Mit dem Interesse für Dinosaurier kam auch die Erkenntnis über die Endlichkeit des Seins in Herrn Kleins Welt an. Denn Dinosaurier sind ausgestorben und nun wird hinterfragt, wer und was alles aussterben kann oder schon ausgestorben ist. Lebewesen sind tot. Das fügt sich in seinen Sprachgebrauch wie das Zählen oder Reimen. Und es tut gut, dieses schwere Wort endlich etwas leichter getragen zu sehen.
Es bedeutet aber auch, dass die medialen Ereignisse anders wahrgenommen werden. Und dass wir als Eltern nun gefordert sind. Denn wenn ein Flugzeug abstürzt, dann sind die Menschen, die da drin saßen, alle tot. Das ist Fakt. Und wenn Herr Klein das wissen will, dann gibt es da keinen Weg umhin als ihn mit diesen Tatsachen zu begegnen.
Ich habe mich oft vor diesen Themen gefürchtet. Weil sie natürlich ganz neue Türen und Tore öffnen. Ganz neue Ängste schüren können. Doch wie mit so vielen Dingen, bin ich froh, zu sehen, dass man auch da mit hinein wächst. Und so bin ich einfach ehrlich und offen. Ich sage ihm das, was ich weiß. So, wie es ist. Ich beschöne nichts. Ich verniedliche nichts. Aber ich sage auch nicht mehr, als notwendig ist. Das ist wohl die Gratwanderung dabei. Denn zu viel Information kann natürlich schnell überfordern. Und so warte ich auf die Fragen, die kommen.
Lange habe ich mich gefürchtet vor den Fragen nach dem Tod. Und die Thematik um den Himmel betrachtet. Ich wollte bereit sein und ihm die Endlichkeit sanft und schonend vermitteln. Auf irgendeine Art, die ich noch nicht begriffen hatte. Doch nun weiß ich, dass ich das nicht muss. Dass ich mir nichts überlegen und zurechtlegen muss. Dass ich nur offen und bereit sein muss für seine Überlegungen und seine Phantasie. Denn ich selbst weiß nicht, woran ich glauben soll. Was mit den Menschen nach dem Tod geschieht? Was aus Seele und aus Körper wird? Also kann ich ihm da kein Märchen erzählen, von dem ich selbst nicht überzeugt bin. Und eigentlich bin ich viel gespannter darauf, zurück zu fragen, was er glaubt, was mit den Menschen geschieht, wenn sie sterben. Vielleicht hat er für mich ganz neue Ansichten. Ganz neue Einblicke.
Als ich letzte Woche in der alten Heimat war, bin ich bewusst allein auf den Friedhof gefahren. Ich wollte die Kinder nicht unnötig mit Themen konfrontieren, die nicht sein müssen. Heute ärgere ich mich. Denn vielleicht wäre es gut, wenn sie von klein auf die Kultur und den Umgang mit dem Tod in unserer Welt erfahren würden. Natürlicher als wir. Wir wurden früher geschützt. Ich war auf keiner Beerdigung, bis mein Bruder starb. Und dann stand ich dort am Grab und war furchtbar aufgeregt und nervös, weil ich Angst hatte, etwas falsch zu machen. Man hatte ja nicht mit mir darüber geredet. Der Tod wurde verschwiegen, die Toten als zweidimensionale Gesichter auf Fotopapier geehrt. Ein einfacherer Umgang mit dem Tod blieb mir verwehrt und ich fand ihn selbst nie. Bis jetzt. Wo ich merke, dass das Thema eine neue Wendung nehmen könnte. Ich bin nun nicht mehr verunsichert, was das angeht, sondern wirklich gespannt, welche Gespräche sich mit den Kindern ergeben.
Wie geht Ihr mit Euren Kindern mit den Themen um? Stellen sie Fragen? Wie reagiert ihr? Wie redet Ihr über die Geschehnisse in der Welt, die solch schwere Themen aufwerfen?
Liebe Nadine,
ich gehe mit meinem Kindern auf Friedhöfe, weil ich selbst diese Orte liebe, als Raum der Einkehr und Vergegenwärtigung unserer Endlichkeit. Aber meine Kinder gehen mit mir aus Neugier dorthin, weil sie es selbst wollen. Und genau wie du es schreibst, um Fragen zu stellen. Es war bisher immer gut, wenn wir dort spazieren waren.
Viele Grüße!
Mein Löwenjunge war 4 als meine Mutter starb. Ich selbst durfte damals als meine Oma starb nicht auf die Beerdigung. Das wollte ich nicht. Er war aber mit 4,5 auch soweit. Er hat meinen Schmerz und meine Trauer gespürt und auch hinterfragt und ich war ehrlich. Ich wusste, ich kann ihn nicht für immer schützen. Er war auch bei der Beerdigung dabei. Es war aber auch extra eine Freundin mit anwesend und ich habe ihm gesagt, dass wenn ihm irgendetwas unangenehm wird und er nicht mehr bleiben möchte, dass sie dann mit ihm gehen kann. Ich habe aber gemerkt, dass er das ganz gut verkraftet hat. Der Tod wirkt vielleicht deshalb so schrecklich weil er irgendwo auch ein Tabu-Thema ist. Kinder sehen das noch relativ „einfach“. So sagte er zu mir, Mama, warum weinst Du? In Deinem Herzen stirbt sie doch nie“ <3
Mein Opa starb vor 6 Wochen. Mein Kleiner ist erst 23 Monate, versteht aber schon mehr davon als ich dachte. Er merkt die Trauer die mich immer noch sehr mitnimmt oft und erinnert mich auf seine kindliche Art oft an das, was ich ihm zu Uropas Tod gesagt habe(Opa schläft und ist jetzt im Himmel, dort hat er keine Schmerzen mehr…) Gern geht er mit zum Grab und bringt ihm Steine oder andere Fundstücke mit. Auch das Grab meiner Oma besucht er gern. Die kannte er aber nichtmal persönlich. Nur von Fotos eben. Das Grab ist für uns einfach ein Ort um sich an die Verstorbenen zu Erinnern. Das tut uns allen hier grad ganz gut!
Über die aktuellen Geschehnisse muss ich (zum Glück)mit ihm noch nicht sprechen. Es fällt mir hier recht schwer für mich selbst eine Meinung zu bilden. Ich bin einfach selbst noch immer geschockt! Mein Kopfkino ist hier nicht auszuschalten und das machts mir schwer..
Liebe Grüße
Liebe Nadine,
meine Erfahrung ist, dass Kinder von sich aus sehr offen und mit dem Tod umgehen, wenn man sie läßt und offen mit Ihnen darüber spricht. Ich habe meine Kinder von klein auf zu Beerdigungen mitgenommen, weil Tod für mich ein Teil vom Leben ist. Ich habe sie auch alle Fragen stellen lassen und auf viele Fragen könnte ich ehrlicherweise nur mit „Ich weiß nicht“ oder „Manche Menschen glauben, dass…“ antworten. Sie wissen, dass wir alle irgendwann sterben. Ich glaube alles, was vor Kindern versteckt und verschwiegen wird, ist beängstigender als das, worüber wir offen reden, selbst wenn wir nicht alle Fragen beantworten können.
Herzliche Grüße
Rona
Letztes Jahr starb ein wichtiger Mensch unserer Wahlfamilie – und wir waren mitten im Urlaub. Aber auch da haben wir Worte gefunden, um unserem 2,5-Jährigen unserer Trauer zu erklären. Ich bin entschieden dafür, Kinder nicht aus solchen Themen aus zu sperren. Als mein Opa starb, war ich 8 – meine Eltern haben es mir erst Tage später gesagt und ich durfte auch nicht mit zur Beerdigung. Das macht Angst. Das möchte ich für mein Kind nicht. ich möchte es gleichwertig mit in die Familie einbeziehen und wie Du sagst: erklären ohne zu mehr zu sagen als notwendig. Die Fragen kommen von ganz allein. Oder die Erkenntnisse: „Gell, Mama, die Dinosaurier sind ausgestorben – wie der Uropa Günter!“
Herzliche grüße,
Anne
Hallo Nadine,
vielen Dank für diesen Anstoß. Ich hatte dieses Thema auch schon lange auf meiner Schreibliste, denn auch ich finde, dass wir unsere Kinder nicht ausschließen dürfen und Tod nun mal zum Leben gehört.
Ich habe unseren Umgang dazu, daher nun auch endlich niedergeschrieben:
http://wunschkind-herzkind-nervkind.blogspot.de/2015/03/umgang-mit-dem-tod.html
Liebe Grüße, Sabrina