In Wien geht gerade das Buhlen um Krippen- und Kindergartenplätze in die letzte Runde. Die Zu- und Absagen der Stadt Wien fliegen in die Briefkästen und dementsprechend werden private Einrichtungen besichtigt und unter die Lupe genommen. Die große Frage dabei ist ja – worauf achte ich bei so einer Besichtigung?
Wir selbst haben die damalige Krippe von Herrn Klein nicht besichtigt. Über eine Freundin, die diese Krippe leitete, sind wir dort überhaupt nur hineingekommen und das direkt nach der Eröffnung. Es gab von daher gar keine wirkliche Möglichkeit für eine Besichtigung der Einrichtung „im Betrieb“. Und selbst wenn, viele Dinge fand ich dort einfach so unsagbar toll, dass mir das Wesentliche, das, was gefehlt hat, gar nicht aufgefallen wäre. Und schon gar nicht die Auswirkung dessen. Deshalb möchte ich es hier besonders betonen.
Was es in dieser Montessori Krippe nicht gab, war freies, offenes Spielmaterial.
Der Raum war hell und ordentlich. Sehr übersichtlich und die Regale nicht vollgestopft mit Spielzeug, was ich sehr ansprechend fand. Die Wände waren leer, alles nur bis zur Höhe der Kinder bestückt. Darüber Ruhe in Weiß. Es gab eine Treppe zum Klettern und einen freien Bereich für den Morgenkreis. Eine Leseecke mit Sofa und einen Küchenbereich mit Abwäsche und Geschirrschränken auf Höhe der Kinder. Einen Tisch mit Papier und Stiften.
In den Regalen standen fein säuberlich „Materialien“:
– Eine Dose mit Schlitz und eine Schale mit Knöpfen daneben – Ziel: Knöpfe in die Dose
– Ein Tablett mit 4 Korken, 4 Gläschen und einer Zuckerzange – Ziel: Mit der Zange die Korken in die Gläschen stecken
– eine Schale mit Tieren und zugehörige Bilder der Tiere – Ziel: Zuordnung
… und so weiter und so fort. Alles hatte ein klares Ziel, einen didaktischen Hintergrund. Aber keine dieser Materialien lud zum freien Experimentieren ein. Alles hatte seine Grenzen. Noch schlimmer: wenn diese überschritten wurden, wurde das Material von der Pädagogin weggeräumt (so z.B. als die Spardose in Form eines London Bus tatsächlich als BUS und nicht als Spardose verwendet wurde).
Aber gerade für Kinder im Alter von 0-3 ist das freie Spiel mit offenem Material so wichtig. Sie wollen erforschen und experimentieren. Sie wollen Bauen, Sammeln, Stapeln, Reihen etc.
Die Anfangsformen des Bauens: etwas auf einen Gegenstand „drauftun“, wiederholtes Aufstellen, Ordnen in Gruppen und Reihen und Ineinander- oder Übereinanderschieben, beobachten, wir natürlich nur dann beim Spiel des Kindes, wenn es in seiner Umgebung die dazu nötigen Gegenstände findet. Es ist ganz verschiedene, welche Variante das Kind zuerst entdeckt und wie die Entdeckungen aufeinander folgen. Auch gibt es individuelle Unterschiede, welches Kind dieses oder jenes Spiel besonders gern hat und häufiger wiederholt.
Diese Art der Betätigung ist etwa bis zum dritten Lebensjahr charakteristisch. Aber auch das ältere, reifere Kind kehrt zeitweise zu vertrauten Spielformen zurück oder bezieht sie in sein weiter entwickeltes Siel mit ein: stellt Kegel in eine Reihe und teilt nach einer Weile mit: „Das ist ein Zaun.“ (Aus „Von den Anfängen des freien Spiels“, Éva Kálló und Györgyi Balog)
Hier ein paar Beispiele für offenes Material:
Bausteine
Körbe & Schüsseln
Ringe und Scheiben
Autos & Züge
Übersehen wir nicht: Spielsachen, die wir Kindern in die Hand geben, kommen Spielvorschlägen gleich; und je komplizierter diese sind, umso eher machen wir die Kinder von uns abhängig. (Anke Zinser in „Von den Anfängen des freien Spiels“)
„Übersehen wir nicht: Spielsachen, die wir Kindern in die Hand geben, kommen Spielvorschlägen gleich; und je komplizierter diese sind, umso eher machen wir die Kinder von uns abhängig. (Anke Zinser in “Von den Anfängen des freien Spiels”)“
Wie wohltuend für mich als alleinerziehende dieser Satz doch ist. Denn oftmals bekommt man Spielzeug für die Kinder geschenkt, das „altersgerecht“ ist aber nicht ohne Betreuung gespielt werden kann. Jemand muss etwas vorlesen, auf die Einhaltung von Regeln achten oder erklären, was gemacht werden soll.
Bravo!
Wieder ein Spiel, bei dem ich mit dem einen Kind spiele und das andere entweder ruhig stellen oder mitspielen lassen muss, obwohl es davon überfordert ist. Frustrierend für uns alle drei und ganz und gar nicht im Sinne der großen Tochter, die etwas für sich allein haben will, ohne den kleinen Bruder dazwischenhängen zu haben. Oder auf meine Zeit angewiesen zu sein.
hi Tina,
ja, da trägt die Spielzeugindustrie sehr viel dazu bei. Gerade die vorige Generation weiß heutzutage gar nicht, was sie schenken soll und geht dann ins Geschäft und da is alles brav sortiert nach Alter. Nur leider is das oft etwas hochgegriffen und überfordert die Kinder. Aber mit so banalen Sachen lassen sich die Großeltern ja selten abspeisen, da muss es neu, toll und bunt sein. Und stimmt – aus der Sicht wie Du es beschreibst hab ich es noch gar nicht gesehen. Mühsam.
Sehr wertvolle anregung! Oft ist es ja „gut gemeint“ wenn spielsachen angeschafft werden, mit deren hilfe dieses oder jenes gelernt werden soll. Und leider auch oft begleitet mit anweisungen, lob und korrektur. Schön, wenn sich das verbreitet, dass ins spiel vertieft sein unterstützt werden kann, indem einfache dinge da sind.
Das Gegenteil von gut ist gut gemeint. Ist leider oft so. In vielerlei Hinsicht.