Warum ich Kinder habe

You are currently viewing Warum ich Kinder habe

Warum ich Kinder habe

Coronawoche gefühlt 8000. Und im Internet geht es heiß her. Eltern, die die letzten Wochen erschöpft gegen die Wand gefahren sind, bäumen sich auf. Ihr Ziel: Aufzeigen, was Eltern leisten. Sie tun das, in dem sie Rechnungen schreiben und dem Staat vorlegen. Weil Hilfspakete geschnürt werden, die allen helfen, nur nicht den Eltern, die gerade Dreifaches leisten.

Man kann von der Art und Weise dieser Aktion halten, was man will. Aber natürlich gibt es da jetzt die anderen Fronten, die rufen: „Seid Ihr völlig verrückt geworden?“ Nur verpacken sie das hübscher in Aussagen wie: „Ihr habt wohl den Schuß nicht gehört? Warum habt Ihr denn überhaupt Kinder bekommen?“ Und das ist der Moment, in dem ich die Wände hochgehe.

Ich will Euch mal sagen, warum ich Kinder habe. Einfach, weil ich immer Kinder haben wollte. Ja, so einfach ist das. Und ich sehe nicht ein, das näher erklären zu müssen. Ich halte es für äußerst natürlich, dass Menschen Kinder bekommen möchten. Genauso für natürlich halte ich es, dass es Menschen gibt, die das nicht wollen. Niemand, NIEMAND muss sich für diese persönliche Entscheidung rechtfertigen. Ich brauche keine Erklärung, warum ich ein Kind in die Welt setzen will. Ich glaube gar nicht, dass es die überhaupt gibt, außer „Ich wünsche mir das.“
Dann gibt es die, die keine Kinder wollten, aber aus Versehen welche bekommen haben. JA, auch das gibt es und die hat man genauso wenig zu verurteilen wie die, die welche haben wollen, aber nicht können. Niemand hat hier über irgendwen zu urteilen.

Dass Menschen aber immer wieder andere für ihr Tun und Handeln und Denken verurteilen, das kann ich nicht verhindern. Niemand schafft das, weil Menschen so sind. Und am liebsten verurteilen sie die anderen, weil sie sich sonst mit sich selbst beschäftigen müssen. Und das kann weh tun.

Was mir aber weh tut und noch viel mehr, was mich rasend macht, ist, was dieser Aufschrei dieser „Was habt Ihr denn geglaubt, was Kinderkriegen ist?“ Fraktion jetzt wieder mal aufzeigt: Wir Eltern dürfen nicht schwach sein. Wir dürfen nicht erschöpft sein und überlastet und überfordert. Wir müssen stark sein. Elternsein war eine klare Entscheidung und die macht gefälligst Spaß. Punkt. Und genau DAS ist das Problem unserer Gesellschaft. Eine Mutter darf vielleicht mal fertig und übermüdet sein, aber sie darf sich darüber nicht beschweren. Hat sie doch so gewollt. Eine Mutter muss immer mit rotzverschmierten Klamotten herumlaufen und dabei freudig Biogemüse kochen. Das ist ihre Aufgabe. Dafür hat sie sich entschieden, als sie Kinder wollte. Aber sie soll sich bitte nicht aufregen und sagen, sie kann nicht mehr. Weil das ist doch ihre eigentliche Berufung. Glücklich schätzen kann sie sich, diesem Wunder Leben beizuwohnen! 

Und deshalb machen wir das auch und tun und tun und tun. Weil uns vermittelt wird: Das ist Euer Job! Das habt Ihr so gewollt! Und so muss das sein. Interessiert uns nicht, was ihr alles gleichzeitig macht. Das bisschen Haushalt neben dem eh nur Teilzeitjob. Und was glaubt Ihr, wie unsere Eltern das früher geschafft haben? Nach dem Krieg und auf dem Feld. Und da steige ich völlig aus der Diskussion aus, da bin ich nur noch fassungslos. Denn dieser Generationenvergleich hinkt an so vielen Stellen, dass mir schwindlig wird, wenn ich anfangen soll den aufzudröseln. Und ehrlich: Wenn Eure Waschmaschine kaputt ist, dann hilft es Euch auch sehr, wenn jemand sagt: „Stell Dich nicht so an, geh halt an die Donau mit dem Waschbrett, so wie früher. Die Leute haben das auch geschafft.“ Und das schau ich mir dann an. 

Nein, unsere Eltern haben das früher so „super“ geschafft, weil auch ihnen schon vermittelt wurde – und ihnen noch viel mehr: Gejammert wird nicht! Die Kriegs- und Nachkriegsgeneration durfte nicht jammern. Da hatte man dankbar zu sein für alles, was man hatte und mehr sollte man sich um Himmels Willen nicht einbilden. Und nein, die haben das eben nicht super geschafft. Die hatten genauso wenig Unterstützung von der Gesellschaft. Die waren genauso fertig und sind es oft heute noch. Und so bin ich aufgewachsen in einer Welt, in der man schließlich gemacht hat, was zu machen war. So, wie es verlangt war. Ohne zu jammern. Unsere Eltern waren auch immer so super glücklich und entspannt dabei, gell?

Und heute habe ICH ein Problem damit mal NICHTS zu tun, mal die Füße hoch zu legen und mir zu erlauben ein Buch zu lesen, anstatt das Bad zu putzen. Und ja, wenn ich dann ins Bad komme, dann finde ich das auch nicht schön und so bin ich in einem ständigen Konflikt mit mir selbst. Aber vor allem in einem mit meinem inneren Antrieb, der da – aus der Vorgeneration infiltriert – immer sagt: „Es gibt noch was zu tun, sei nicht so faul!“ Und ich mache natürlich immer weiter. Warum? Weil ich meine Kinder liebe. Weil ich keine Erklärung brauche, warum ich sie bekommen habe. Und weil ich dafür nichts zurückhaben will und keine Rechnung stelle. Aber was ich endlich GOTTVERDAMMTENDLICH nochmal will ist, dass eine Mutter sagen darf: Ich kann nicht mehr. Das ist zu viel. Ich bin fertig. Ich bin am Ende. Und Väter übrigens auch. Und dass wir endlich endlich endlich begreifen: Wir sind genug. Denn in dieser Gesellschaft sind wir nie genug. Zu wenig im Job, weil ständig mit den Kindern daheim. Zu wenig bei den Kindern, weil wir müssen ja unbedingt arbeiten gehen. Zu wenig für Freunde da, weil wir schon wieder zu müde sind für einen Abend unterwegs. Weil alle da draußen immer nur denken: Sie sind ja Eltern geworden, sie haben das ja so gewollt. Sollen sie mal nicht jammern. 

Dabei ist es einfach verdammt viel, was wir machen und leisten. Vieles und noch viel mehr, was aber da draußen die nicht sehen, die uns kopfschüttelnd beobachten, wenn das Kind im Supermarkt aber WILL WILL WILL brüllt. Und weil wir jetzt, zu Coronazeiten, einfach komplett überfordert sind. Weil wir eben noch viel mehr leisten, rund um die Uhr leisten, wenn Schulen, Kindergärten und Spielplätze gesperrt sind. Und jetzt, wo alles nach und nach gelockert wird und sich niemand mehr auskennt, wer was wann wo darf und was nicht und welche Regeln wo gelten und auf jede und jeden mit dem Finger gezeigt werden, die es anders und nicht regelkonform machen, da ist man noch viel mehr am Sand.

Und warum das so wichtig ist, dass wir als Eltern mal sagen wollen, dass wir nicht mehr können, ohne gleich die moralische Keule im Gesicht zu spüren? Weil wir total zusammenbrechen, wenn wir uns das selbst nicht eingestehen dürfen. Wenn wir immer den „Muss ja“ Teufel im Nacken sitzen haben. Der macht uns fertig. Aber so richtig. Die Gesellschaft macht uns fertig. Denn die sieht nicht, die fordert nur. 

Ich sag’s Euch, ich kann nicht mehr. Corona macht mich auf so vielen Eben fertig. Ich weiß nicht, wie die Schule wird nächste Woche, wie sich Miniklein im Kindergarten tut, in dem so vieles jetzt anders sein wird als vorher. Ich muss arbeiten gehen und dort zusehen, dass ich Sollen und Müssen gut schaffe, während der Kopf unter ständiger Anspannung steht. Weil normal funktionieren in diesen Zeiten einfach eine ganz andere Liga ist. Ich weiß nicht, wie der Sommer wird, der 9 Wochen lang fragt: „Was machen wir heute schönes bei 39Grad in der Stadt?“. Ich weiß nicht, wie der Schulstart im Gymnasium für den Großen wird, weil sowas ohne Corona schon irre ist. Abgesehen von der Mental Load, weil hier die Kinder auch mal zum Zahnarzt, zum Augenarzt müssen, ständig neue Schuhe, Jacken und Hosen brauchen und momentan jeder Ausflug ein logistisches Kleinunternehmen darstellt.

Ich kann nur mit diesem Strom schwimmen und Tag für Tag, Woche für Woche neu eintauchen. Ich habe zum Glück Ressourcen gefunden, die mir dabei helfen. Aber wenn ich nicht vorsichtig bin und wenn ich mir nicht immer wieder sage: ich darf müde sein. Ich darf heute genervt sein. – dann kann ich nicht mehr weiter machen.

Also hört auf Eltern zu fragen, warum sie denn Kinder bekommen haben, wenn sie jetzt so überlastet sind. Lasst Eltern auch mal erschöpft sein und steigt vielleicht selbst mal aus dem „Immer nur Müssen“ Zug aus. Der tut nämlich niemandem gut. Unser Job hier ist mindestens so systemrelevant wie der von LehrerInnen und Pflegepersonal und SupermarktmitarbeiterInnen. Wir sind nämlich oft alles in einer Person. Danke!

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Eva

    Du bringst es auf den Punkt. Danke!

  2. Eva Charlotte

    Hey

    ich versteh dich. Mir geht es so oft so. Und dann ist noch die Sache mit dem schlechten Gewissen. Wenn ich mal stark schimpfe, keine Geduld habe oder zum x-ten mal Spaghetti koche, weil ich einfach nicht mehr machen mag.

    In dieser Corona-Zeit hab ich zu allen immer gesagt, wir haben es gut. Denn ich bin Kindergärtnerin und mein Job fiel auch aus.
    Aber für die Familie in denen Kinder zu Hause sind und noch beide Homeoffice machen müssen(oder sonst arbeiten) für diese ist das die totale Überforderung. Das ist nicht machbar.
    Ich bin froh, sind bei uns in der Schweiz seit einer Woche die Schulen wieder offen. Denn sonst wäre wohl nicht die Krankheit Corona das grösste Problem geworden sondern die psychischen Krankheiten. Burnout bei Müttern. Das gibt es ja sonst schon und es wird leider oft belächelt. Doch die Massnahmen der Staaten (auch wenn sie verständlich sind) haben das noch sehr, sehr, sehr verschärft.
    Bitte holt euch Hilfe, wenn ihr ansteht. Auch wenn es eigentlich nicht ganz korrekt ist. Doch wenn ihr zusammenbrecht und gar nicht mehr könnt, dann nützt es niemanden.

    Das gleiche gilt meiner Meinung nach für alle Menschen. Dabei denke ich vorallem auch an Alleinstehende. Meine Freundin lebt allein in ihrer Wohnung. Und nun musste sie auch noch Homeoffice machen und Freunde besuchen war auch nicht ok. Sie kam bei uns zweimal im Garten vorbei, einfach weil es nötig war. Gegen die Vereinsamung. Gegen die Depression. Für die Menschen.
    Neben den körperlichen Krankheiten wie Corona darf man nicht vergessen, dass auch psychische Krankheiten ernst zu nehmen sind.

    Schaut gut zu euch selbst.

    Liebe Grüsse Eva

  3. Ina

    Danke für diese wahren Worte!

Schreibe einen Kommentar