Beobachten

IMG_5202Magda Gerber schreibt in ihrem Buch „Dein Baby zeigt Dir den Weg“ am Anfang:
„Erfreuen Sie sich mehr an Ihrem Baby, arbeiten Sie weniger“ – Die etwas holprige Übersetzung für: „Observe more, do less, enjoy most.“ 
Damit meinte sie vor allem, anstatt mit dem Säugling / Kleinkind zu spielen, es zu unterhalten solle man sich zu ihm zu setzen und beobachten. Es kennenlernen und wahrnehmen „Was kann mein Kind? Wo steht es gerade? Womit beschäftigt es sich?“

Diese Art von Beobachtung wird vor allem in den Piklerspielräumen praktiziert. In dem die Eltern dazu eingeladen werden, sich am Rand sitzend ruhig mit aller Aufmerksamkeit dem Kind zu widmen. Wortlos. Ohne Handlung. Einfach da sein und zuschauen. Die Welt rundherum ausschalten. Beobachten. Etwas, was uns daheim oft so schwer fällt.

Dabei gilt es auch zu der Einstellung zu gelangen, zu sehen, was das Kind gerade kann und tut anstatt immer wieder zu schauen „Was kommt als nächstes?“ und „Wann kann es das?“ Den Vergleich zu Normtabellen und anderen Kindern im gleichen Alter abzustellen und ganz beim eigenen Kind zu bleiben.

Ich habe allerdings im Laufe der letzten Monate gelernt, dass dieses Beobachten nicht nur hinsichtlich der Entwicklungsschritte hilfreich und bereichernd sein kann. Sondern auch, wenn wir gegen den Baum gefahren sind. Wenn wir irgendwo anstehen und nicht weiter wissen. Dann ist es gut innezuhalten und zu beobachten. Den Film anhalten und aus der Leinwand heraustreten. Wenn wir uns unter die Zuschauer mischen und die Situationen, die uns so schwierig erscheinen, einmal von außen beobachten, erkennen wir oft, wo wir falsch abgebogen sind. Welche Türen wir nicht wahrgenommen haben.

Herr Klein hatte vor allem kurz nach der Geburt seiner Schwester sehr mit der Umstellung zu kämpfen. Nur durch langsame Beobachtung sind wir dahinter gekommen, was die eigentlichen Probleme waren. Und konnten einen Kreislauf durchbrechen. In den letzten Tagen ist uns aufgefallen, dass wir uns schon wieder mitten in so einer Abwärtsspirale befinden. Und so hat Herr Groß seine Beobachterbrille aufgesetzt und bereits wieder erkannt, wo einige (wesentliche) Gründe für das Verhalten von Herrn Klein ruhen. Das ist dann nicht immer das, wonach wir eigentlich gesucht haben. Und auch nicht die Lösung des eigentlichen Problems. Aber oft eben der Moment des Umbruchs, in dem wir erkennen, was wir wo anders machen können. Das Schöne am Kinderhaben ist ja, dass wir immer eine zweite Chance bekommen.

Und nein, diese Beobachtung findet nicht immer an einem Tag ihre Erkenntnisse. Oft dauert es mehrere Tage oder sogar Wochen um gewisse Muster im Verhalten aller zu erkennen. Eingefahrene Abläufe oder eingeschlichene Gewohnheiten wahrzunehmen. Um all das zu erkennen und als Anlass zu nehmen, aktiv etwas zu ändern, sind einige wichtige Schritte notwendig:

1. Erkennen, dass etwas „schief“ läuft. Dass es ein Problem gibt. Und vor allem: Wer damit ein Problem hat – das Kind? Wir? Oder alle ?

2. Die Bereitschaft, etwas zu ändern.

3. Die Akzeptanz, dass es möglicherweise an uns liegt, dass die Situation so ist, wie sie ist. Das klingt nämlich oft leichter, als es in Wirklichkeit ist.

4. Die Geduld aus Situationen herauszutreten, innezuhalten und zu beobachten. Zurückzuspulen und von außen zuzuschauen. Statt Schauspieler einmal Kritiker sein.

5. Selbstreflexion.

6. Aktive Änderung am eigenen Verhalten, an gewissen Abläufen oder inneren Einstellungen.

Ein langer Prozess, in dem die Beobachtung eine wesentliche Rolle spielt. Ohne der all die anderen Schritte ungehalten in der Luft baumeln. Aber letztendlich ist diese Beobachtung auch das Spannende im täglichen Leben mit Kindern. Sie öffnet uns so viele Türen. Es liegt nur an uns, das richtige Hütchen zu erkennen, unter dem der Schlüssel liegt.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Micha

    Danke für diesen wieder einmal sehr wichtigen Beitrag. Ich glaube, der Prozess, den du beschreibst, hört nicht auf und ist auch bei älteren Kindern noch wichtig. Besonders in der Pubertät kommen ja auch noch einmal schwierige Phasen. Aber sie werden einfacher, wenn man früh genug mit dem Beobachten beginnt. LG, Micha

  2. Katharina

    Nicht nur „was kannst Du?“, auch „wer bist Du?“ ist eine unerschöpfliche Frage. Die Antwort darauf kann man nicht finden, nur immer wieder suchen.

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