Biblio 13/13 – Geboren in Bozen

Bildschirmfoto 2013-11-29 um 08.16.27Ich habe es heuer nicht geschafft viele Bücher aus dem Genre Belletristik zu lesen. Und die, die ich begonnen habe, waren nicht wirkliche Lesefreude. Leider. Aber zum Glück kam jetzt endlich das erste Buch von Heide Siller als ebook heraus. Und ich habe mal wieder erleben können, wie es sich anfühlt, wenn man abends einfach nicht aufhören will zu lesen.

Die Geschichte ist eigentlich sehr bedrückend. Umso mitreißender der tagebuchartige Schreibstil von Heidi. Und ihre Bilder, die sie malt um ehrlich und direkt auszudrücken, wie es ihr wirklich ging. In den wenigen Tagen vor der Frühgeburt ihres Sohnes und all den langen und zähen Wochen danach.

Helena und Michael wollen vor der Geburt ihres ersten Kindes eine letzte Reise zu zweit genießen, die sie von Wien in seine Heimat Südtirol führt. Nach einer turbulenten Fahrt, die einen Unfall und einen Handtaschenraub inkludiert, setzen bei Helena überraschend mehr als drei Monate zu früh die Wehen ein. Sie wird mit dem Rettungshubschrauber nach Bozen ins Perinatalzentrum geflogen und muss strenge Bettruhe einhalten. Ihr Sohn darf noch nicht zur Welt kommen, er befindet sich an der Grenze zur Lebensfähigkeit. Das Unvermeidliche kann immerhin eine Woche hinausgezögert werden, dann erblickt Arthur als Extremfrühgeburt in der 25. Schwangerschaftswoche mit nur 900 Gramm Gewicht, 36 cm Körpergröße und nicht ausgereiften Lungen das Licht der Welt. Was folgt ist ein wochenlanger Überlebenskampf, der sowohl Kind als auch Eltern täglich aufs neue an ihre Grenzen führt…

Das Buch hat mich fasziniert, weil ich selbst Mutter bin und weiß, wie die Angst während der Schwangerschaft natürlich immer irgendwo mitschwingt. Und weil ich bei Herrn Klein eine Woche im Krankenhaus landete mit eben dieser Angst vor einer viel zu frühen Frühgeburt. Aber ich hatte Glück, Herr Klein blieb in meinem Bauch bis 5 Tage vor dem eigentlichen Geburtstermin.

„Arthur war noch so winzig, erst wenige Wochen alt, noch nicht einmal zwei Kilogramm schwer, ich hatte ihn bisher noch nie in meinen Armen halten dürfen und dennoch war er ein vollständiger Mensch, mit unzähligen Anlagen, die er in der Zukunft entwickeln würde, und ich hatte so ein Gefühl, manches schon erahnen zu können, von der Person, die er einmal sein könnte.

Es war so, als ginge man an einer Baugrube vorbei, aus der eine riesige Menge an Erdreich ausgehoben worden war, daneben stünden Baumaterialien und ein paar Fahrzeuge, aber sonst nichts. Wenn man sich ganz viel Mühe gibt, so kann an sich vorstellen, was hier entstehen würde, wie sehr sich diese Gegend in wenigen Monaten verändern und wie viel Leben hier einmal herrschen würde. Wenn man keine Phantasie hat, dann sieht man nur jede Menge Schutt.“ (Heidi Siller, Geboren in Bozen)

Das Buch hat mich aber noch an einer ganz anderen Stelle berührt. Wir haben Herrn Klein durch seine Herz OP begleitet. Diese langen 7h, die er im OP lag und wir durch Wien wanderten. Ziellos und nicht von dieser Welt. Die langen Tage danach, an denen wir ihn nur besuchen, aber nicht wirklich für ihn da sein durften. All das erleben Helena und Michael nicht nur stunden- und tagelang, sondern wochenlang. Die Angst als ständiger Begleiter. Die Versuche, dennoch ein Leben zu führen. Immer wieder Energie, Kraft und Mut suchen, wenn man eigentlich nur noch liegen und weinen möchte. Dieses hilflose Zusehen aber Nichts-Tun-Können.

Ich ziehe den Hut vor den Beiden für diese Erfahrung, die sie machen mussten. Und vor Helena für die Worte, die sie gefunden hat, all das für sich, für ihre Familie und für alle anderen aufzuschreiben. Danke!

 

– erhältlich ist das Buch hier und mittlerweile auch auf amazon.de

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– Heidis Blog: blog.lei.at

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