Ich hatte nie vor meine Kinder anzuschreien. Und habe das auch lange nicht getan. Bis ich schwanger war mit Frau Klein. Und neue Grenzen erlebte. Dann mit Baby und Kleinkind, jetzt mit zwei Kleinkindern. Immer mehr innere Grenzen tun sich auf und mir fehlen die Werkzeuge, mit dem Überschreiten dieser umzugehen. Vielleicht war es auch die normale Entwicklung eines Dreijährigen Herrn Kleins. Aber eigentlich spielt das Warum gar keine Rolle.
Ich begann bereits während der zweiten Schwangerschaft immer wieder laut zu werden. Und irgendwann auch zu schreien. Weil ich nicht mehr anders weiter wusste. Mir war bewusst, dass es absolut sinnlos war und nichts brachte. Aber mein Körper konnte nicht mehr anders.
Dann habe ich begonnen mich mit dem Thema ausgiebig zu befassen. Und habe versucht dagegen anzukämpfen. Ich fand „The Orange Rhino“. Dort geht es darum die Tage zu zählen, die man nicht schreit. Und wenn man doch wieder laut wird, geht man zurück auf 0. Also fast ein Spiel. Auf der Webseite finden sich allerlei Tips und Hinweise was man tun kann in Momenten, in denen der Schrei hinaus will. Ich habe einige davon getestet. Nachhaltig wirksam war nichts.
Unlängst gab es auf Ahaparenting ebenfalls eine Liste an Hinweisen, um dem Schreien entgegenzuwirken. Ich fand vieles davon plausibel und machbar. Während ich das so las. in der akuten Situation waren sämtliche Tips und Hinweise graue Asche und ich unhaltbar.
An diesem Wochenende sprachen wir während des Sensory Awareness Workshops über das allübliche Problem Unruhezustände innerlich bereits im Keim zu erkennen und was damit zu tun sei. Wir alle bemerkten, dass wir, wenn wir gegen einen Impuls ankämpfen, ihn immer mehr anstauen. Und genau das hatte ich erlebt. Wenn ich versuchte in ärgerlichen Situationen zu atmen, mich an einen Ort der Stille zu denken oder den Raum zu verlassen, um ja nicht auszuflippen, so explodierte ich später dann umso mehr. Immer und immer wieder erlebte ich das und war ratlos.
Doch nun im Kurs fanden wir gemeinsam eine wesentlich menschlichere Lösung. Dass Ausflippen authentisch sei. Lautwerden menschlich. Wenn ich nun stattdessen atme, oder mich wegdenke, versuche, das Gefühl zu verdrängen, bin ich nicht ich. Ich kämpfe gegen einen inneren Impuls an, und damit gegen mich selbst. Das kann auf Dauer nicht funktionieren.
Wenn ich mich ärgere, ärgere ich mich und genau in dem Moment, in dem ich das erkenne, ist es wichtig, dieses Gefühl an- und ernst zu nehmen. Und sofort zu reagieren. Das heißt nun nicht, dass ich jederzeit ausflippen und laut schreien kann, wenn mir danach ist. Viel mehr geht es darum
– das Gefühl gar nicht erst so weit kommen zu lassen, dass ich wirklich ausflippe. Denn ich behaupte, dass, wenn ich nicht so vehement versuche ruhig zu bleiben, während ich es eigentlich gar nicht bin, ich auch nicht so viel anstaue und letztendlich auch gar nicht so häufig ausflippen muss. Weil ich vielleicht viel eher erkenne, was ich für Möglichkeiten habe, mit meinem „leichten“ Ärger umzugehen.
Und – was ich für noch viel viel wichtiger halte – meinem Kind dabei zu vermitteln, dass es nicht falsch ist. Dass es nicht sein Wesen, seine Art ist, die mich zum Explodieren bringt. Sondern dass es diese Situation im Jetzt und Hier ist, die ich nicht aushalte. Weil es gefährlich ist, wenn er, während ich am WC bin, mit der kleinen Krabbelschwester in den Hausflur spaziert, weil es inakzeptabel ist, weh jemanden anzuspucken oder weh zu tun, weil Duplosteine im Klo nicht nur unhygienisch, sondern auch Verstopfungsgefahr sind. Dabei geht es nicht darum belehrende Vorträge zu halten, sondern nur dem Kind zu vermitteln, dass ich das jetzt so nicht aushalte. Und deshalb gerade auch mal lauter werde. Weil ich jetzt grad einfach keine andere Lösung weiß.
Ich hatte unlängst einen ganz schlimmen Tag. Ständig wurde ich laut und genervt und erklärte Herrn Klein unsanft was er hier und da falsch machte. Als ich ihn dann ins Bett brachte, die Wogen zur Ruhe kamen und nur mehr Stille uns umgab, tat mir all das mal wieder unendlich leid. Ich merkte, wie er sich zurückzog und wollte diesen Abend so nicht beenden. Also sprach ich auf ihn ein: „Es tut mir leid, dass ich wieder so viel ausgeflippt bin heute. Ich bin gestresst und unruhig. Aber ich werde daran arbeiten. Es liegt nicht an Dir. Ich werde versuchen das zu ändern.“ Herr Klein schaute mich mit großen Augen an und nickte. Dann drehte er sich um und ich wusste, dass er nun zur Ruhe kommen konnte. Ich streichelte ihn und ließ ihm seine Ruhe.
Jetzt bin ich ein wenig erleichtert. Weil ich nun nicht mehr krampfhaft daran arbeiten muss, gegen einen inneren Impuls anzugehen. Sondern diesem einfach mal folgen darf. Und dadurch womöglich andere Wege und Strategien entdecke, mit meinem Ärger, meiner Wut umzugehen.
Darüber hinaus gibt es natürlich die Notwendigkeit, solche Situationen gar nicht erst so weit kommen zu lassen. Also im Vorfeld zu verhindern (Wohnungstür absperren, WC versperrt halten, etc.) das eben das geschehen kann, was mich verärgern könnte. Aber das ist ein anderes, ein sehr sehr weites Feld.
Pingback: Linktipps der Woche {Samstagstee mit Link #9} - Fräulein im Glück