Kürzlich waren wir mit den Kids im Prater. Wer den Wiener Prater nicht kennt: auf der einen Seite ist er Park mit Spielplätzen und Liegewiesen. Auf der anderen Seite lauter, wilder Vergnügungspark. Herr Klein befindet sich nun in einem Alter, in dem er genau weiß, was sich Wundersames hinter dem Grün der Bäume und Wiesen befindet. Für uns als Eltern also Zeit um über die Handhabe eines dauerhaften Vergnügungsparks nachzudenken.
Wir waren uns einig, dass wir nur in den grünen Park wollten, nicht hinüber ins laute Getümmel. Als Herr Klein dann sagte: „Auto fahn gen?“ sagten wir wie aus einem Munde: „Nein. Heute nicht.“ Und das Thema war für ihn abgehakt. Uns muss die Konsequenz dieser Aussage aus den Ohren geschienen haben. Weil es uns wichtig war.
Natürlich ist es nicht immer so leicht. Kinder testen unser Nein. Sie reizen unsere Grenzen wie einen Luftballon bis kurz vorm Platzen. Und ja, manchmal knallts auch einfach.
Die Frage, die wir uns als Eltern wohl immer wieder stellen ist: Wie konsequent muss ich sein? Was darf ich „durchgehen“ lassen?
Wie es scheint, gibt es auch hier wieder keine Formel. Kein schwarz. Kein weiß. Denn nicht nur Kinder sind verschieden – Eltern sind es auch.
Also gilt es erst einmal zu fragen: Was ist mir wichtig? Wo kann ich ein inkonsequentes Verhalten nur schwer akzeptieren? Wo laufe ich Gefahr auszuflippen und unrund zu werden, wenn etwas nicht so läuft, wie ich es für mich brauche? Das ist bei Eltern ganz verschieden. Den einen ist es wichtig, dass das Kind nicht mit Essen durch die Gegend läuft. Andere brauchen eine gewisse Ordnung. Manchen sind gewisse Anstandsregeln enorm wichtig.
Wenn man jedoch gewisse Dinge einfordert und konsequent erzwingt, „damit das Kind es lernt / begreift“ wird man oft unauthentisch. Dann sind wir nämlich von der Gesellschaft oder inneren eingefahrenen Mustern / Vorstellungen getrieben. Oder von dem, was wir glauben, was die Gesellschaft von uns erwartet. Wir kennen das ja sicher alle: Unser Kind kreischt laut, tobt oder tut etwas, was sich „nicht gehört“ in der Öffentlichkeit. Wir überlegen dann oft, ob und wie wir eingreifen sollen, damit die Menschen um uns herum nicht glauben, wir hätten unser Kind nicht „unter Kontrolle“. Dabei vergessen wir gern, dass unter all den Menschen da um uns herum sich a) nur wenige für uns und unser Problem interessieren und es b) auch Menschen gibt, die mit uns sympathisieren. Die selbst Kinder haben oder hatten, mitfühlen und zustimmend lächeln. Und der Rest – ja der sollte in Anbetracht der Tatsache, dass unser Kind uns hier gerade sehr deutlich etwas mitzuteilen versucht, in den dunklen Hintergrund rücken.
Es geht also mal wieder überhaupt nicht darum, was richtig und was falsch ist, sondern darum, was UNS wichtig ist. Was wir wollen und brauchen.
Das klingt jetzt sehr danach, dass wir Großen mal wieder das Zepter in der Hand haben. Dass wir die Macht haben. Im Gegenteil. Wenn wir bereit sind, die Wünsche und das Verhalten unserer Kinder als Anlass zu nehmen uns selbst zu hinterfragen um herauszufinden, was uns wirklich wichtig ist, so werden wir hin und wieder erstaunt feststellen, wie leicht das Leben sein kann, wenn man einfach mal sagt: „Weiß Du, ich dachte immer das wäre ganz wichtig. Dabei ist es mir so egal.“ Und dann darf unser Kind zum Abendessen plötzlich Marmeladenbrote essen und ist glücklich (und obendrein noch satt). Oder es darf – so wie Herr Klein – auf der Straße so laut kreischen wie er will. Weil er es im Haus nicht darf, da halte ich es nicht aus. Aber irgendwo muss er es ja mal rauslassen.
Wie wunderbar. Ich lade Euch ein in den nächsten Tagen bei sämtlichen Situationen, in denen Ihr „maßregelt“ und konsequent erzieht zu hinterfragen – ist es Euch wichtig, oder ist es dem „inneren Euch“, das so erzogen wurde, wichtig? Glaubt Ihr, dass es Eurem Zusammenleben schadet, wenn die Situation heute einmal anders läuft? Dabei lernen wir uns selbst wieder ein Stück besser kennen.
Gleichzeitig werdet Ihr sehen, wie viel „Nein!“ und „Ich will das nicht!“ immer noch übrig bleibt… Genug, um unsere Kinder an die Grenzen ihrer Geduld zu bringen. Aber wenn wir klar sind, wenn uns etwas wirklich wichtig ist und wir uns eingestehen, dass wir es anders nicht akzeptieren können, dann wird es auch unseren Kindern leichter fallen, zu akzeptieren und zu kooperieren.
Aber hier noch eine kleine Herausforderung. Konsequenz ist keine Einbahnstraße. Ein Beispiel: Gestern Abend rutschte Herr Klein vom Hocker im Bad auf den Badewannenrand. Ich neige zu dem Visualisieren von unmöglichen Stürzen und Unfällen, vor allem, seitdem er mit Gipsarm durch die Welt spaziert. Also sagte ich ihm, er soll sich nicht auf den Wannenrand setzen, weil das gefährlich ist. Weil er nicht gleich reagierte, schob ich ihn wieder vor auf den Hocker. Danach setzte ich mich neben ihn. Auf den Wannenrand… Nun ist er schon in einem Alter, in dem er solche Situationen sehr leicht entdeckt und rief: „Mama, Du auch nicht!“
Hier hätte ich „die Große“, die so etwas darf, spielen können. Ich kann aber auch in meinem gesamten Verhalten konsequent sein. Und so habe ich mich vor ihn auf den Boden gehockt. So wie ich auch ein „Nein!“ von ihm akzeptiere. Dann schneiden wir die Fingernägel eben morgen, dann fahre ich mit der Holzeisenbahn in die Richtung, statt in die und setze mich zum Frühstück auf den Stuhl links von ihm, statt rechts.
Es ist ein stetiges Lernen. Ein stetiges Wachsen und Werden. Ohne richtig oder falsch. Und es macht Freude, wenn wir bereit sind, uns darauf, auf unsere Kinder und auf uns selbst einzulassen.