Es ist Ostern, die Fastenzeit ist vorbei und ich darf wieder Jammern. Oder so. Naja, so ganz ohne Jammern ging es eigentlich nicht. Warum? Hier sind ein paar wesentliche Erkenntnisse der letzten 40 Tage.
Jammern passiert unbewusst
Wenn man Fleisch, Alkohol oder Schokolade fastet, dann tut man das bewusst und trifft bewusst die Entscheidung, jetzt eben kein Fleisch zu essen oder keinen Alkohol zu trinken. Selbst wenn einem dieses vor die Nase gestellt wird, denkt man an das Vorhaben und trifft bewusste Entscheidungen. Jammern hingegen ist nichts, was bewusst geschieht. Es passiert einfach. Ich sitze ja nicht da und denke mir: „So, und jetzt werd ich mal so richtig losjammern.“ Stattdessen läuft ein Tag so mies dahin und obendrein schafft man nicht, was man sich vorgenommen hat, der Kopf brummt, die Hälfte beim Einkaufen wieder vergessen… man kennt das ja. Wir stöhnen auf und …. Die Jammerei beginnt.
Jammerfasten ist also eher eine Bewusstseinsbildung. Denn wenn ich auch immer mal wieder gejammert habe, so ist mir doch hinterher oft eingefallen, dass ich das doch nicht wollte. Und dann habe ich eben überlegt, warum ich denn nun gejammert habe und was der Grund dafür war, dass die Dinge so gelaufen sind, wie sie gelaufen sind. Und da wird einem, ähnlich wie in Situationen mit tobenden Kindern, schnell bewusst, was wo schief gelaufen ist und wo man oft die Bremse schon viel früher hätte ziehen können. Denn wenn die Tage laufen, wie sie laufen, hat das viel mit uns zu tun. Das führt mich zur nächsten Erkenntnis.
Wer viel jammert, hat viel zu jammern
Es gibt ja diese Menschen, die stets und ständig nur jammern und sich beschweren darüber, wie besch… alles ist. In Wien nennt man das im Übrigen „sudern“ und es gehört zum Wiener dazu. Der Wienerische Dialekt geht eigentlich gar nicht ohne Jammern. Eine spannende Beobachtung, die ich schon länger mache, ist aber, dass die Leute, die so viel jammern oder sudern, eben auch so viel zu jammern bekommen. Weil sie das „Jämmerliche“ schon anziehen. Wenn ich nämlich immer nur darüber schimpfe, wie deppat, unmöglich, unfähig oder was auch immer die anderen Menschen um mich herum sind, wie schlecht dies und das funktioniert, wie mies das Wetter immer dann, wenn… ist und wieso immer ausgerechnet mir so etwas passiert, dann ziehe ich diese Sachen genau mit diesem Gejammere an. Dann lebe ich eine Haltung und Ausstrahlung, die in anderen Menschen genau diese widerspiegelt und mir gegenüber steht.
Wenn ich mehr Dinge tue, die mich zufrieden stellen, ich mich damit abfinde, dass ich an gewissen Dingen nichts ändern kann und auch gar nicht muss, wenn ich akzeptiere, dass es mir egal sein kann, was andere tun und wie sie es tun, dann wird mir schnell auffallen, dass ich viel zufriedener bin. Weil ich viel mehr bei mir bin, viel mehr bei dem, was für mich wichtig ist. Und dann werde ich bald auch nicht mehr das Verlangen danach spüren, mich über andere Dinge auszulassen.
Ein Beispiel ist das Internet. Ich kann ja Zeit damit verbringen völlig entsetzt Artikel herzuzeigen, die meines Erachtens großen Müll beinhalten. Ich kann diese Artikel teilen und jammern, dass es sie gibt und dass andere sie lesen und diesen „Müll“ glauben. Und dass es tatsächlich Menschen gibt, die sie verfassen. Ich kann sie aber auch einfach ignorieren und mich über Artikel freuen, die mich bereichern, die ich interessant finde, spannend oder berührend.
Ich kann auch schimpfen, dass ich schon wieder eine leichte Erkältung habe, dass ich andauernd krank bin und ach so arm. Ich kann aber auch einfach akzeptieren und annehmen, dass das so ist, sehen, dass ich grad ein wenig zu viel zu tun habe und schauen, wo ich reduzieren kann. Ich kann einmal für einen Moment die Füße hochlegen und einen Tee, statt drei Kaffee trinken. Und mich dann darüber freuen, dass es mir besser geht.
Drüber reden ist nicht gleich Jammern
Dennoch gibt es natürlich die heilsame Methode, über Dinge zu reden, sie rauszulassen, um sich besser zu fühlen. Das ist nicht unbedingt gleich Jammern. Oder das Erwähnen von Dingen, die mich stören. Wenn ich sage, dass ich etwas nicht mag, dass ich nicht ausstehen kann, wenn mir jemand zum Beispiel ungefragt die Hand auf die Schultern legt, ist das nicht gleich ein Jammern. Es ist Tatsache, die man im Gespräch erwähnen kann. Wenn ich sage „Immer legen mir Leute die Hand auf die Schultern, ich mag das nicht.“ dann ist das Gejammere. Weil ich mich hier schon wieder als „ich armes Ich“ bezeichne und die Realität mit einem Dauerzustand gleichsetze.
Wenn ich einer Freundin sage, dass ich grad wirklich erschöpft bin, dass ich mich nicht mehr raussehe und dies und das mir so nicht gefällt, dann ist auch das nicht unbedingt gleich Jammern. Dann kann mir das sogar helfen während des Erzählens zu erkennen, was es sein könnte, dass ich mich wieder rausfinde. Solange ich dabei nicht in die „immer ich“ und „alles so besch…“ Schiene falle. Denn das hilft mir nicht weiter.
Ich kann auch mit Freunden diskutieren über Dinge, die ich nicht verstehe, die mich wirklich stören. Wenn ich dann bereit bin, andere Meinungen zu hören und vor allem meine eigene zu hinterfragen.
Jammern ist also nicht gleich Jammern. Ein Stück gehört Jammern wohl dazu. Wir alle tun es. Mal mehr, mal weniger. Wir müssten wohl sehr erfahrene buddhistische Mönche sein, um gar nicht mehr zu jammern. Aber je mehr wir uns bewusst machen, dass Jammern allein nicht reicht, dass Jammern uns Energie raubt und dass es Wege gibt, das Jammern zu beenden, mit gleichem Energieaufwand, aber leichterem Ergebnis auf den Schultern, dann sind wir auf einem guten Weg. Und so werde ich versuchen über die 40 Tage hinweg weiter das Jammern zu fasten. Macht Ihr mit ?
ich mag so gaar nicht jammern…und trotzdem „erwische“ ich mich dabei….teile mit, wies mir zB in Kärnten bei der Ursprungsfamilie gegangen ist, und es klingt wie jammern….da hilft all meine taositische, buddhistische, stille Qigongpraxis nix…am 3.Tag dort ist sie aufgebraucht….und dann wirds Jammern…Punkt. UNd- Dann ist s aber auch wieder vorbei….