Was machst du da? Was wird das? Warum machst du das?

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Am Wochenende in Berlin haben wir immer wieder Spielplatzpausen eingelegt, damit die Kinder auch auf ihre Kosten kommen konnten. Zu meiner Freude sind in Berlin sämtliche Spielplätze ein reiner Sandboden. In Wien findet man meist nur Rindenmulch, Gras oder Kies. Ich mag den Sand so viel mehr, das ist für mich immer ein bisschen wie Strand daheim und ich kann selbst so gut darin versinken. Mit den Füßen, mit den Händen und mit den Gedanken.

Es dauert meist nicht lange, und ich sitze gänzlich im Sand und grabe mit den Fingern, ziehe Muster und lege Figuren. Häufig Mandalas oder irgendwelche Muster. Und dann dauert es wieder nicht lange und es steht ein Kind neben mir. „Was machst du da?“ fragt es verwundert. Und ich bin oft hin- und hergerissen zwischen den möglichen Antworten. Mal sage ich „Ich spiele.“ oder ich sage „Nichts, einfach nur sitzen.“ Und dann kommt sofort die nächste Frage „Aber was wird das?“ Wie überlege ich. „Weiß ich nicht.“ sage ich oft oder „Irgendein Bild.“ Und die Kinder, die nun noch nicht genug von meinen aussagelosen Antworten haben, fragen dann: „Aber warum machst du das?“ Und dann fällt mir auch nichts mehr ein außer „Einfach so. Weil es mir Spaß macht.“

Mich verwundert dieses Unverständnis oft. Nein, eigentlich finde ich es schade. Denn eigentlich sind es doch die Kinder, die so unnachvollziehbar in ihr Spiel versinken können. Wenn sie es denn können. Eigentlich sollten sie doch die Meister des „einfach so.“ sein. Die Könige der „Spaßdisziplin“. Aber nein, sie suchen nach Zielen, nach Gründen, nach dem Warum. Vielleicht ist es kindliche Neugier. Aber sie zeigt mir, dass es viel mehr von diesem einfachen Tun braucht. Denn gerade dieses „Was wird das?“ finde ich eine sehr unnötige Frage. Warum muss alles immer etwas werden, einen Sinn ergeben, ein Ziel haben? Und was mich am meisten irritiert, ist eben oft der unverständliche Blick meinem „einfach so“ folgend.

Heinrich Jacoby hat einst die Frage geprägt: „Ding, was willst du von mir?“ Er wollte, dass wir Dingen diese Frage stellen, anstatt immer zu fragen: „Was macht man damit?“ oder „Wozu ist das?“ Einfach zu schauen, was Dinge oder Situationen, Umgebungen aus uns heraus holen. Wir haben das verlernt. Wir sind effizient geworden, sinnvoll und effektiv. Wir sollen keine Zeit vertrödeln. Und doch tun wir es von früh bis spät im Netz. Da fragt niemand: „Was wird das?“ oder „Warum machst du das?“ Das ist normal. Ist das nicht ein bisschen krank?

Unsere Kinder sollen didaktisch spielen. Dabei gleich was fördern. Ziele erreichen. Gehirnareale anregen. Nur keine Zeit verlieren beim womöglichen Nichtstun. Deshalb legen wir Babys schon wertvolle Spielsachen parat. Und dann wundern wir uns, wenn sie mit vier Jahren fragen: „Was wird das?“

Ich wünsche mir wieder mehr tun, weil es Freude macht. Mehr „einfach so“ und „mal sehen, wohin es mich führt.“ Für mich. Für meine Kinder. Für uns alle.


Kindersand

Das Schönste für Kinder ist Sand.
Ihn gibt’s immer reichlich.
Er rinnt unvergleichlich
Zärtlich durch die Hand.

Weil man seine Nase behält,
Wenn man auf ihn fällt,
Ist er so weich.
Kinderfinger fühlen,
Wenn sie in ihm wühlen,
Nichts und das Himmelreich.

Denn kein Kind lacht
Über gemahlene Macht.

– Joachim Ringelnatz 1883-1934, deutscher Schriftsteller –

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Laura

    Wie schön, der Ringelnatz. Danke dafür! Und für deine wunderbar sensiblen Anregungen, die man immer gerne gleich umsetzen möchte – und leider ‚versandet‘ vieles dann wieder im Alltag.

    1. buntraum

      ja leider, so geht es mir auch oft. Aber dann gibt es wieder solche Momente, die mich erinnern… die versuche ich dann einzufangen…

  2. Steffi

    Liebe Nadine,

    ich kann Deine Gedanken sehr gut nachvollziehen. Allerdings glaube ich, dass es Erwachsenengedanken sind, die in die Kinder die zukünftigen Erwachsenen hineinprojizieren. Sind sie nicht einfach neugierig und wollen begreifen? Dieses Begreifen der Welt ist von Anfang an mit Kausalzusammenhängen verbunden. Ein Baby bewegt das Bein und der Fuß bewegt sich mit. Das ist Spiel und Arbeit gleichzeitig. Und bereitet unermessliche Freude, wenn eben dieses Baby verstanden hat wie alles zusammenhängt. Vielleicht wäre es eine gute Achtsamkeitsübung mal zu beobachten, was Du alles tatsächlich da im Sand tust (Spüren, Erholen, eine Pause vom Funktionieren müssen, Malen, Gedanken ordnen, bei Deinen Kindern sein, Dich auch in sie hineinversetzen?). Ich glaube, dass Dein Sandeln ganz viele Sinneseindrücke auf einmal birgt und tatsächlich nicht nur so passiert, sondern auch ein ‚umzu‘ enthält. Es ist Dir ein inneres Bedürfnis, weil… ;-) Vielleicht verstehen Dich die Kinder besser, wenn Du Dir bewusst bist, was da in Dir vorgeht und es entsprechend treffend formulierst.

    1. buntraum

      Danke für den Input, liebe Steffi. Ja, letztendlich steckt wohl überall ein „umzu“ oder „weil…“ dahinter. Und wenn es nur ein „abschalten“ oder „zur Ruhe kommen“ ist. Wenn ich ehrlich bin mag ich es überhaupt nicht gefragt zu werden, was ich gerade mache und warum. Auch nicht von Erwachsenen, denn wenn ich im Tun bin, weiß ich oft nicht genau wo es hingeht und dann will ich mich erst einmal einlassen… Auch eine interessante Feststellung soeben. Danke!

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