Um 6Uhr klingelt der Wecker. Nein um 5.55Uhr, damit ich noch einmal kurz snoozen kann. Aber 6.05Uhr geht es dann raus. Ich schalte den Wasserkocher an und gehe Zähneputzen. In meinem Kopf rattert der Alltag bereits laut. Die Schule hat diese Woche begonnen und ich habe gefühlt schon 712 Zettel ausgefüllt, Dinge besorgt und Informationen geschluckt.
Der Große Le ist ins Gymnasium gewechselt. Neue Schule, neue LehrerInnen, neue Abläufe und neues Müssen und Dürfen. Ich wanke noch zwischen „Zutrauen und ihn machen lassen“ und „Hilfe, wie soll er das denn allein schon regeln?“
Während ich Jausenbrote schmiere, fallen mir noch 13 Dinge ein, die ich ihm sagen muss oder mit anderen Eltern besprechen muss. Apropos. In der Whatsapp Gruppe für die Gymnasiumsgang, die täglich gemeinsam zur Schule geht, ploppen die ersten Nachrichten auf. Und wo zum Geier besorge ich ein Vorhängeschloss für den Schulspint, wenn ich zufällig nicht um die Ecke von einem Baumarkt wohne? Infos aus dem gestrigen Elternabend schießen mir durch den Kopf.
Da taucht Miniklein verschlafen im Wohnzimmer auf. Er reibt sich die Augen und schimpft mich aus: „Ich will noch mit Dir kuscheln!!!“ Ja, die letzten Wochen war das unser Morgenritual. Er kam zu mir ins Bett gekrochen und wir haben müde gekuschelt, bis uns der Frühstückshunger gepackt hat. Kein Zeitdruck, Leben in den Tag hinein. Und jetzt haben wir dafür keine Zeit mehr. Natürlich ist er verärgert.
Also schaue ich auf die Uhr. 6.20Uhr. Ach was soll’s. Ich schnappe mir Miniklein und lege mich mit ihm aufs Sofa, ziehe die rote Kuscheldecke über uns und umarme ihn. „Aber ganz lange kuscheln!“ sagt er. „Ja“, sage ich. Ganz lange.“ Dann streichle ich seine kleinen Wangen und schließe die Augen. Für einen Moment verschwindet die Welt und alles, was zu regeln ist wird sich irgendwie sowieso von selbst regeln. Die Welt wird nicht untergehen und alles wird sich gut ausgehen. Für einen Moment bin ich nur hier und atme den Geruch meines Kindes ein. „Daran möchte ich mich erinnern“, denke ich. Wenn sie mal größer sind und nicht mehr mit mir kuscheln wollen. Wenn sie ihre Wege gehen und ihre Dinge selbst regeln. Großteils zumindest.
Ich möchte mich nicht an das Anstrengende erinnern. An die müden Stunden, die ich wach im Bett gelegen bin, weil mein Kopf einfach nicht aufhören wollte zu rattern, auch wenn ich schon längst zu müde für die Welt war. Ich möchte mich nicht erinnern an die zähen Abende, an denen ich kurz dachte, die Nerven gänzlich zu verlieren. Ich möchte mich nicht an den Wahnsinn im Schreibwarengeschäft erinnern, als ich versuchte die akribische Materialliste der LehrerInnen in meinen Einkaufskorb zu befördern.
Ich möchte mich an das Schöne erinnern. An kuschlige Morgende. An das gemeinsame Lachen, weil der Le seine noch nasse Hose nicht mehr auf die Wäscheleine gehängt kriegt und sie einfach zusammengeknüllt hinwirft, weil er meint ich sehe ihn nicht. Ich möchte mich erinnern an das Strahlen von Frau Klein nach den ersten Schultagen, weil sie selig ist endlich wieder ihre Freundinnen zu sehen. Oder an den Moment in den Ferien, in dem sie alle drei ganz versunken vor der Pferdekoppel saßen und die großen Braunen beobachtet haben. Als gäbe es nur sie und sonst nichts. Also halte ich sie fest, diese Momente. Schließe die Augen und atme ein. Denke an nichts anderes. Lasse die Welt kurz still stehen, zumindest meine, die da draußen dreht sich eh munter weiter und mir ist das egal.
Als ich aufstehe, weil dann doch der Le aus dem Bett geholt werden muss und der Alltag einfach nicht länger stillstehen kann, lächelt Miniklein mich zufrieden an und kuschelt sich noch einen Moment unter die Decke, versteckt sich. Recht hat er. Und ich gehe in die Küche und schreibe kleine Zettel, die ich den Kindern in die Brotdosen lege. Ein „Moinsen“ für den großen Le, weil er das Wort so lustig findet. Ein „Ich hab dich lieb.“ für Frau Klein, weil…. Es braucht kein weil. Einfach so. Weil es so ist. Weil ich sie liebe, diese drei Nasen. Und das Leben mit ihnen. Daran möchte ich mich erinnern.