Minuten pro Tag miteinander über persönliche Dinge sprechen (Blanke et al. 1996, S. 313).“
Aber wir redeten wenig über uns. Uns ganz selbst und uns als Paar. Weil hier doch alles in Ordnung schien. War es ja auch. Aber jetzt bekommt diese Ordnung noch etwas mehr Tiefe. Mehr Nähe. Mehr Zuwendung. Mehr uns.
Ich freue mich so hier von den Zwiegesprächen zu lesen! Mein Mann und ich haben, ebenso wie ihr, aus Neugierde diese Gespräche angefangen. Zuerst war es noch ungewohnt und die Vorgabe aus dem Buch, es mindestens 7 Wochen (oder waren es 10 Wochen) mit dem wöchentlich fixen Termin zu probieren, erschien uns lange. Doch dann waren wir so begeistert davon und seither freuen wir uns jede Woche auf unser ‚Zwiesi‘ und die gemeinsame Zeit. Das läuft nun schon seit 8 Jahren so :-) Falls wir es wirklich einmal ausfallen lassen müssen, dann spüren wir gleich, dass uns etwas fehlt und dann freuen wir uns umso mehr auf das kommende Gespräch. Viel Freude an diesem verbindenden Geschenk!
Das war für mich sehr neu aber unheimlich interessant zu lesen. Klar kenne ich das Wort Zwiegespräch aber ich hab mich nicht wirklich damit beschäftigt. Ich finde das unheimlich toll, dass ihr das macht! Würde mir vermutlich auch gefallen, denn ich würde meinem Mann sehr gerne mal 30 Minuten zuhören und ihm auch von mir erzählen. Ich glaube nur leider dass wir das nicht wirklich hinbekommen. In seiner Familie hat man nie wirklich über Gefühle geredet, bei uns dafür wurde das sehr viel gemacht. Dementsprechend kann ich sagen, wir reden wohl eher zu wenig.
Da heute wieder Freitag ist, wünsche ich Euch heute Abend ein wunderbares Zwiegespräch
Lieben Gruß
Tanja
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