Papa, DU sitzt neben mir

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Früher habe ich mir wenig Gedanken darüber gemacht, wer für unsere Kinder die wichtigere Person ist. Ich bin die Mutter und habe damit ja von Anfang an gewisse Bindungsvorteile. Aber dann kommt das zweite Kind daher und der Papa wird plötzlich eine wesentliche Person im Kleinschen Leben. Im Falle von Herr Klein ist dabei ein Rollentausch entstanden, der scheinbar irreversibel geblieben ist.

Nach der Geburt von Frau Klein, als ich endlich wieder beweglicher wurde und freier, versuchte ich immer wieder, den etwas verlorenen Kontakt zu Herrn Klein aufzunehmen. Dabei vergass ich allerdings, dass es nicht darum ging, unbedingt etwas tolles mit ihm zu erleben oder gemeinsam etwas zu unternehmen, sondern dabei auch wirklich zusammen, gemeinsam zu sein. Nicht nur etwas zu erleben, sondern etwas miteinander zu erleben. Denn im Alltag war ich nach wie vor gestresst und genervt, das erste Jahr mit beiden Kindern war teilweise die Hölle. Danach wurde die Geschwisterbeziehung eine bessere, aber Frau Klein forderte und fordert mich nach wie vor vehement ein, dass es gar nicht so einfach ist und war, mich ganz freizuschaufeln für Herrn Klein.

Ich spürte hier und da, wie wir langsam wieder zueinander fanden. Aber es blieb eine kleine, kaum merkliche Distanz, die mir weh tat. Die Freude, die er mit dem Liepsten hatte. Die Aufmerksamkeit, die er von ihm bekam, weil er ihn so oft für sich hatte, während er mich oft nur mit Frau Klein bekam. Die Geduld, die ich nicht habe und nie hatte.

Keine Frage bin ich wichtig im Kleinschen Leben. Das weiß ich, das spüre ich. Dennoch zwickte es hier und da, wenn ich immer wieder hörte „Papa, DU sitzt neben mir.“ wie eine klare Ausladung meiner Anwesenheit. „Nein, der Papa soll…“ oder die abendliche traurige Frage: „Wann kommt der Papa heute?“ gepaart mit tiefer Enttäuschung und herzzerreißendem „Waruuum?“ wenn ich sagte „Erst spät.“

Erst in letzter Zeit merkte ich, dass mein Anspruch an unsere Beziehung ein zu hoher war. Dass ich mir so sehr wünschte, ich würde seine Nummer eins sein, dass ich dabei übersah, dass das nicht das Maß einer guten Beziehung ist. Sondern dass es doch viel mehr darum geht, dass wir überhaupt eine Beziehung haben. Dass ich ihm auch wichtig bin. Dass er mir auch vertraut. Dass wir auch miteinander Spaß haben können. Der Liepste ist seine Nummer eins. Und plötzlich erkannte ich, dass das auch wunderschön sein kann. Befreiend. Erleichternd. Weil der Liepste ja vielleicht viel mehr seiner kleinen Bedürfnisse erfüllen kann, als ich. Weil er gewisse Qualitäten hat, die ich nicht habe (Geduld, Gelassenheit etc.). Weil er Vater und Mann ist, was später sicher eine Relevanz haben wird. Und weil es mit drei Kindern doch nur gut und berechtigt ist, dass nicht eine Person die Nummer eins für alle ist. Und so habe ich gelernt die beiden lächelnd anzublicken und ihre Beziehung von außen zu genießen und dabei meine ganz eigene zu Herrn Klein zu erkennen. Zu sehen, was uns verbindet.

Es ist ein Loslassen von zu viel unbedingtem Wollen. Von eigenen Ansprüchen und auch ein wenig vom eigenen Ego. Denn welche Mutter gibt sich selbst gegenüber gern zu, dass ihr Kind den Papa bevorzugt. Und es ist ein Loslassen von der Angst den Kontakt ganz zu verlieren. Schließlich ist es nicht so, dass er mich komplett verweigert. Und es werden sicher auch Zeiten kommen, da wird er meinen Rat brauchen, meine Nähe, die er ja doch auch immer wieder sucht, mein Verständnis für seine Empfindungen, das oft schneller parat ist, als beim Liepsten, weil er mir eben doch so ähnlich ist. Und vielleicht ist es auch gerade deshalb, dass wir kein Superteam sind und werden, weil wir uns zu ähnlich sind.

Jetzt in dieser dritten Schwangerschaft krachen wir doch immer wieder aufeinander. Heftiger auch. Aber wir können auch einfacher wieder zueinander finden. Kennen uns gegenseitig nun besser. Und ich denke, wenn ich ihm statt vorzuwerfen zugestehe, dass der Papa ihm hier und da wichtiger ist, dann können wir alle besser miteinander auskommen und unsere gegenseitigen Beziehungen können leichter bestehen und gemeinsam miteinander und aneinander wachsen.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Isabella

    Das hast du sehr schön geschrieben. Sehr einfühlsam und reif. Ich hatte ja bis jetzt zwei absolute Mama-Kinder (mein Mann war als sie klein waren beruflich oft weg) und war oft genervt von dem ständigen Allein-für-alles-zuständig-sein. Beim mir hieß es immer „Nein, die Mama!“.
    Durch deinen Artikel kann ich mich auch in meinem Mann ein bisschen besser einfühlen. Und ich denke die Umstände haben damit auch viel zu tun.
    Seit einigen Wochen arbeite ich wieder Teilzeit. Anfang kamen mir die Kids schon an der Tür entgegengerannt. Heute waren sie gerade beim Lesen mit Papa auf der Couch und ich wurde einfach ignoriert. Ein völlig neues Gefühl für mich.
    Danke für deine Gedanken, die du mit uns teilst.
    Ich wünsche dir weiterhin viel Kraft und Gelassenheit!
    Alles Liebe, Isabella

  2. Hebergeur

    Obwohl du jetzt jeden Abend neben mir liegst. Ich vermisse dich und wenn ich stinkig bin, dann nur weil du es nicht merkst, wie sehr du mir fehlst! 3

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