Vom Puzzeln und Loslassen

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Ich puzzle mit Leidenschaft und Hingabe. Ein Puzzle unter 1000 Teilen ist für mich keine Herausforderung. Ich liebe es Teil für Teil ein Bild zu gestalten. Nur bei der Auswahl des Bildes bin ich. sehr kritisch. Die weichgezeichneten Landschaften von Ravensburger sind für mich ein langweiliger Alptraum. Ich liebe es speziell und besonders herausfordernd. So wie diesen Buddha, den ich in den letzten Monaten gepuzzelt habe.

Ich weiß gar nicht mehr, wann ich angefangen habe. Er lag dann jedenfalls lange Zeit auf dem Schrank herum, weil ich nicht weiterkam und das Tageslicht nicht ausreichend war. Wenn es in Wien nur bewölkt ist, habe ich im Wohnzimmer nicht genug Helligkeit für die dunklen Teile. Und dieses Puzzle hatte es wirklich in sich. Aber Aufgeben gilt für mich nicht. Und ich habe während des Puzzelns schöne Vergleiche zum Leben gefunden.

Es hilft immer mal wieder Distanz zu schaffen. Wenn ich kein Teil mehr finde und nur mehr wahllos in der Kiste wühle, weiß ich, dass es Zeit ist eine Pause zu machen. Dann hilft es, das Puzzle ruhen zu lassen. Meistens finde ich beim nächsten Anlauf sofort ein Teil, was passt und was mir ewig vor der Nase herum lag. Darüber muss ich immer wieder lachen.

Es gibt viele Teile, die absolut nicht dort passen wollen, wo sie doch hinsollen. Erst, wenn man auch hier Distanz schafft, landen sie irgendwann wie von allein an ihrem Platz.

Ist es im Leben nicht genauso? Es hilft immer, Probleme und Sorgen beiseite zu legen und den Kopf etwas anderem zuzuwenden. Ein Spaziergang im Freien lüftet das Gehirn ordentlich. Hauptsache weg vom Thema. Dann kann man sich oft mit ganz neuen Blickwinkeln wieder neu zuwenden.

Gegen Ende muss ich ein Puzzle immer streicheln nach jedem frisch platzierten Teil. Die Haptik dieses wachsenden Gebildes fasziniert mich. Im Endspurt muss ich mich dann oft bremsen wie bei einem guten Buch, von dem man nicht will, dass es aus ist. Aber man will ja das Ende lesen. Und dann ist der Moment da, das letzte Teil fällt wie von allein an seinen Platz und es ist vollbracht.

Den Buddha hatte ich noch eine Woche hier liegen. Aber er wird ja nur staubig und dreckig und das nächste Puzzle lärmt schon im Karton und will hinaus. Also kam der Moment, den ich immer hinauszögere: Die Zerstörung des vollbrachten Werkes. Einmal habe ich ein Puzzle in einen Rahmen gegeben und aufgehängt, aber so richtig hat mir das nicht gefallen. Es ist ja viel mehr der Prozess, was solche Freude bereitet. Und den sollte man ausgiebig genießen. Mit schöner Musik, einer Tasse Kaffee oder Tee dabei… Und dann kommt das Loslassen. Das Loslassen, das uns als Menschen oft so schwer fällt. Wir wollen nichts loslassen. Keine lieben Menschen, keine Gegenstände, keine wunderschönen Momente. Wir halten an allem fest und haben Angst, dass danach etwas fehlt. Bei lieben Menschen stimmt das oft auch. Aber was bleibt ist die Erinnerung. Und die trägt uns durchs Jetzt.

Es tut gut, loszulassen. Es schafft Freiheit und Raum. In den Schränken und Regalen schafft es Platz. Im Kopf schafft es Raum. Und im Herzen schafft es die Möglichkeit für einen neuen Takt. Wir dürfen uns viel öfter trauen loszulassen und dem Leben zu vertrauen. Viel mehr dürfen wir den Moment genießen. Genau jetzt. Hier.

Alles ist in bester Ordnung, jetzt.

Wenn ich diesen Satz sage, dann ist alles in Ordnung. Dann ist die Wurzelbehandlung von vor zwei Stunden irrelevant. Dann spielt nichts eine Rolle. Und es ist egal, was noch zu tun ist. Hier, in diesem Jetzt, ist alles in Ordnung und ich tippe die Buchstaben in die Tastatur. Sie fließen heute aus mir heraus und das macht mir Freude. Alles ist gut. Das ist nur möglich, wenn ich loslasse. Die Gedanken an gestern und an morgen. An vorher und später. Es ist alles gut. Jetzt.

Und dann freue ich mich auf das neue Puzzle. Habt ein schönes Wochenende Ihr Lieben! Genießt die Zeit, denkt nicht an den Montag oder was blöd war diese Woche. Denkt daran, was gerade schön ist. Wofür Ihr dankbar sein könnt im Leben. Dann ist alles in bester Ordnung.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Ines

    Hallo Nadine, auch wir puzzeln gerade, zumeist meine große Tochter und ich. Manchmal kommt ein anderes Familienmitglied dazu und sucht auch nach einem Teil. Wir puzzeln das „Labyrinth“ von Remember. Ich hatte es mal dem Mann meiner Freundin geschenkt, aber nach dem Rand haben sie genervt aufgegeben, weil es doch sehr zeitaufwendig und an den Nerven zerrend ist. Nun haben meine Tochter und ich uns daran gewagt, ein grosser Ansporn war natürlich erstmal, weiter zu kommen als meine Freundin und ihr Mann :-). Aber dann hatten wir soviel Spaß, Lachkrämpfe aus Verzweiflung und haben gemerkt wie sehr uns dieses gemeinsame (in diesem Fall) „wahnsinnige Tun“ Freude bereitet. Wir haben eine Taktik ausgearbeitet und schon viele Stunden gemeinsam auf dem Wohnzimmerboden verbracht….und bald ist es soweit und wir sind am Ende angekommen….! Das nächste Puzzle haben wir schon ausgesucht :-)

    P.S.: obwohl ich auch keine gerahmten Puzzle mag, überlegen wir hier trotzdem dieses aufzukleben (zum Einen, damit niemand mehr so leiden muss :-), zum Anderen, weil diese Erinnerung und diese Momente in einen Rahmen gehören, die (wenn man das Bild sieht)immer wieder aufflammen :-)
    Liebe Grüße aus Tübingen
    Ines

    1. buntraum

      Liebe Ines, das klingt ja sehr hervorragend. Diese Momente sind so zauberhaft, oder? Und sie mit diesem Puzzle einzurahmen ist irgendwie eine schöne Idee! Danke fürs Teilhaben lassen, alles Liebe! Nadine

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