Viele glauben ja, dass Kindererziehung ungefähr mit dem 1. Geburtstag beginnt. Wenn das Kind den eigenen Willen entwickelt, mehr und mehr austestet, die sogenannte Trotzphase anläuft. Und ja, das erste Jahr ist geprägt vom Stillen, Kennenlernen, Schlafmangel und all den Phasen und Schüben, die die (senso)motorische Entwicklung ausmachen.
Aber Erziehung beginnt meiner Meinung nach viel früher. Nämlich in der Schwangerschaft.
Natürlich heißt das nicht, dass wir, sobald unser Kind laut den entwicklungsbilogischen Aussagen unsere Stimme im Mutterleib vernimmt, ihm Regeln und Grenzen eintrichtern. Das wäre unmöglicher Wahnsinn. Es bedeutet viel mehr die Auseinandersetzung mit dem, was auf uns zukommt. Als zukünftige Eltern. Aber auch als Mensch. Als (Ehe)partnerIn. Als Frau. Als Mann.
Nun kann ich in einer Schwangerschaft zwar keine Situationen wirklich realitätsgetreu durchspielen oder planen – und das soll ich auch gar nicht – aber ich kann mir überlegen, was mir wirklich wichtig ist. Für mich und mein Kind. Ich kann mir eine Basis schaffen, auf der ich sicher und geerdet stehe, wenn meine Welt sich wandelt. Und das wird sie.
Und wenn ich als schwangere Frau dies mit meinem Partner gemeinsam mache und die Hintergründe seiner Erziehung mit denen meiner auf den Tisch lege, um daraus einen gemeinsamen Weg zu stricken, habe ich damit Arbeit und Überlegungen geleistet, die mir später sowieso blühen. Nur bin ich dann vielleicht gerade übermüdet, genervt und frustriert.
Aus welchen Gründen und wie auch immer wir unsere Partner kennengelernt, behalten und als Vater bzw. Mutter unserer Kinder gewählt haben, ist für die nächste Zeit nebensächlich. Denn sicher ist, dass wir alle aus unterschiedlichen Kreisen, Traditionen und Kulturen kommen. Diese haben uns unwillkürlich geprägt und wir stehen nun davor, sie bewusst oder unbewusst weiterzugeben – an unsere Kinder. Es ist also besonders hilfreich zu überlegen: Was will ich weitergeben? Und was auf keinen Fall? Und oben drauf zu fragen: Warum das ja und das nicht?
Dabei erfahren wir auch Dinge über unsere/n Partner/in, die essentiell sein werden für die gemeinsame Begleitung unserer Kinder ins Leben.
Die Auseinandersetzung mit unserer Kindheit kommt als Mutter oder Vater früher oder später sowieso. Je eher ich mich ihr stelle, umso stärker kann ich ihr begegnen. Denn Stärke ist es, was es braucht dazu. Und Offenheit für Veränderung. Veränderung in mir und in meinem Leben. Veränderung, die ich zulasse und dankbar annehme.
Grundsätzlich ziehe ich dem Wort Erziehung das Wort Begleitung vor. Denn unter Erziehung verstehen wir allzu häufig das Zurechtzupfen unserer Kinder, damit sie einem Bild, das die Gesellschaft von ihnen hat, entsprechen. Oder auch nicht. Viel wichtiger ist es meiner Meinung nach jedoch, dass wir einen gemeinsamen Weg mit unseren Kindern finden und gehen. Ihnen Dinge vorleben, statt sie zu vermitteln und an den Stellen, an denen sie nicht weiterwissen, hilfrechend unterstützen. Begleiten heißt nicht, den Weg vorzugeben, sondern auch einmal vom Kind geleitet abzubiegen, und neues zu erfahren. Wenn wir uns all dessen bewusst sind, ist es zwar noch lange nicht alles immer einfach, aber klarer und etwas leichtfüssiger.
In meiner Begleitung werdender Eltern werde ich Euch darauf sensibilisieren. Damit ihr gemeinsam wachsen könnt. Gemeinsam vor allem eins werdet – eine Familie.
Was hättet Ihr Euch gewünscht, schon vor der Geburt gewusst zu haben ? Wovon hättet Ihr gern früher gehört? Und womit habt Ihr Euch beschäftigt und im Nachhinein bemerkt, dass es unnötig war ?