Zwischenräume

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Eben war es noch laut hier. Sehr laut. So laut, dass ich selbst laut werden musste, weil es mir in den Ohren weh tat, als die Kinder gekreischt und gequietscht haben. Weil sie noch einmal alles gegeben haben. Eben, bevor der Papa sie abgeholt hat.

Jetzt ist es still. Sogar die Musik habe ich abgedreht. Leises Fiepen der Vögel im Käfig. Geräusche vom Gang sind zu hören und das stetige Grillenzirpen in meinen Ohren. Sonst nichts. Und in mir drin? Ein rauschendes Meer. Es spült alles an, was gerade da ist. Traurigkeit. Vorfreude. Unsicherheit. Unruhe. Müdigkeit.

Es sind diese Zwischenräume, diese Momente zwischen laut und leise. Zwischen zu viert und allein. Zwischen Alltag und so etwas wie Urlaub. Es sind diese Zwischenräume, die mich immer wieder fordern. Die mich durcheinander wirbeln um mich neu auszurichten.

Eben noch dauerhaft im Mama-Modus. Wo immer irgendwer irgendwas braucht. Wo ich wenig zum durchatmen komme. Wo der Kopf stetig rennt und kreist. Was gibts zu Essen? Muss ich noch was einkaufen? Was unternehmen wir? Was geht überhaupt, es ist ja Corona. Achja Corona, was ist da eigentlich los? Wo ist der Große? Was macht der Kleine? Und wie sieht es hier eigentlich schon wieder aus? Und das stetige Beobachten: wie geht es den Kindern? Was brauchen sie?
Jetzt bin plötzlich ich dran. Darf selbst entscheiden wann und was ich esse. Ob überhaupt. Was ich tue oder ob ich einfach nur sitze und dem lausche, was in mir drin los ist.

Zwischen all dem, da tobt es.

Im Alltag mit den Kindern ist wenig Zeit über dieses neue Leben nachzudenken. Es läuft einfach dahin. Allein mit den Kindern. Nur wir vier. Und es läuft verdammt gut. Es ist schön, wir haben es schön. Dann kommt die Übergabe und ich erinnere mich: Stimmt, es war mal anders. Es war auch mal schön. Dann nicht mehr so. Erinnerungsblitze. Und die Realisierung, dass jetzt wirklich alles anders ist. Ganz anders. 10 Monate ist das jetzt schon so, aber manchmal habe ich noch immer das Gefühl: Verrückt, Du hast Dein ganzes Leben auf den Kopf gestellt! Und es geht einfach so weiter, dieses Leben. Moment für Moment. Und dazwischen: Diese kleinen Räume. Wo Vergangenheit und Gegenwart aufeinanderprallen. Sich begegnen und nicht wissen, wie sie einander anschauen sollen. Was willst Du hier, Du gestriges Leben? Wo willst Du hin, Du Neues? Geh vorbei, mach Platz. Lass mich durch. Alte Muster, Wut und Ärger die Köpfe aus ihren Türen stecken. Mir zuwinken und rufen: Wir sind auch noch da! Ich weiß. Ich hebe die Hand zum Gruß. Drüben grinst die Traurigkeit mich breit an. Ich nicke ihr zu. Choreografie durch einen schmalen Gang. Dann geht jeder durch seine Tür. Stille.

Nur wenn ich innehalte, diese Zwischenräume bewusst betrete, genau hinhöre und mich frage: Was ist da los? Was brauche ich jetzt? Nur dann, kann ich gut für mich sorgen und die Tage genießen. Denn auch das darf sein. Muss sein. Die Pause vom Alltag auskosten. Moment für Moment. Durchatmen, leben und lieben. Auftanken für dann, wenn sie wiederkommen.

Darauf freue ich mich dann immer. Aber jetzt, jetzt bin ich dran. Schön wird das.

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. Micha

    Etwas ist vorbei und das Neue noch nicht so richtig da… das kenne ich auch gut. Ein sehr schönes Bild findest du da: der Zwischenraum, durch den man durch geht, aber dem man eigentlich nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenken will. Inzwischen glaube ich, dass es ganz schöne lange dauern wird bis man so richtig leicht durch diese Zwischenräume gehen kann. Aber dann kommt es, das neue Leben! Ganz bestimmt!

    LG, Micha

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