Erkenntnisse der Woche – Loslassen

Bildschirmfoto 2014-12-28 um 19.34.22Angekommen in den Rauhnächten. Endlich. Das Weihnachtsfest ist vorüber und die Zeit „Dazwischen“ ist angebrochen. Ich bin froh darüber. Wie jedes Jahr. Und wie jedes Jahr steht hier dieser Baum noch im Wohnzimmer. Groß und schwer. Er trägt ein paar Kugeln, herabgebrannte Kerzen, hier und da noch ein paar lieb gewonnene Anhänger. Und eine schwere Altlast an Emotionen, Erinnerungen und Gedanken. Der Klotz des Weihnachtsfestes, das geschafft ist. 

In letzter Zeit hatte ich oft das Gefühl, dass meine Vergangenheit mich nicht los lässt. Immer und immer wieder erkenne ich alte Muster, meine „altes Leben“ – the story of my life – auch im virtuellen Leben wieder. Fühle mich fremd und komisch. Kämpfe um Dinge, die nicht anders sind, als die, die andere tun, die aber dafür gar nichts wirklich tun müssen. Möchte manchmal in den Computer schreien: „Ich verstehe Euch nicht! Warum???“

Weil ich die Welt nicht verstehe. Weil ich nicht verstehe, was „mit mir nun wieder“ falsch ist. Weil ich Sätze und Erzählungen zum Anlass nehme, meine eigene Geschichte wieder zu spüren, erneut zu durchleben. So, wie ich es tue, wenn ich diesen Baum, diesen Klotz hier, ansehe. An ihm rieche.

Und so habe ich mich in letzter Zeit gefragt, was es ist, das mich immer wieder auflaufen lässt. Das mich nicht los lässt. Und da hatte ich es. Das erste Kapitel in meinem Wegbegleiter lautet „loslassen“ und beinhaltet viele Übungen und Gedanken zu dem Thema. Weil es uns so schwer fällt. Immer wieder. Und nun war ich es selbst, die genau das nicht gesehen hatte. Den Wald vor lauter Bäumen und so…

Also habe ich es mir zu Herzen genommen und beschlossen loszulassen. Auch im virtuellen Leben. Und habe meine Twitter Timeline bereinigt. Habe Facebook Gruppen verlassen oder Seiten ungeliked (gibt es dafür ein Wort???). Und was soll ich sagen. Seitdem geht es mir besser. Ich muss nicht mehr Dinge lesen von Menschen, die mich oft geärgert, genervt, getroffen haben. Gar nicht direkt, sondern einfach nur durch die Art und Weise, wie sie geschrieben waren. Ich habe endlich losgelassen davon zu folgen nur um zu schauen, was andere tun. Um auf Teilen und Mögen zu hoffen. So, wie es ja im virtuellen Netz Gang und Gebe ist. Wozu es letztendlich da ist. Zum Vernetzen. Nein, ich mag nicht mehr. Denn so entsteht da genau diese „Freunderlwirtschaft“ wie im echten Leben. Eine, die ich so schon verabscheue und nicht mag.

Es mag bekloppt klingen. Man macht sich abhängig von Menschen, die man nicht kennt. Von Followerzahlen und Likes und Shares. Wieso? Wieso folgt man Menschen, deren Gesagtes man nicht mag? Auch darüber habe ich nachgedacht. Doch so funktioniert diese virtuelle Welt und ganz schnell wird man ihr Sklave. Man folgt, damit man Gesprächen folgen kann, die man sonst nicht lesen kann. Weil Twitter das so will. Man folgt, weil einem ein paar Sätze gefallen. Die sich dann aber oft und schnell in Wohlgefallen auflösen. Man folgt Darstellungen von Menschen, die sich irgendwann als Selbstdarstellung herausstellt, die mir zuwider ist. Man folgt, weil man selbst gefolgt wird. Um sich am Ende zu fragen: Wozu? Wozu beginne ich wieder und wieder und wieder zu schauen, was andere tun? Um mitzutun? Um mitgetan zu werden, mitgeteilt?

Nein, ich merke, dass mich 2015 in neue Richtungen lenkt. Und um diese zu finden und ihr zu folgen, muss ich alte Spuren verlassen. Den Klotz am Bein hinter mir lassen und somit ein Stück zu mir selbst finden. Man hängt so fest an diesen Netzen, man sinkt so ein und findet sich selbst nicht mehr.

Und wenn der Baum endlich die Wohnung verlässt, werde ich versuchen auch mit ihm  ein paar schwere Emotionen und Gedanken loszulassen. Aber Weihnachten, ach, das ist wieder eine ganz andere Geschichte.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Julia

    Das sind sehr schwermütige, aber auch ehrliche Worte. Sie regen zum Nachdenken an.
    Ich blogge noch nicht lange und bisher, kümmere ich mich nur um die Leute im Netz, die ich nett finde, deren Texte und Sätze mir gefallen oder die ich mir anschauen will. Stelle ich fest, sie liegen nicht auf meiner Wellenlänge, folge ich ihnen nicht mehr. Klar, geht es um das Netzwerk, aber da ich mit meinem Blog kein Geld verdienen will, muss ich dieses Netzwerk nicht unnötig, unangenehm erweitern. Ich denke, man kann bloggen und twittern und bei Facebook sein, sich vernetzen und trotzdem keine „Freunderlwirtschaft“ daraus machen.
    Vielleicht bin ich naiv? Vielleicht bist Du gerade sehr down? Vielleicht liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen? Ich bin gespannt, wie ich das nach ein paar weitern Monaten sehe.
    Auf jeden Fall klingt das Entliken, das Ausdünnen sehr gesund und passt zu dieser Zeit im Jahr.
    Liebe Grüße
    Julia

  2. arrigu

    Liebe Nadine, Ich hoffe nun, nach dem Lesen Deines heutigen Textes, dass Dein virtuelles „loslassen“ nicht auch heißt, weniger zu bloggen! Ich folge so einigen Elternblogs und sonstigen Blogs über Feedly, aber Deine authentischen, tiefsinnigen, hinterfragenden, berührenden Gedanken bzw. Texte, sind die, die ich mit Abstand am bereicherndsten finde! ..eigentlich shclimm, dass ich schon seit über einem Jahr mitlese und denke und Dir nie rückgemeldet habe, von welchem Wert dies für mich ist! Aber gut, besser spät als nie! Als ich gerade von Deiner etwas niedergeschlagen Stimmung gelesen habe, hab ich mich Dir schuldig gefühlt, endlich einmal zu danken. Von Herzen Dank!

  3. amberlight-label

    Das klingt nach einem guten und gesunden Schritt, auch wenn viel Unzufriedenheit zwischen den Zeilen herauszulesen ist. Ich Netzwerke, der Blog finanziert inzwischen das Nähhobby und sogar ein bisschen das große gemeinschaftliche Bauprojekt und d och blogge ich weiterhin nicht für “die da draußen“ sondern für mich. Bleibt weiter bei dir – ich freue mich jedenfalls auch 2015 über jede deiner Blogzeilen

  4. Jela

    Toll! Du schreibst es so klar, dass man nichts hinzuzufügen hat. Das Aufräumen im Netz macht viel Sinn, wenn man sich dadurch in solche Abhängigkeiten begeben hat. Vielen Dank dafür! Und viel Erfolg und Glück bei der Umsetzung deiner Pläne. Lieben Dank fürs Teilhabenlassen. LG Jela

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