„Komm weiter!“ und warum Kinder nicht kommen

IMG_2352Ein Thema, was immer wieder schwierig ist für Eltern, ist die Klarheit. Sie ist aber genau das, was Kinder von uns wollen. Das, was sie einfordern, wenn sie jammern, weinen, toben und schreien. Sie wollen wissen, was wir wollen, was wir tun oder nicht tun, was wir mögen und was nicht. Und sie wollen sich darauf einstellen können. Unser Problem ist oft, dass wir selbst nicht genau wissen, was wir wollen. Oder es nicht klar und deutlich kommunizieren.

 

In meinem Artikel Empathie und Klarheit habe ich schon einmal davon geredet, dass wir gern in die Überempathie abrutschen. Wir wollen nicht zu streng sein, nicht zu befehlend. Wollen respektvoll sein, liebevoll. Und verlassen dabei ganz schnell unser eigenes Bedürfnis.

Nach diesem Artikel gab es viele Fragen, wie man denn die beschriebene Situation nun klarer hätte gestalten können. Ich habe damals in ewiger Empathie so lange auf Herrn Klein eingeredet, dass ich am Ende explodiert bin, weil er einfach nicht auf mein Gesagtes, mein so respektvoll und verständnisvoll Gesagtes eingehen wollte. Und habe nicht verstanden, dass ich viel gesagt hatte. Aber nicht das, was ich wollte. Nämlich gehen.

Wenn ich Frau Klein frage, ob sie eine frische Windel braucht, wird sie die Frage ziemlich sicher verneinen. Wenn ich sage, dass ich glaube, dass sie eine frische Windel braucht, wird sie ebenfalls verneinen. Wenn ich sage, dass wir gleich gehen werden und ich sie vorher wickeln möchte, steht sie in den meisten Fällen auf und kommt mit. Oder sie beendet ihr Spiel und kommt dann.

Manchmal fürchten wir uns vor eben diesen Ansagen. Sie erscheinen uns zu befehlend. Zu kalt. Aber sie tun unseren Kindern so gut. Und eigentlich tun sie auch uns in der Erwachsenenkommunikation gut. Wenn Freunde sagen „Ich glaube ich würd heute gern ins Kino gehen.“ fühle ich mich nicht gleich angesprochen und reagiere nicht unbedingt. Heißt ja nicht, dass sie wollen, dass ich mitkomme. Es sei denn, ich kenne sie und weiß das aus dem Zusammenhang heraus. Aber diese Fähigkeit und Erfahrung haben Kinder noch nicht. Wenn Freunde sagen, dass sie am Abend ins Kino gehen und ob ich mitkommen will, ist das wesentlich klarer.  Wenn ich irgendwo anrufe und frage „Störe ich?“ und jemand antwortet: „Na geht schon.“ Dann ist das weder ein klares Nein noch ein klares Ja. Und genau da, in dieser Zwischenkommunikation befinden wir uns als Eltern oft. Tief im Inneren wissen wir, dass wir jetzt weitergehen, jetzt nicht noch eine Geschichte vorlesen, jetzt keine Kekse mehr rausholen wollen. Was wir aber sagen ist „Komm weiter!“, „Ich würde jetzt gern gehen.“ , „Du hast heute schon so viele Kekse gegessen.“ oder „Wir können morgen noch eine Geschichte lesen.“ Das sind alles keine klaren Antworten auf die gestellten Fragen unserer Kinder. Denn auch ein „Nein!“ oder „Doch!“ ist eine Frage. Eine Frage nach dem, was wir wirklich wollen und ob wir dabei bleiben und es auch wirklich meinen. Unsere Kinder wollen uns kennenlernen. Dazu brauchen sie unsere Klarheit. Gleichbleibende Klarheit.

Wenn ich tagsüber etwas zu tun habe am Computer und Frau Klein neben mir herumwuselt, dann sage ich ihr, dass ich jetzt dieses und jenes fertig machen will und dann wieder Zeit habe. Und dann lässt sie mich. Meistens. Wenn ich danach noch weiter rumsurfe, in irgendwelchen sozialen Netzen versumpfe, sie wieder herumwuselt, ich nur sage „jaja, gleich.“, dann wird sie unrund. Weil es für sie dann nicht mehr klar ist, was ich jetzt mache und wo ich – im Kopf – eigentlich bin. Diese Unklarheit überträgt sich auch ohne Worte. Ich bin dann in dem Moment nämlich auch innerlich unrund. Weil ich da ziellos im Netz rumhänge und mich nebenbei frage, was ich als Nächtes mache. Oder dieses prokrastiniere.

Was aber, wenn Kinder dennoch, obwohl ich doch klar und deutlich sage, was ich will, nicht reagieren? Dem entgegen trotzen und sich weigern, zu „folgen“?
Die Antwort darauf ist auch eine sehr klare, wenn auch nicht die, die viele Eltern hören wollen: Dann sage ich es falsch. Dann kann ich mir ganz einfach mal überlegen, wie genau ich meine Sätze formuliere. Und wie meine Tonlage dabei ist. Und ob ich exakt diesen gesagten Satz genau so meinem Partner, meiner besten Freundin, einer Bekannten an den Kopf werfen würde. Denn es liegt ein feiner Unterschied zwischen „Hör doch mal auf so rumzuschreien.“ und „Das ist mir zu laut. Ich möchte dass Du ein bisschen leiser bist.“

Beides ist klar. Aber auch hier – oder besonders hier – macht der Ton die Musik. Und die ist wesentlich ruhiger und gefühlvoller in der zweiten Variante.

Die Kommunikation mit unseren Kindern im Alltag ist nicht leicht. Denn natürlich steht und fällt all das mit unserem Stressfaktor, mit dem Schlafgehalt der vorangegangenen Nacht und dem Gemütszustand unserer Kind. Und uns. Aber je öfter ich mir dessen bewusst werde, was ich wirklich will und ob ich jetzt dieses Bedürfnis, oder ein vermeintlich empathisches Gefasel äußere, umso klarer werde ich mir meiner selbst. Und je öfter ich die Sätze, die ich rede, in eine Erwachsenenkommunikation übersetze, umso schneller wird mir auffallen, wie wenig respektvoll ich wirklich kommuniziere, während ich genau das aber versuche. Denn dieses respektvolle, das achtsame, das empathische – all das versuchen wir. All das wollen wir. Doch vergessen wir dabei, was wir in den individuellen Situationen für uns wollen.

Kinder begleiten und verstehen, sie unterstützen und ihnen Freiräume lassen. Das lesen wir häufig zur Zeit. Wie das geht, das wird selten erwähnt. Und dann beginnen wir zu strudeln, wollen da hin und verlieren unterwegs uns selbst. Verfangen uns mit „Sollte ich“ und „Möchte ich“. Und wollen doch einfach nur… ja, was eigentlich?

Was wollt Ihr? Wo funktioniert genau diese Kommunikation nicht? Was tun Eure Kinder nicht, obwohl Ihr doch schon 1000x…? Erzählt. Und wer weiß, vielleicht finden wir hier und da heraus, woran es liegt… Ich bin gespannt.

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare

  1. Ramona

    Danke. Gerade genau mein Thema. Wieder und wieder. Klarheit (für mich klar, für die anderen wohl nicht. Erwachsene wie Kinder), Kommunikation, Tonlage und „Was will ich eigentlich?“

  2. Nadja Henke

    Herzlichen Dank für diesen tollen Beitrag!! Eine Frage, die auch mich immer wieder beschäftigt – teilweise täglich. Es gibt, denke ich, kein richtig oder falsch und auch keine Optimallösung. Es hängt von so vielem ab: Vond er Situation, der „Phase“, vom Kind, von den Eltern…Ich finde es immer einfach total wichtig, sich selbst immer wieder zu reflektieren, auf den Moment zu schauen, zu analysieren. Das kann echt anstregend sein, aber ist hilfreich. Ich kann natürlich nur von mir sprechen. Mir hat es total geholfen, genau zu überlegen, wann ich „Nein“ sage. Das muss dann auch nicht immer in einer stundenlangen Erklärung ausarten. Manchmal aber schon. Ich merke aber auf jeden Fall, je klarer ich mich ausspreche (sei es durch ein einfaches Nein ohne Drumherumgerede), dann bringt das viel. Ich lasse auch öfter mal was durchgehen, wenn es jetzt nicht allzu schlimm ist und drücke auch mal ein Auge zu. Wenn dann eine wirklich wichtige Situation ist, wo das Kind hören, kommen o.ä. muss, dann tut er das auch. Wenn er frech wird, dann sag ich in letzter Zeit öfter mal: „ich hab mich jetzt verhört, richtig?“ und zwinker ihm zu. Dann ist es nicht streng, aber er versteht sofot, dass es blöd war. Ich muss dazu sagen, dass es natrülich auch Phasen gab, wo keine Methode funktioniert hat und ich auch kurz vorm Ausrasten war…das wirbelt die Spirale aber nur weiter und weiter und mann kommt aus der STreit-Schleife gar nicht mehr raus. Dann ist es die Aufgabe des Erwachsenen dem Ganzen eine neue Richtung zu geben. Aber wir sind ja alle Menschen und haben auch unsere Phasen und können auch manchmal einfach nur meckern. Wie gesagt, dann einfach irgendwie versuchen sich nach ein paar Tagen nen Ruck zu geben und dem Kind ganz neu „begegnen“. Oh Gott, hör ich mich grad klugscheisserisch an..sorry..wir haben nur einfach so schlimme Phasen durch, dass ich Gott sei Dank Wege daraus gefunden habe…vielleicht klappt es ja wenigestens bei einer anderen Mama auch – dann hat sich hier meine pädagogische Schaumeierei ja vielleicht gelohnt;-))) Liebe Grüße, Nadja

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