Erkenntnisse der Woche – Die Kraft der Nachahmung

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Am Dienstag war ich zu einer Besichtigung im nahegelegenen Kindergarten, da wir einen Platz für Frau Klein fürs nächste Jahr suchen. Während der kleinen Tour durch das Haus begegneten wir einigen Pädagoginnen mit Kindern an den Händen. Große Augen schauten uns an, während die Pädagogin in deutlich-lautem Ton „Halloooo!“ sagten.

Offensichtlich wollte sie für alle Kinder, die sie mit sich führte, Hallo sagen. Und ihnen – ganz pädagogisch – zeigen, dass man in dieser Situation Hallo! sagt.

Was mich daran störte war der Ton, dieser leicht erhobene, belehrende. Aber auch etwa so, als wären die Kinder behindert, taub und unzurechnungsfähig. So oft vermitteln wir Werte, Regeln und Normen durch Übetreibung und Überzeichnung. Warum?

Kinder lernen durch unsere Vorbildwirkung. Doch dieses Vertrauen in diese Art von Lernen scheint nicht vorhanden. Stattdessen wird erzogen und belehrt. „Sag Hallo!“ „Wie sagt man?“ „Das heißt: Danke liebe Oma!“ sind gängige Sätze. Unnötige, behaupte ich.

Frau Kleins erstes Wort war „Danke.“ Damals noch zufälliges Nachgeplapper, bedankt sie sich heute selbstverständlich für gereichtes Essen oder aufgehobene Spielzeuge. Sie ruft jedem im Haus ein fröhliches „Hallo!“ zu, ohne dass ich sie dazu auffordern müsste. Und sie tut das auch mal nicht. Wenn sie nicht mag. Oder anderweitig beschäftigt ist. Weil sie Kind ist.
Herr Klein sagt „Darf ich bitte…“, wenn er etwas möchte. Weil wir ihn von Anfang an auch gebeten haben, uns etwas wieder zu geben, was er nicht haben sollte oder sonst etwas von ihm wollten, wie Türen schließen, Hände waschen oder ähnliches. Natürlich kommt auch mal ein lautes, ungehaltenes „Ich will Saft!“, wenn er Durst hat. Das ist normal. Das ist die kindliche Entwicklung. Das heißt nicht, dass er UNerzogen ist.

Wir haben oft so viel Sorge die gesellschaftlichen Normen und Werte zu vermitteln, dass wir vergessen, wie einfach es sein kann. Vertrauen. Zutrauen.
Aber nicht nur das. Es ist auch die Sprache, mit der wir unseren Kindern begegnen. Dieses überdeutliche, überzogene. Längst nicht mehr normale. Warum? Sie sind weder behindert noch schwerhörig. Warum können wir nicht so normal mit ihnen reden, wie mit unseren Freunden, Partnern? Der Glaube stets und ständig einen Lehrauftrag erfüllen zu müssen, steht uns hier gern im Weg. Dabei ist unser Auftrag ganz einfach: so zu sein, wie wir unsere Kinder gern haben. Denn wenn sie das erste Mal „Scheiße!“ Rufen, sich einen Baustein ans Ohr halten oder im Spiel „Ich muss in die Arbeit, da gibt es ein Problem.“ sagen, das auch noch in exakt unserer Tonlage, lächeln wir amüsiert. Und verstehen noch immer nicht die Kraft der Nachahmung. Der Nachahmung des Normalen. Des Alltäglichen. Ohne Übetreibung.

Redet normal mit Euren Kindern. Kommuniziert so, wie mit lieben Freunden oder Partnern. Wertschätzend, liebevoll, respektvoll. Der Rest geschieht von ganz allein. Ganz sicher!

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Frau Haselmayer

    Ich habe mich ja als Kind komplett verweigert, wenn jemand – zum Glück nie meine Eltern – sagte: „Wie sagt man?“

    Und wenn heute Eltern zu ihren Kindern „Wie sagt man?“ oder „sag mal Tschüss!“ sagen, damit diese sich bei mir bedanken/verabschieden/etc. antworte ich sofort: „Passt schon…lass sie/ihn halt…“ und unterbreche dies sofort (eigentlich eher unbewusst), weil ich nicht möchte, dass ein Kind etwas zu mir sagen muss, was es vielleicht gerade nicht sagen möchte. Eltern hassen mich bestimmt, weil ich ihnen immer dazwischen funke in ihrer „Erziehung“ – und nein, ich fühle mich kein wenig schlecht dabei, weil ich das Gefühl habe, auf Seiten des Kindes zu sein…

  2. Matze

    Dafür gibt es ein großes JA!!!

    Was du aus beschreibst kann ich nur bestätigen. Auch uns ging es, vorrangig in der KITA, so wie es deine ersten Sätze ausdrücken. Im Ton schwingt immer ein erhobener Zeigefinger mit :-(

  3. Sandra

    Im Normalfall hätte ich gerufen : JA du hast Recht. Aber heute kommt es mir ganz anders vor. Mein kleiner Sohn hat auch früher immer von alleine Danke gesagt, so dass alle Leute meinten er mache das aber toll. Und wir haben es ihm nicht beigebracht, es war die einfache Nachahmung.
    Dann kam er in den Kindergarten, und seitdem ahmt er leider einen „Freund“ nach, der so ganz anders ist, als wir es in der Familie leben möchten.
    Das bringt mich zur Verzweiflung, macht mich sauer und sogar hilflos.
    Bisher hilft alles was wir ihm hier zu Hause vorleben nicht, ich sehe ständig die Spiegelung des anderen Jungen im Gesicht von meinem Kind.
    Da fällt mir als Pädagogoin leider auch ncihts mehr ein.
    Vielleicht hat ja jemand einen guten Tipp.

    Gruß Sandra

    1. buntraum

      Liebe Sandra,
      aber das klingt für mich sehr normal. Da trifft ein Kind auf andere Kinder, die alles ganz anders machen. Das ist spannend, das wird ebenso nachgeahmt. Ich würde dem keine große Bedeutung beimessen und weiterhin das vorleben, was mir wichtig ist. Wenn es um Aussagen geht, die Dir überhaupt nicht passen, kannst Du auch sagen, dass Du das nicht willst. Aber oft wird sowas dadurch noch interessanter. Ich glaube, dass eben diese Vorstellungen, diese Normen und Werte erst dann wirklich gelebt und nachgeahmt werden, wenn die Kinder älter werden. Schule, Teenageralter und Erwachsene. Da kann man dann erst sehen, was wirklich angekommen ist. Bis dahin wird einfach alles ausprobiert. Aber ich glaube, dass das, was zu Hause, in der heimischen und wichtigsten Umgebung, vorgelebt wird, das ist, was hängen bleibt und am Ende als wichtig erachtet wird. Verlier nicht die Hoffnung bei einem noch so kleinen Kindergartenkind. Habe Vertrauen, dass er Dich „sieht“ und wahrnimmt und irgendwann daraus seinen Weg strickt. Liebe Grüße, Nadine

      1. Sandra

        Danke für deine Mutmachenden Worte! Sicher hast du recht, nur im Alltag ist es manchmal so anstrengend sich all das vor Augen zu führen.
        Aber ganz sicher weiß man erst als erwachsener das zu schätzen, was die eigenen Eltern geleistet haben.
        Gruß !

  4. Jenny

    Nichts gegen die Kernaussage, der Ansatz ist meiner Meinung nach richtig. Schade nur, dass hier offenbar davon ausgegangen wird, dass dieser Tonfall im Umgang mit Behinderten (Kindern) absolut in Ordnung ist und man mit ihnen nicht normal sprechen kann.
    Garstiges Schubladendenken…
    Und was soll das Foto?

    1. buntraum

      Liebe Jenny, Du hast recht. Das kann man so auslegen. So war es keineswegs gemeint, aber das ist natürlich bei so einem einseitigen Post schwer darzustellen. Mir ging es eher darum, dass vor bei behinderten Menschen oft eine deutlichere und auch lauterere Aussprache notwendig ist, damit sie uns verstehen. Das gilt natürlich nicht für alle und sollte nicht verallgemeinert werden. Danke für Deinen Hinweis, das habe ich beim Schreiben so nicht bedacht.
      Das Foto zeigt ein Kind beim spielerischen Telefonieren, so, wie es das bei Erwachsenen sieht. Das Behindertenzeichen im Hintergrund ist zufällig dort, weil sich in den hiesigen Straßenbahnen Eltern mit Kindern, Schwangere, Ältere und eben Menschen mit jeglicher Beeinträchtigung einen Platz teilen.
      Herzliche Grüße, Nadine

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