Heute gibt es mal wieder eine Folge Hausgeplauder hier auf dem Blog. Es freut mich, dass die Resonanz auf das Buch meiner Nachbarin Barbara so groß ist. Zum einen, weil ich gesehen habe welche Arbeit sie da hineingesteckt hat neben ihrer Familie und zum anderen, weil das Leben in so einem Haus wirklich besonders ist und ich mir wünschen würde, dass es mehr solche Häuser gibt.
Ich hatte Euch gebeten mir Eure Gedanken und Fragen zu schreiben, die Ihr im Kopf habt, wenn es um das Thema Leben in Gemeinschaft geht. Da kamen einige spannende Fragen, aber eine hat sich besonders immer wieder gezeigt: Die Frage nach wieviel Gemeinschaft so ein Haus bedeutet, wie viel man davon erträgt, wie viel gut ist, wie viel sein muss. Natürlich ist das ein Thema, das sehr schnell angerissen wird, wenn wir erzählen, wie und wo wir wohnen.
Tatsächlich ist es hier im Haus so, dass man sich nicht wirklich an der Gemeinschaft beteiligen MUSS. Das heißt: Es gibt keine Verpflichtungen mit Kontrollorgan, keine Konsequenzen, wenn sich jemand so gar nicht einbringt, an gemeinschaftlichen Aktivitäten kaum Teil nimmt und somit natürlich wie ein Einsiedler lebt in dieser Gemeinschaft. Aber das sind zum einen ganz einzelne Einzelfälle, zum anderen entspricht das nicht unseren Wünschen und Erwartungen. Denn die sind schon vorhanden, nur eben kein Zwang. Ich muss dazu sagen, dass es definitiv zu Unmut im haus kommt, wenn jemand so gar nichts beiträgt, das fällt schon auf und wird zur Kenntnis genommen. Aber die Tatsache, dass wir keinerlei Konsequenzen ziehen, weil niemand so recht weiß, wie das funktionieren sollte unabhängig von Gesprächen, die geführt werden, zeigt, wie schwierig das Thema ist.
Während unserer Aufnahmegespräche damals mit potentiellen neuen Nachbar*innen war das Thema Gemeinschaft ein sehr großes, wir wollten sicher gehen, dass niemand hier einzieht, der nur das „Gute und Schöne“ konsumieren will, die tollen Gemeinschaftsräume nutzen, in einem schönen Haus wohnen, gesicherte Miete wissen, von der Gemeinschaft profitieren. Was wir uns hingegen wünschen sind Menschen, die all das zu schätzen wissen und die zur Gemeinschaft etwas beitragen. Das muss nicht immer im Mittelpunkt sein, das kann auch einfach das Mähen der Rasenflächen auf dem Dach sein oder die Organisation von gemeinschaftlichen Aktivitäten im Hintergrund, ohne an diesen selbst teilzunehmen. Früher waren dafür 11h im Monat veranschlagt. Weil das Stundenschreiben aber ein kontrovers diskutiertes Thema ist, weil es für die einen lästig, für die anderen bürokratisch und für die nächsten doch transparent ist, durchlaufen wir gerade Testphasen im Nichtschreiben von Stunden. Dennoch gibt es hier im Haus viele Aufgaben, die erledigt gehören und irgendwie werden die auch getan. Weil eben doch der Großteil der Gruppe gern etwas beiträgt.
Aber ich schweife ab in das Thema Stundenbeitrag und Arbeit im Haus. Es ging um die Gemeinschaft.
Ich bin da womöglich ein ganz gutes Beispiel. Ich liebe es in diesem Haus zu leben, ich bin viel im Haus unterwegs und beteilige mich an vielen Arbeitsgruppen und Aktivitäten. Aber manchmal, ja manchmal mache ich die Tür zu und bewusst nicht mehr auf. Da halte ich inne, wenn es klopft. Da sperren wir abends die Tür zu, also so richtig, mit Schlüssel, denn wir haben nur eine Klinke und manche Nachbar*innen treten ein nach dem Klopfen. Was ich prinzipiell gut finde, weil ich so nicht so oft aufspringen muss. Herrje, was wäre ich für ein Stehaufmännchen, wenn ich jedes Mal, wenn die Kinder ein- und auslaufen zur Tür rennen müsste! Und wenn ich nachmittags stillend auf dem Sofa sitze, freue ich mich auch, wenn die Nachbarn nach dem Klopfen einfach eintreten. Als Ausgleich für diese Gemütlichkeit muss ich eben zusperren, wenn ich das nicht will.
Es gibt da auch diese monatlichen Großgruppentreffen, das sind quasi Vereinstreffen, wo die aktuellen Themen aus den Arbeitsgruppen präsentiert werden und wesentliches abgestimmt wird. Das ist ganz fein und gut. Danach gibt es meist ein gemeinsames Mittagessen. Und an dem Punkt bin ich oft raus. Das ist mir zu viel. Da bin ich irgendwo zwischen der Mutter, die ihre Kinder im Auge behalten muss unter all den anderen Kindern, schauen, dass sie was essen und kriegen, was sie brauchen und der Nachbarin, die sich in Gesprächen verliert, hier und da zuhört, mitquatscht, lacht und beiläufig Arbeitsaufträge organisiert. Und die dazwischen auch selbst noch was essen muss, damit sie nicht umkippt. Da raucht mir der Kopf, da zirpt es im Ohr. Da muss ich raus, schnellstens. Ach, was genieße ich da die Ruhe in der Wohnung.
Einmal im Jahr gibt es ein Gemeinschaftswochenende. Da fährt das ganze Haus gemeinschaftlich in eine Jugendherberge und verbringt Zeit gemeinsam und in Workshops. Das ist für mich unpackbar. Das ist mir zu viel auf einmal, zu viele Menschen, zu viel Treiben. Allein der Gedanke an die Busfahrt bereitet mir Schwindel. Aber das gute ist: All das ist okay. Ich muss nicht mit. Klar fragen die anderen, warum ich nicht mitfahre, zumal der Liepste mit den zwei Großen mitfährt. Ich erkläre das und es ist okay. Ich bin da auch nicht allein, definitiv in der Minderheit, aber nicht allein. Und dafür schätze ich das Haus. Es gibt kein wirkliches Müssen, nur dürfen und wollen.
Viele abendlichen Aktivitäten sind spontan. Da gibt es manchmal Einladungen an alle „Spontanes Grillen am Dach“ oder man lädt nur ein, wem man gerade so begegnet oder wer einem in den Sinn kommt. Das gefällt mir am besten. Das genieße ich, das ist für mich wie fortgehen mit Babyphone.
Ich bin auch im Kochradl für den Mittagstisch, der jeden Wochentag stattfindet. Das heißt ich koche regelmässig einmal im Monat und kann dafür jeden Tag mitessen. Aber das tue ich nicht, weil ich nicht jeden Tag zum Mittag das Bedürfnis nach Menschenkontakt habe. Diese losen Möglichkeiten sind es, die ich hier so schätze.
Und so verlasse ich manchmal bewusst die Wohnung in der Hoffnung, jemandem zu begegnen. Und manchmal, da hadere ich zwischen Stiegenhaus und Lift, weil ich so unbedingt gar niemanden sehen will. Dass hier beides erlaubt ist, beides respektiert wird – das finde ich toll. Das macht es hier noch lebenswerter.
Hier nochmal der Link zum Buch: „Siebenstockdorf – Wohnexperimente für eine bessere Zukunft“