The End

IMG_4725Zwei lange Jahre habe ich sie gestillt. Eines davon fast voll, weil sie lange nichts wirklich gegessen hat. Gestern Abend sagte ich ihr, dass es das letzte Mal sein würde. Und nun habe ich zum ersten Mal in 2 Jahren 24h nicht gestillt. Ein großes Ende.

In letzter Zeit ist Frau Klein nicht nur sehr wütend, sondern außerordentlich wütend geworden, wenn ich sie nicht zwischendrin stillen wollte. Ich verfiel in eine Art „Trotzphase“ und dachte mir: So erst recht nicht. Doch das Wüten und Toben von ihr war langsam nicht mehr zu ertragen. Und ein wenig Überlegung hat dazu geführt, dass ich beschlossen habe, sie nun komplett abzustillen. Nicht aus diesem Trotz heraus, sondern vor allem aus der Tatsache heraus, dass eine große Portion Stillen daher rührte, dass ich nicht loslassen konnte. Dass für mich immer klar war: Kein weiteres Kind bedeutet: Kein Stillen mehr. Ich habe bis auf die ersten Wochen mit Herrn Klein immer gern gestillt. Habe die Nähe, die Zuneigung dahinter geschätzt auch über die sechs Monate Grundnahrung hinaus. Das Exklusive Beisammensein empfand ich als sehr wertvoll und wollte es genießen.

Doch immer öfter geriet ich in Zweifel. Sie forderte es so enorm ein, dass es mir Energie raubte, zu verweigern. Doch zu viel Stillen raubte mir ja mittlerweile auch enorm viel Energie. Gleichzeitig immer im Hinterkopf: Das Ende. Zweisamkeit, die Du so nie mehr erleben wirst.

Und gestern endlich die Erlösung: Ich kann, ich darf sie nicht weiter stillen, wenn ich es hauptsächlich tue, weil ich nicht loslassen kann. Und plötzlich wurde alles so viel leichter. Ich spürte die Vorfreude darauf, welche Zweisamkeit sich nun für uns öffnen würde. Wie wir nun – völlig entbunden – ganz neu verbunden sein können. Ich war gespannt.

Die Nacht war furchtbar. Ich schlief enorm schlecht, hörte sie aufwachen, obwohl sie nie aufwachte. Ich fürchtete Schreien, Toben und Wüten so sehr, dass ich es erahnte, während sie selig ruhig schlief. Heute früh dann der erste Wunsch nach der Brust. Kurze Tränen, dann die Freude über gemeinsames Kuscheln auf dem Sofa. Lange und ausgiebig. Und anders als sonst. Bis Mittag dann das fröhlichste Kind. Ausgeglichen. Entspannt. Verspielt. Zum Mittagsschlaf erneut der Wunsch nach der Brust. Noch einmal kurze Tränen. Sehr kurz. Dann entschlossenes Einschlafen. Ein langer Mittagsschlaf. Am Abend noch statt dem Bitten die Frage nach der Brust. Kurzes Vermelden des doch noch bestehenden Wunsches. Ohne Tränen. Und dann ein neuer Ablauf im Abendprogramm: Gemeinsames Buchlesen. Bisher hatte sie das verweigert, wollte immer sofort ins Bett und die Brust. War dann im Dunkeln zu müde. Heute gemeinsames Vorlesen, ausgiebiges Kuscheln und fröhliches „Gute Nacht!“

Es scheint, als hätte sie auf diese Entscheidung nur gewartet. Als wäre das die Klarheit, die sie längst gebraucht hätte. Vielleicht war sie schon länger bereit für den Schritt, als ich es bin.

Ich bin verwundert. Erleichtert. Erstaunt. Bin gespannt auf die nächsten Tage und Nächte. Und unglaublich verliebt in dieses kleine Wesen, dass mit einer gewissen Klarheit nach nichts mehr schreit als eben dieser auch von mir. Wow.

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare

  1. Ramona

    Das liest sich toll. ich bin bei dieser Klarheit noch nicht angekommen. Wir wüten und stillen uns noch durch den Tag und die Nächte. Aber gerade ist es ok so. Mal sehen, wie lange noch. Ich habe aber auchimmer wieder Abstillgedanken. Loslassen. Frei sein. Weitergehen im Fluss.

  2. Ach, Nadine, einmal mehr schreibst Du mir aus dem Herzen.
    Mit meinem Winterkind, 26 Monate und auch das 2. und somit letzte Kind, mache ich derzeit genau das Gleiche mit. Es sind die gleichen Gründe, ich habe es gerne so lange gemacht, weil ich es genau so genossen habe. Aber es ist wirklich auch ein Loslassen. Momentan habe ich mit dem Umzug genug aber in Deutschland wird es vermutlich auch soweit sein. Denn es ist der Zeitpunkt gekommen, wo ich nicht mehr mag und abends das Stillen endlos dauert und mir auch das Kuscheln mit dem Großen fehlt, was meist der Papa übernimmt.
    Ich denke, es ist auch hier soweit. Danke für Deine ehrlichen Worte, sie kamen mal wieder genau richtig.
    Lieben Gruß
    Tanja

  3. Tine

    Danke. Du schreibst mir aus dem Herzen und bringst mich auf völlig neue Gedanken. Danke.

  4. Lorelai

    Darf ich fragen, wie es denn vorher war? Wie häufig wollte sie denn stillen? Ein „vehementes Einfordern“ setzt ja voraus, dass Du ihrem Wunsch nicht (sofort) nachkommen wolltest? Du schreibst von Energieverlust. Bedingt durch das häufige (auch nächtliche) Stillen? Ich gratuliere auf jeden Fall zu dem schönen Abschluss, den ihr offenbar wirklich gemeinsam gefunden habt… bei mir ist es noch nicht so weit. 24h ohne Stillen, das kam natürlich auch schon vor wenn meine Maus (3) seltenerweise mal bei der Nana übernachtete. Ich weiss gar nicht mehr wie’s mit 2 Jahren war, weiss nur, dass ich auch schon die Gedanken, abzustillen hatte, immer dann wenn sie nachts ewig an der Brust hing und nicht loslassen wollte oder sehr häufig kam, zum Glück waren das immer nur kurze Phasen von wenigen Tagen. Im Moment sind wir ein sehr ausgeglichenes Stillpaar ;) Sie stillt tagsüber sehr selten und wenn dann meist nur kurz. Zum Einschlafen jeweils, es sei denn sie ist zu müde, nachts 1-3, 4 mal. Ich zähle nicht mit aber durchgeschlafen hat sie (bei mir) erst ein oder zwei mal… :D Ich bin gespannt, wo uns unsere Stillbeziehung noch hinführt. Noch wiege ich mich in der Sicherheit, dass es so schon noch ein Weilchen weitergeht :)

  5. blumenpost

    Das klingt nach einem guten Ende für euch. Freut mich sehr!

  6. Annette

    Schön, dass Ihr zu dieser Klarheit und diesem guten Ende für Euch gekommen seid! Ich war mit dem Stillen nie so glücklich, aber das Kind verweigerte die Flasche sehr vehement. Mit 13 Monaten beschloss ich dann – nach Übergang zu fester Nahrung und Trinken aus dem Becher – dass ich nicht mehr möchte. Wir hatten schon reduziert, aber da ich ein schlimmes Ende befürchtete, suchten der Mann und ich uns ein langes Wochenende aus, so dass wir ein bisschen Schlafpuffer hätten, wenn die Nächte ganz furchtbar würden. Und was soll ich sagen, das Kind stillte sich 1 Tag VOR dem „Termin“ selbst ab. Es überrscht mich immer wieder, welches Gespür auch sehr junge Kinder für unsere Gefühle, unsere Zerrissenheit, aber eben dann auch für unsere Klarheit haben.

  7. Nikola

    Herzlichen Glückwunsch, das liest sich toll! Und Danke für die Ehrlichkeit, Dir selbst und den Lesern gegenüber. Denn ich glaube, ganz ganz oft liegt die Unfähigkeit der Mutter, los zu lassen einem Langzeit -Stillen zu Grunde. Die Entscheidung soll dem Kind überlassen werden, aber das Kind entscheidet doch gar nicht. Die Mutter entscheidet für das Kind. Ein natürliches Stillen wird zum unnatürlichen.
    Daher m E. oft auch dieses aggressive Verteidigen der eigenen Überzeugung. Da finde ich Deinen Text einfach nur überraschend leicht und erfrischend ehrlich (oder anders herum ;-)) Respekt!

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