Donnerstagsrealitäten :: Nachtzug ins Schlafloskiez

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Wir sind heute Nacht mit dem Nachtzug nach Berlin gefahren. Eigentlich eine aufregende Sache. Oder „Geilo geilo!“ wie Herr Klein fröhlich rief und dabei in die Hände klatschte, als der Zug sich in Bewegung setzte. Ab Breclav – also quasi ab Mitternacht – hatten wir dabei auch das Glück im Liegewagen zu schlafen, der Zug ab Wien war nämlich eigentlich ausgebucht und wir saßen zu fünft in einem 6er Abteil auf Sitzen, die man nicht ausziehen kann. Versierte Zugreisende wissen, was das bedeutet. Für die Kinder. Für die Erwachsenen. Und für deren Nacken.

Doch im Liegewagen gings. Ich lag auf 3cm neben Miniklein, den ich dabei vom Herunterkullern der mittleren Liege abhielt, mich dabei an der Leiter hielt, wenn der Zug zu stark bremste. Gut – bequem ist anders – aber irgendwie brachte ich es auf ein paar Mützen Schlaf und als wir uns in Berlin aus dem Zug quetschten, fühlte ich mich relativ fit für den Tag.

Doch am Nachmittag bemerkte ich, dass hier niemand so recht fit war. Miniklein wollte stets auf meinen Arm, von diesem herunter, sobald er dort war, bis er sich erinnerte, dass er eben doch lieber dort war, wo er gerade nicht war. Frau Klein war eigentlich ganz ruhig, nur ein wenig jammerig, wenn sie einige Meter gehen musste und dabei keine Zuckerl in ausreichender Menge verabreicht bekam. Und Herr Klein – halleluja. Herr Klein hat eine Fähigkeit seinen Schlafmangel, damit verbundene Unzufriedenheit und NichtsmitsichundderWeltanzufangenwissen alle in seinem Umfeld spüren zu lassen. Er schreit. Er tobt. Er wütet und lärmt. Er ist aggressiv und wenn man etwas sagt, lacht er oder beginnt jämmerlich zu weinen. Oder beides. Manchmal freue ich mich auf die Pubertät. So schlimm kann die ja dagegen nicht sein.

Man kommt dann nicht mehr zu ihm durch und kann eigentlich nur eines machen: durchbeißen. Alle Geschwister vor ihm schützen, atmen, ihm klare Grenzen aufzeigen, atmen, ruhig bleiben, atmen und sich immer wieder erinnern, warum er so drauf ist, wie er drauf ist. Und atmen nicht vergessen.

Eigentlich möchte man ihn schütteln und anschreien, er möge sich zusammenreißen und beruhigen. Bringt aber nichts, weil ihn das nur noch mehr auseinanderreißt. Und am Ende irgendwie alle nur noch schreien. Eine Übung in Geduld für uns.

Und wenn das Kind dann endlich schläft, so wie jetzt, und man hat den Tag Nichtschreiend herumgebracht, dann fühlt man sich ein bisschen wie ein großer Zen-Meister. Oder naja, zumindest ist man froh, dass es geschafft ist. Nun gibt es ein Bier im lauschigen Gärtchen hier, die Aussicht auf weitere drei – bisher noch unverplante und komplett frei zu gestaltende – Tage Berlin und am Ende noch eine Nacht im Liegewagen zurück nach Wien. Und ich freue mich wieder drauf und Herr Klein wird vermutlich wieder „Geilo!“ rufen und in die Hände klatschen. Und am Montagabend werde ich wieder froh sein, wenn der Tag rum ist. Tja, so ist das im Leben mit Kindern. Da gibt es einfach auch Tage, über deren Ende man sich sehr freut. Und wenn ich die anderen Kinder hier im Kiez noch schreien höre, dann denke ich, geht es anderen Eltern gerade recht ähnlich. Auch ohne Nachtzug. Also Prost an alle Eltern und Gute Nacht!

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