Seelenkuscheln

Abendliche Diskussionen im Bett von Frau Klein belaufen sich meist darauf, dass sie darauf besteht mit mir oder dem Papa zu kuscheln, dann jedoch alles andere im Sinn hat, als sich gemütlich zu uns zu legen. Bücher schauen, Plaudern, Singen, Puzzle machen, mit Papas Uhr spielen – all das ist spannender als das eigentliche Kuscheln. Wenn wir dann gehen, gibt es Ärger.
„Aber Du sollst mit mir kuscheln!“ – „Versuche ich ja, aber Du bist ja nur beschäftigt.“ – Aber du sollst mit mir kuscheln!“

Als ich neulich Abend mal wieder einem solchen Konzert im Kinderzimmer lauschte, ging mir endlich das von ihr vermutlich längst ersehnte Licht auf. Und ich musste lächeln. Eigentlich auch den Kopf schütteln, denn irgendwie wusste ich all das schon längst. Aber wir Erwachsenen, wir brauchen manchmal einfach etwas…

Kuscheln ist für Kinder nicht immer das, was es für uns ist. Wir verstehen darunter körperliche Nähe. Zuneigung. Streicheleinheiten. Genießen. Für Kinder ist kuscheln mehr. Wenn Kinder uns ein Buch bringen, dann ist das nicht immer der Wunsch danach, dieses Buch jetzt zu lesen und den Inhalt zu hören, sondern es ist oft ein Suchen nach Nähe, nach Zuwendung. Ihre Form von Kuscheln. Eine zumindest. Und so ist es mit Frau Klein auch abends. Für sie bedeutet Kuscheln nicht das Kuscheln an sich. Sie will uns. Bei sich. Sie will unsere Aufmerksamkeit. Für sich. Ausschließlich. Wenn sie zum Kuscheln bittet, dann bittet sie uns in ihre Welt. Dann will sie, dass wir an ihr teilhaben, mit ihr in Kontakt treten, da sind.

Denn das ist es ja, was Kinder so oft an uns vermissen. Wir wünschen uns, dass sie in Ruhe spielen. Wir wollen, dass sie uns „mal fünf Minuten Zeit“ geben. Wir wollen, dass sie sich morgens rasch anziehen, damit der Tag beginnen und gelingen kann. Wir wollen, dass sie nachmittags erzählen, wie ihr Tag war und dann weiter ihren Interessen nachgehen. Wir wollen, dass sie essen, was wir ihnen vorsetzen und unsere Gespräche dabei nicht stören. Wir wollen, dass sie abends der Routine gemäß folgen und pünktlich im Bett die Augen schließen. Schnell noch ein paar Minuten kuscheln, ja, das ist drin. Aber dann bitte: Ruhe. Mama braucht Feierabend. Papa hat noch zu tun. Elternzeit. Ihr wisst schon.

Doch Kinder suchen (und finden) ihre Wege sich uns zu nähern. Das zu bekommen, was sie brauchen. Was sie wollen.

Und letztendlich stelle ich fest, dass auch für mich unser Zwiegespräch wie eine Kuscheleinheit ist. Totale Aufmerksamkeit, nur wir zwei hier und jetzt. Erfahren, wie es dem anderen geht. In Ruhe von sich reden können. Das ist Seelenkuscheln auf höchstem Niveau. Und tut so gut. Warum fällt uns das bei unseren Kindern so schwer? „Du spielst ja nur rum.“ Als würde man sagen: „Zum Kuscheln hätte ich ja Zeit, aber nicht zum Puzzle machen.“ Wieso eigentlich nicht? Warum können wir nicht auch beim Spielen kuscheln? Ganz da sein? Aufmerksam. Interessiert. Seelenkuscheln eben. Ohne Körperkontakt. Aber mit ganz viel seelischer Nähe? Und wer bestimmt überhaupt, was kuscheln wirklich ist?

Ach Frau Klein, wenn Du heute abend mit Kuscheln puzzlen, Bücher lesen oder auf dem Bett hüpfen meinst – ich bin dabei. Lass uns Seelenkuscheln, mein Schatz! Und entschuldige, dass es mal wieder länger gedauert hat mit dem Licht im Kopf…

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare

  1. Lena

    Vielen, vielen Dank für diesen schönen und inspirierenden Beitrag!! Er kommt genau zur rechten Zeit und öffnet mir mal wieder die Augen – Danke!!
    Liebe Grüße!
    :-)

  2. Lilla

    Ui Nadine – da hast du bei mir einen Nerv getroffen! Schön geschrieben und so wahr! Danke!

  3. Anna

    Sie schreiben einfach wunderschön! Und dieser Artikel ist nochmal wunderschöner :-)
    Dankeschön!

  4. Manuela

    Danke für diese tollen und berührenden Worte!

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