Früher sagte man: „Es braucht ein ganzes Dorf, um eine Kind zu erziehen.“ Heute wollen viele nicht mal mehr den guten Rat der eigenen Mutter hören. Wenn diese überhaupt in ratschlägiger Reichweite ist. Denn das Leben hat sich verändert. Wir leben oft „allein“. Ohne große Verwandtennetzwerke. Weit entfernt von der eigenen Familie, den alten, besten und längsten Freunden. Da, wo wir sind, haben wir neue Freunde, Bekannte. Mit oder ohne Kindern. Aber wenn uns wirklich ein Problem in unserer kleinen Familie plagt, stehen wir oft recht allein damit da.
Der Schritt zu einer Familienberatung ist für viele dennoch nicht leicht. Weil es etwas von „Ich packs alleine nicht.“ hat. Und das kann doch nicht sein. Das hieße ja: Versagen. Und die anderen schaffen’s doch auch. Oder?
Abgesehen davon, wissen wir oft nicht, wo wir da eine geeignete Person finden. Die zu dem Thema die besten Ratschläge weiß. An die wir uns vertrauensvoll wenden können.
Wir nehmen solche Beratungen in Anspruch, seitdem wir mit Herrn Klein einen Pikler-spielraum besuchten. Das begann, als er 9 Monate alt war. An einen solchen Spielraum sind abendliche Gesprächstermine gekoppelt. Nur für die Eltern, ohne den Kindern. Da ist Raum für momentane Fragen und Sorgen mit den Kindern, aber auch rund um das eigene Sein als Mutter, Vater oder Frau oder Mann. Selbst Großeltern habe ich in einem solchen Gesprächsabend schon erlebt. Diese Abende waren eine unglaubliche Bereicherung für uns. Denn selbst wenn wir kein eigenes Thema einbrachten, das wir dort besprechen hätten können, so war es interessant zu hören, womit andere sich gerade plagten. Und nicht selten saßen wir kopfnickend da und dachten „Ah ja, kenne ich. Stimmt. Was mach ich da eigentlich?“
Eine gute Familienberaterin steht dann nicht mit den Lösungsvorschlägen parat da, sondern führt ein Gespräch, in dem man gemeinsam die Lösung oder einen neuen Weg findet. Manchmal geht man dann dort mit ganz anderen Fragen hinaus, als man gekommen ist. Aber die zu wälzen, öffnet wieder ganz neue Türen.
Ich habe heute einmal gesammelt, welche Probleme wir schon in einem Gesprächsabend gelöst bekommen haben:
Wickeln
Wir hatten zeitweilig Probleme, dass sich Herr Klein nicht gern wickeln ließ. Nun, ein Problem was wohl alle Eltern kennen. Es war keine Freude mehr, erinnerte an einen Kampf. Und war hin und wieder so schlimm, dass er schon schrie, wenn er auf den Wickeltisch sollte. Wir mussten dann im Gespräch entdecken, dass wir zu sehr darauf bestanden, die Dinge so oder so zu tun (Wickeln im Liegen z.B.). Dass wir ihm zu wenig Raum ließen, oder zu viel. Es war hilfreich ein paar Türchen zu öffnen und zu sehen, was das Kind eigentlich braucht, wünscht (Wickeln im Stehen z.B., mehr oder weniger spielerische Freude). Mit Kindern ist eben kein Tag wie der andere, wir sind ständig im Fluss. Aber manchmal stürmt es und die Wellen treiben uns schneller voran, als wir im Kopf mitschwimmen können. Da hilft kein panisches Rudern, sondern nur: An Land gehen, die Wellen beobachten und wieder eintauchen.
Essen
Die Aussagen, dass kein Kind am Esstisch verhungert sei. Dass es Druck erzeugt, wenn man immer von etwas „Gesundem“ oder „Gescheiten“ redet, anstatt einfach nur von Essen. Dass Kinder wirklich wirklich wirklich sehr gut wissen, was sie brauchen und wieviel davon. All das hat uns so viel Druck genommen. So viel Vertrauen ins eigene Kind gesteckt. Jetzt, wo Frau Klein noch wenig am wirklichen Essen interessiert ist, lächle ich nur. Sie wird nicht verhungern. Sie wird eines Tages essen. Diese Leichtigkeit, habe ich mir damals erst erarbeiten müssen. Dafür waren diese Gesprächsabende sehr wertvoll.
Kommunikation / Klarheit
Ob im Gespräch mit dem Kind oder im Kindergarten. Ob Vorbereitung und Begleitung von Untersuchungen. Oft wissen wir nicht, wie oder was wir sagen sollen. und wünschen uns einen Souffleur. So ein/e Berater/in kann genau das sein. Nicht, in dem sie einem jedes Wort in den Mund legt, sondern indem man im Gespräch „erarbeitet“: was WILL ich eigentlich (nicht) ? Hier haben wir auch viel über uns selbst gelernt und stehen mittlerweile stärker für das ein, was uns wichtig ist. Weil wir auch viel besser erkennen können, was das ist.
Das Problem sind oft (meistens fast immer) wir selbst.
„If you’ve told a child a thousand times and he still does not understand, then it is not the child who is the slow learner.“ Walter Barbee
Es ist so. Wenn wir uns aus einer Phase nicht mehr raussehen, wenn das Kind „immer wieder“ und obwohl ich „schon hundertmal gesagt“ habe, dass… dann ist es gut mal einen Schritt zurückzugehen und zu schauen, wo das Problem eigentlich liegen kann. Ja, auch bei uns. Was könnte ich anders organisieren, um die Problemsituationen zu verhindern. Was ist der Auslöser? Wie verhalte ich mich in so einer Situation? Was ist in meinem Kopf, was empfinde ich, was mein Kind spüren und spiegeln könnte? Es ist erstaunlich, was dabei alles hervorkommt.
Einfach drüber reden
Nicht selten habe ich ein Problem angesprochen und die Situationen genau beleuchtet, habe geglaubt ich wüsste, was ich nun anders machen könnte, wie ich anders reagieren könnte, und erlebte danach die Situation nie wieder. Weil sich in mir so viel gelöst hatte, dass ich mit einer ganz anderen Haltung, weniger Voreingenommenheit und gelöster auftrat, und sich die Situation somit nie mehr ergab.
Die Erleuchtung #1
Ausführlich habe ich von unserem letzten Beratungsgespräch und der dortigen Erleuchtung berichtet. Seitdem haben sich zwar nicht alle Probleme in kunterbunte Seifenblasen aufgelöst, aber es hat sich dennoch viel getan.
Die Erleuchtung #2
Kürzlich hatten wir eine Telefonberatung und auch dort gab es wieder sehr erleuchtende Momente, von denen ich später genauer und detaillierter schreiben will. Das würde hier nur zu Missverständnissen führen. Aber es war am Ende, nach der Beratung, wieder das gleiche leichte Gefühl und die Vorfreude, auf den nächsten Tag. Von dem an man die Chance hat, neu zu beginnen.
Und das ist es ja auch. Immer wieder ein Neuanfang. Adele Faber & Elaine Mazlish schreiben in ihrem Buch „Siblings without Rivalry“: „Happily they soon discovered that with children you always get a second chance.“
Genau deshalb sind solche Beratungen, ob einzeln oder in der Gruppe, ob telefonisch, per email oder skype, so wertvoll. Denn wenn man sich einmal öffnet, den Mut hat, ein Problem als Problem anzusehen, und zu akzeptieren, dass man sich allein nicht mehr raussieht, dann ist man schon auf dem richtigen Weg und auf halber Strecke am Ziel. Und der zweiten Chance so nahe.
Fühlt Euch nicht schlecht, unfähig oder versagend, wenn die Dinge mal wirklich unrund laufen. In jeglicher Hinsicht. Ist in einer Familie mal der Wurm drin, ob es der Schlaf-, Essens-, oder Wickelwurm ist, ob es wütende Sturmwürmer oder unaufhörlich weinende Schreiwürmer sind. Holt Euch Rat.
Ich habe momentan noch nicht die räumlichen und logistischen Möglichkeiten für solche Gespräche, biete aber in der Zwischenzeit eine besondere Form der Beratung an: die monatliche Flatrate per email. Für alle, die sich vor einem Gespräch noch scheuen, die in ihrer Nähe niemanden wissen, an den sie sich wenden wollen. Und auch sonst für jede/n. Ich freue mich darauf von Euch zu hören und gemeinsam, mit Euch, zu schauen, wie wir dem Wurm einen Ausgang buddeln können.
Sehr wertvoller Kommentat für mich.
Das nochmal:ZURÜCK und überlegen-was habe ich damit zu tun,was kann ich Ändern,überzeugend für mich!
Ich hab mir kurz dein Zitat geklaut. DANKE für diesen wunderbaren Denkanstoß. Al Silke