Nicht mittendrin aber dabei

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Ich bin keine Mutter, die auf dem Spielplatz mit in der Sandkiste hockt und Kuchen formend hurra schreit. Ich schiebe keine Autos über den Autoteppich der Kinder und ich spiele nicht mit ihnen verstecken. Miniklein wird so wie die anderen beiden auch keine Fingerspiele und Kniereiter von mir hören und sehen. Ich bin die Mutter, die nachmittags am liebsten strickend im Wohnzimmer sitzt und beseelt ist, wenn die Kinder lieber mit sich als mit mir spielen.

Das kommt vielen Eltern vielleicht etwas rabenmütterisch vor. Aber das bin ich. Mit Playmobilfiguren Ritterkämpfe austragen – das bin einfach nicht ich selbst und wenn ich nicht ich selbst bin, bin ich keine gute Mutter. Was ich jedoch mache: Ich verbringe Zeit mit meinen Kindern. Und ich interessiere mich für sie. Und beides halte ich für sehr viel wertvoller als das gemeinsame Backen von Sandkuchen.

Vor einiger Zeit noch habe ich mir die Dinge, die ich vormittags nicht fertig gebracht habe, einfach auf den Nachmittag verschoben. Da habe ich aber die Kinder daheim und nicht selten bin ich dann einfach nicht in Ruhe zu den Dingen gekommen, die noch auf meiner Agenda standen. Dann wurde ich genervt, gestresst und gereizt. Und die Nachmittage liefen aus dem Ruder. Bis ich begriffen habe: Die beste Agenda ist keine Agenda. Meine To Dos für den Vormittag sind so gewählt, dass sie schaffbar sind. Für den Nachmittag hebe ich mir nur „Eventualaufgaben“ auf, solche, die ich mache, wenn es schaffbar ist, die aber auch nicht stressen, wenn ich nicht dazu komme. Keine Erwartung ist die beste Erwartung. Somit gehört der Nachmittag viel mehr den Kindern als mir. Meist bleibt der Laptop aus und ich sitze gemütlich im Wohnzimmer oder auf dem Balkon, im Hof oder im Salon vorm Haus, während sie spielen. Ich bin anwesend und da, wenn sie mich brauchen. Wenn sie mir etwas zeigen wollen, kann ich mich dafür interessieren, ohne dabei Aufgaben fallen lassen zu müssen und deshalb genervt zu sein. Ich bin einfach da.

Seitdem verbringe ich eine viel entspanntere und gelassenere Zeit mit meinen Kindern. Ich flippe viel weniger aus und wir haben es lustiger. Und erstaunlicherweise spielen die Kinder viel entspannter mit sich selbst, wenn ich es am wenigsten von ihnen erwarte. Und dann geht sich manchmal eben doch eine kleine schnelle Aufgabe, eine Email oder ein paar Seiten Geschriebenes aus. Dann flitze ich eben doch noch in den Keller und schmeiße eine Ladung Wäsche in die Maschine und Herr Klein ruft: „Aber lass doch Miniklein hier, ich passe so lange auf ihn auf.“ Und ich könnte die Kinder knutschen und wir haben es einfach bunt.

Ach und im Übrigen liegt das Handy oft irgendwo. Seitdem ich keine Twitter oder Facebook Apps und keine Emails mehr darauf installiert habe, ist es nur mehr Fotoapparat oder Sprachrohr für die Absprache mit Nachbar*innen zwecks Nachmittagstreffen oder dem Liepsten zwecks Abendplanung. Und so versinke ich nicht mehr in den tiefen Weiten des Netzes, bin nicht gestresst von arbeitswütigen Emails, die am Abend auch noch da sind und kann dennoch hin und wieder mal einen Artikel lesen, wenn die Kinder vertieft im Spiel sind.

Die Kinder profitieren sehr davon, dass ich mehr da bin, mehr anwesend. Sie können viel besser ins Spiel versinken, wenn sie die Gewissheit haben, dass ich da bin und immer ansprechbar, auch wenn ich nicht mit ihnen im Kinderzimmer auf dem Boden hocke und böse Piraten abschieße. Und ich genieße meine Kinder wieder viel mehr, weil ich so viel mehr bei ihnen, als anderswo bin. Wenn ich geistig viel abwesend bin, fordern sie mich körperlich viel mehr ein, wollen viel mehr kuscheln und bitten, dass ich mit ihnen spiele. Wenn ich geistig mehr anwesend bin, kann ich körperlich etwas wegrücken und werde weniger eingefordert.
In Beziehung sein heißt nicht stets miteinander spielen. Es heißt präsent sein, anwesend, interessiert. Ich erwarte vom Liepsten auch nicht, dass er den ganzen Abend neben mir auf dem Sofa sitzt und mich streichelt. Aber ich wünsche mir, dass er ansprechbar ist und reagiert, wenn ich mit ihm etwas besprechen möchte.

Wenn uns stets und ständig unsere eigene Agenda so beschäftigt, dass wir nie ganz da sind, wo wir eigentlich sind, dann sollten wir dringend diese Agenda überdenken. Es hilft hier nicht nur umzuschlichten, sondern wo möglich auch zu reduzieren. In der Achtsamkeit redet man viel von „Im Moment sein“. Das ist nicht immer einfach und ich möchte das auch gar nicht so vehement predigen. Wir sind Menschen, wir schaffen es nicht jeden Moment als einzigartig zu betrachten und wahrzunehmen. Aber wir können uns selbst helfen mehr da zu sein. Anwesend. Indem wir uns mit Dingen befassen, die unseren Geist nicht so wegbeamen, dass wir das Umunsherum nicht mehr wahrnehmen oder genervt sind, wenn es uns einholt. Indem wir unsere Agenda so gestalten, dass Zeit für Miteinander ist. Zeit für Kontakt und Beziehung. Wir sind eine Familie nicht nur fürs Wochenende oder die Mahlzeiten. Und wenn, dann ist es höchste Zeit unsere Definition von Familie zu überdenken.

 

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Jovita Braun

    Danke! Du triffst mit deinen Worten gerade richtig ins Mark… Genau daran möchte ich arbeiten und diesbezüglich mache ich mir so meine Gedanken im Moment. Und da tut es einfach gut ganz ähnliche Gedanken zu lesen!

  2. Steffi

    Oh! Ein Text, der meine Seele berührt. <3
    Mir geht es ähnlich. Und ich unterschreibe jedes Wort. Danke für die Erinnerung! :-)
    Mein größtes Problem dabei ist allerdings, daß ich IMMER noch Haushalt zu tun habe und auch fast 24 Std am Tag 1-2 Kinder um mich habe. Ich bin nie "fertig" (nehme mir aber dennoch bewusst Zeit, um mal nur "da" zu sein und etwas liegen zu lassen) und das finde ich von Zeit zu Zeit belastend. Ich habe da noch keine wirklich gute Lösung für meine Agenda.
    Liebe Grüße!

  3. Hach – ich mag dich!
    Ich bin auch eine solche Mama und es funktioniert gut! Danke fürs niederschreiben! 😊

  4. Emilia

    Hat das denn auch funktioniert als du nur ein Kind hattest?
    Wir sind vormittags oft alleine draußen, weil eigentlich alle Kinder im Bekanntenkreis schon im Kindergarten sind und dem Kindchen fällt es oft schwer, seine Kreativität und Spielfreude dann alleine zum Leben zu erwecken. Mit Geschwistern stelle ich mir das einfacher vor..
    Viele Grüße,
    Emilia

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