Am Wochenende haben wir es endlich geschafft im Schlafzimmer ein Arbeitszimmer einzurichten. Das war ein langer Prozess, vor dem Einzug haben wir unser Schlafzimmer nur grob geplant, als wir einzogen sah alles ganz anders aus, dann haben wir alles ein bissi hin- und hergeschoben und irgendwo einen Schreibtisch platziert. Alles nichts. Und nun kam mir die zündende Idee und beim Räumen noch ein paar andere. Jetzt bin ich glücklich, habe eine richtig schöne und produktive Ecke. Der gesamte Raum wirkt viel gemütlicher so.
Es braucht eben alles seine Zeit. Es hilft nichts und wieder nichts, etwas übers Bein brechen zu wollen, wenn der Moment noch nicht der richtige, der Apfel noch nicht reif ist.
Frau Klein ist jetzt 1,5 Jahre und isst seit ein paar Tagen richtig gut. Vor einem Jahr haben wir ihr die kulinarische Welt eröffnet. Sie hat die ganze Welt immer wieder interessiert probiert und so ziemlich alles immer wieder ausgespuckt. Sie hat nichts wirklich gegessen und am liebsten weiter viel und häufig gestillt. Es hat viel Kraft und Nerven gekostet – das viele Stillen, aber auch das ewige Essenauffangen, das Herrichten und Kochen für Nichts. Die Frage, wann sie denn endlich… Und jetzt ist endlich. Jetzt isst sie. Da verschwindet ein Stück Brot auf Nimmerwiedersehen im Mund. Da werden Nudeln gekaut und geschluckt, Heidelbeeren inhaliert und Wassermelone gezutzelt. Stillen ist nun kaum mehr Nahrung, nur mehr Nähe. Einfach so.
Dass jedes Kind anders ist, predige ich in meiner Arbeit als Familienberaterin immer und immer wieder. Dass jedes Kind seine Zeit braucht, sein eigenes Tempo hat. Aber wenn es das eigene Kind ist, das irgendwo etwas länger braucht, dann sieht die Welt plötzlich ganz anders aus. Dann vermischen sich Erwartungen mit Sorgen und dem oft eben doch einschleichenden Vergleich mit anderen Familien. Nichts davon ist hilfreich, aber es abzustellen enorm schwer.
Herr Klein hat bis heute freudig sein Laufrad geliebt. Er hat hin und wieder andere Kinder beim Fahrradfahren beobachtet, doch nie eigenes Interesse geäußert. Die Idee, ihn zum 4. Geburtstag ein Fahrrad zu schenken, haben wir schnell verworfen. Es wäre nur ein ungewünschtes Geschenk gewesen. Vielleicht sogar eine Last. „Die erwarten jetzt, dass ich…“. Heute kamen wir vom Baden nach Hause und im Fahrradraum entdeckte Herr Klein ein winziges Fahrrad. Er fragte, ob er das probieren dürfe und wir ließen ihn. Eine halbe Stunde war er beschäftigt und am Ende fuhr er damit stolz und freudig seine Runden im Foyer.
Was Herr Klein nie wirklich konnte, war sich selbst beschäftigen. Sich allein und eigenständig eine Tätigkeit suchen und ins Spiel versinken. Ich, die sich seit jeher mit der Piklerarbeit und der Notwendigkeit, dem Sinn und der verschiedenen Facetten des freien Spiels beschäftigt, fand das immer bedenklich und eigenartig. Den Fehler suchte ich oft bei uns selbst. Wir haben viel probiert, haben geredet und diskutiert, haben Ratschläge bekommen, angenommen und viele verworfen. Geändert hat sich selten was. Nun spielt Herr Klein viel mit anderen Kindern. Dabei kann ich wunderbar beobachten, dass er all die Fähigkeiten, die ich mir wünsche für ihn, besitzt. Er ist kreativ, er findet die interessantesten Lösungen, er kann „antreiben“, sich aber auch treiben lassen. Er kann aktiv sein, oder in Ruhe zuschauen. Er kennt seine Grenzen und sagt Nein, wenn ihm etwas nicht passt. Da habe ich beschlossen, dass er einfach ein Kind ist, dass sich schwer tut, sich allein zu beschäftigen. Er hat gern jemanden um sich. Er hat gern Gesellschaft. Er bekommt gern Input. So ist er. Ich kann ihn nicht ändern und lenken oder drehen. Interessanterweise fällt mir seit dieser Erkenntnis immer öfter auf, dass er sich auch allein beschäftigen kann. Und es tut. Immer mal wieder. Ob das nicht vorher schon war, es mir nur nicht aufgefallen ist, weil ich immer nur gesehen habe, was er nicht tut, oder ob er das nun wirklich vermehrt tut, weiß ich nicht. Es spielt auch keine Rolle. Es ist, wie es ist. Erich Fried hatte recht.
Dass Dinge ihre Zeit brauchen, dass wir Menschen nichts von heute auf morgen können, wollen oder schaffen, vergessen wir manchmal. Dass unsere Kinder genau so sind, vergessen wir meistens. Fast immer. Wir schauen zu oft auf das, was sie nicht tun, können oder wollen. Wir sind zu ungeduldig, um abzuwarten und zu sehen, was eigentlich gerade passiert, was sich entwickelt und entsteht. Und werden zum Glück immer wieder überrascht. Wenn wir offen sind für diese Überraschungen. Wenn wir bereit sind zu sehen, wozu unsere Kinder plötzlich bereit sind.
Eine schöne Erkenntnis diese Woche. Auch wenn es gar keine Neue ist. Sie immer wieder zu erleben, ist auch erfüllend. Zufrieden klappe ich das Wochenendbuch zu und blättere um in eine neue Woche. Ich wünsche Euch eine wundervolle solche.
Finde ich cool, das ihr ihn einfach machen lässt. Ein Fahrrad kann man ja immer kaufen, wenn er interesse daran hat. So lernt er auch, selbst neues zu entdecken.