Zurück auf Normal?

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Montag. Aber kein normaler. Was ist auch schon normal in Zeiten wie diesen? Nun, dieser Montag sollte eine Rückkehr zur Normalität sein. Denn ab heute gehen hier in Wien bzw. in Österreich die Kids wieder alle regelmässig in die Schule. Kein Lockdown mehr, kein Schichtbetrieb. Stattdessen Vollzeit Schulbetrieb. Mit Maske und Tests. Und alle schreien Hurra!

Ich möchte auch Hurra schreien! Denn ja, es ist eine Erleichterung, dass die Kinder wieder vormittags aus dem Haus sind. Dass hier wieder Struktur und Regelmässigkeit herrscht, Routinen sich wieder einstellen können. Zumindest für die nächsten 6 Wochen, bis dann die Sommerferien beginnen. Und alles wieder wie ein Kartenhaus zusammenfällt. Oder vorher irgendwas ist. Man weiß ja nie. Das einzige, was wir in dieser Pandemie gelernt haben, scheinbar. Nichts zu wissen.

Ich frage mich, was ein Normal sein soll. Ein Zurück. Wollen wir wirklich dahin zurück, wo wir vorher waren? In ein Leben im Hamsterrad? Ein Leben bestehend aus dem Sehnen nach Wochenende und Urlauben? Dem Rennen im Alltag, dem Versuchen alles unter diesen einen Hut zu bekommen. Glücklich zu werden oder zu sein in einer Welt, die komplett schief dahin humpelt und sich selbst zerstört?

Ich sehe das keinen Schritt vorwärts, keinen Schritt in die richtige Richtung. Wenn wir diesen Schritt einfach so gehen – und so sieht es ja aus – dann gehen wir weiter und weiter rückwärts. Denn dann landen wir weiter alle nur da, wo wir vorher waren. In einer Welt, die von Leistung bestimmt ist, vom Müssen und Sollen angetrieben. Dann werden weiter einzelne Menschen versuchen, darin ihr Glück zu finden und zurechtzukommen, während sich die Großen da oben weiter bereichern. Und die große Masse rennt mit. Müder und müder werdend. Mitgeschliffen. Von der Pandemie gezeichnet. Mich macht das wütend. Traurig. Grantig. Unruhig. Es lässt mich verzweifeln.

Was haben wir aus einer Pandemie gelernt, die unseren Planeten still stehen ließ, als er es am dringendsten nötig hatte? Der erste Lockdown in Österreich im März 2020 wurde von vielen als der angenehmste erlebt. Weil alles still stand. Richtig still. Weil die Welt in eine Schockstarre geraten war und es plötzlich richtig und wichtig war, wirklich einmal nichts zu tun. Die folgenden Lockdowns waren Versuche, das Leben halbwegs aufrecht zu erhalten im Stillstand. Das war anstrengender, weil plötzlich wieder jongliert wurde. Es wurde das Leben, was vorher draußen passierte, in den eigenen vier Wänden jongliert. Das hat es nicht leichter gemacht. Im Gegenteil. Und jetzt sollen wir wieder zurück hinaus. In das Leben davor. Weil das so lebenswert war?

Corona, der Sturm, der vorüberzog. Eine weitere Erinnerung im Fotoalbum der Kinder. Damals, als wir alle nichts durften und doch so viel sollten. Das war scheiße. Jetzt dürfen wir wieder alles, was wir sollen und müssen sogar. Das ist viel besser. Wirklich?

Es ist keine Zeit für einen ganzheitlichen Blick auf diese Pandemie. Weil die Wirtschaft wieder starten muss und alles wieder ins Rollen kommen soll. Und zwar schnell. Keine Zeit innezuhalten und Nebenstraßen zu entdecken. Ich denke da an das Bedingungslose Grundeinkommen oder eine Reduzierung der Arbeitszeit von 40 auf 30 Stunden. Aber nein, da müssten wir ja umdenken. Neu denken. Anders denken. Zu anstrengend. Zu aufwändig und um Himmels Willen, am Ende hätten alle was davon. Also gehen wir weiter geradeaus. Mal sehen, wer eher ermüdet, der Planet oder wir.

Also können wir nur für uns selbst überlegen, was wir aus dieser Zeit für uns mitnehmen. Für mich sind das ganz klar die Gedanken darüber, wie und wo ich leben will. Und was ich im Moment und langfristig ändern kann.

Was nehmt Ihr Euch mit aus dieser Pandemie, die ja in Wahrheit noch nicht wirklich gelaufen ist. Aber der Sommer kommt und die Hoffnung stirbt zuletzt. Was sind Eure Gedanken zur „neuen Normalität“ danach?

Während ich das geschrieben habe, kam der Newsletter von Ramona von Kallimagie herein und interessanterweise macht sie sich da ähnliche Gedanken. Schaut mal hier.

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. annette

    liebe nadine…tja zurück ins NORMAL….was war vorher für mich normal?….ich glaube das gab es da schon nicht….
    also will ich auch nicht dahin zurück…
    herzlichst
    annette

    1. buntraum

      ich denke das ist der Punkt. Uns wurde ein „Normal“ vorgegaukelt, was sowieso utopisch war. Da wollten wir vorher nicht sein, da sollten wir jetzt nicht hin zurück sollen.

  2. Stephanie

    Liebe Nadine, bei diesem Blogpost wurde mir nicht warm ums Herz wie beim vorherigen, ich habe Gänsehaut! Ich mache mir genau die gleichen Gedanken! Auch wenn ich mir ein Ende der Pandemie wirklich langsam herbei sehne, mir graut es irgendwie auch ein bisschen davor. Auch ich grüble immer wieder über Themen wie das bedingslose Grundeinkommen, Reduktion der Arbeitszeit und solidarische Landwirtschaft. Und überlege mir, wofür ich mich als promovierte Juristin, die seit 6 Jahren „nur“ Mutter und Hausfrau ist, engagieren soll, wenn die Kinder und mein Freiraum wieder grösser sind. Ich möchte nicht zurück in den Beruf, er war nie der richtige für mich, was ich vielleicht früher gemerkt hätte, wäre unser Bildungssystem auf Potenzialentfaltung und nicht auf die Marktwirtschaft ausgerichtet. Was ich mir wünsche für die neue Normalität, sind mehr Sinnhaftigkeit, mehr Langsamkeit, mehr Gemeinschaft, weniger Haben und mehr Sein…

    1. buntraum

      Liebe Stephanie, ja, das ist für mich auch sehr schwierig alles. Da läuft so vieles schief und ich fühl mich sehr oft sehr machtlos. Und du sprichst etwas sehr wesentliches an: die Potentialentfaltung, die bei uns einfach auf der Strecke bleibt…. Ich wünsch Dir, dass du Deines findest!

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