Mein 12-Stunden Tag

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Heute ist ganz Wien auf der Straße, um gegen den geplanten 12h-Tag unserer berauschenden blau-schwarzen Regierung zu demonstrieren. 12h Arbeitstage. 60h Wochen. Das sind die Pläne und während ich hier krankheitsbedingt im Internet zuschaue und nachlese, was die Argumentationen so sind, erkenne ich, dass ich längst diesen 12h Tag lebe. Denn ich habe drei Kinder. 

Unser Tag beginnt um 6Uhr morgens. Da klingelt der Wecker, so denn bis dahin überhaupt noch alle schlafen. Kleinstkinder sind ja gern mal früher munter. Bis 8Uhr müssen alle frühstücken, umgezogen werden, teilweise gewickelt werden. Dann muss das große Kind in die Schule, die anderen beiden gehen in den Kindergarten. Der Liepste fährt danach ins Büro weiter.

Ich bin daheim und vor mir liegen gnadenlose 5 Stunden Freiheit. Freizeit? Von wegen. In diesen 5 Stunden will ich duschen und essen, das ist ja wohl menschlich. Das Frühstückschaos muss beseitigt werden, Wäschekörbe werden geleert, in hungrige Maschinen geworfen und dann wieder gefüllt, um die kleinen und großen Wäschestücke sorgfältig aufzufädeln. Drei Kinder machen – man glaubt es kaum – ziemliches Chaos. Also gehört auch mal geräumt, der Staubsauger geschwungen. Daneben versuche ich eher schlecht als recht meine Selbständigkeit aufrecht zu erhalten. Und die Arbeit für das Haus hier, in dem ich gut leben kann. Emails warten auf Beantwortung. Telefonate werden geführt. Drei Kinder haben auch Termine, die organisiert werden müssen. Ganz zu schweigen von eigenen verschiedenen Arztterminen. Drei Kinder brauchen auch Kleidung und wachsen aus ihren Schuhen. Da muss man hin und wieder in solche Einkaufstempel fahren. Das kostet nicht nur Zeit, sondern auch Nerven. Apropos einkaufen. Drei Kinder haben Hunger und müssen versorgt werden. All das passiert in diesen 5h vormittags, die ich nicht wage Freizeit zu nennen. Denn wenn ein Kind krank ist, dann ist diese Freizeit sofort dahin. Und bei dreien kann man sich ausrechnen, wie oft da mal eins Fieber hat, Husten oder Durchfall. Von Läusen ganz zu schweigen, die dann wieder einen Stapel Wäsche nach sich ziehen.

Gegen 13Uhr packe ich alles zusammen, was für den Nachmittag benötigt wird. Windeln, Wechselkleidung, Sandspielsachen, Obst und Nachmittagssnacks. Drei Kinder haben da ja so ihre kleinen Gelüste. Und dann mache ich mich auf den Weg, um alle drei nach und nach einzusammeln. Gemeinsam mit ihnen gehe ich auf den Spielplatz und wer meint, dass das ja nur gemütliches Herumsitzen ist, der war noch nie auf einem Spielplatz mit kleinen Kindern. Da muss eines aufs Klo, da macht eines in die Windel, da hat immer wer Hunger oder Durst oder muss zeigen, was es sich schon traut und grad neues kann. Da darf man stundenlang die Schaukel schwingen und kleine Wehwehchen versorgen, Streit schlichten und Tränen wegwischen. Und irgendwann drückt auch mal die eigene Blase und dann kann man allen erklären warum es Zeit ist zu gehen. Das dauert dann mal länger, je nach Stimmungslage und wenn man alle drei im Kasten hat – sprich Lastenrad – dann nix wie heim mit ihnen. Kaum in der Wohnung hat sicher eines Hunger, eines muss aufs Klo und ein anderes leert draußen am Gang die Blumentöpfe aus. Und während man dann den Nachmittag so schupft und eine Baustelle richtet, während die Kinder eine andere verwüsten, muss man auch schon ans Abendessen denken, das wird ja auch nicht geliefert. Wenn das am Tisch steht trommelt man alle zusammen und hofft, dass keiner verhungert, keiner vor Ekel umfällt und alle irgendwie satt werden. Danach geht es in die Abschlussrunde. Kinder wickeln, wahlweise baden. Von der Explosion in der Küche nach dem Abendessen mal noch zu schweigen, die darf hin und wieder bis später warten. Kinder dazu zu bringen sich umzuziehen ist am Abend ähnlich rekordrasant wie ein Sprint am Sandstrand. Und wenn endlich alle sauber und schlafbereit sind, hat eines wieder Hunger und ein anderes Durst. Dann werden Bücher vorgelesen, das Zähneputzen begleitet und alle drei wandern in ihre Betten. Und weil wir unsere Kinder lieben, werden alle drei noch bekuschelt, der Tag wird besprochen, wir lachen und kichern und eventuell, mit ein bisschen Glück, ist es 20Uhr, wenn alle im Bett sind. Nach Adam Riese sind das 14h nach dem Aufstehen. Okay, ich gebe zu, dass ich mich zuweilen erst um 6.30Uhr aus dem Bett schäle. Sind wir bei 13,5h Stunden. Und ja, gegen 19Uhr kommt der Liepste aus dem Büro. Sind wir bei 12,5h. Aber wer verspricht, dass um 20Uhr nicht mindestens eines von Dreien nochmal aus dem Bett kommt, weil es „nicht schlafen kann“? Und die Explosion in der Küche, die war ja da auch noch. Die Pflanzen in Hochbeet und auf dem Balkon wollen noch gegossen werden. Die Waschmaschine kaut noch an einer Wäscheladung, die noch auf die Leine will.

Ja, so sieht ein 12h Tag einer – ich würde mal sagen durchschnittlichen Mutter – aus. Einzig flexibel daran ist, dass die Kinder zu unterschiedlichen Zeit in die Windel sch….. oder morgens aus den Betten kriechen. Flexibel ist auch, wann ich mit ihnen zum Arzt gehe, aber dank Murphy meist dann, wenn der Tag eh schon gefüllt ist mit anderen Dingen. Denn Kinderkrankheiten lassen sich selten planen. Auch nicht die der Eltern. Und wenn da ein Teil krank ist, dann kippt dieses ganze Gefüge, und dann wird es richtig bunt. Und ja, am Wochenende ist alles viel flexibler. Aber es ist dadurch nicht weniger. Es ist nur anders verteilt.

Tja, und wer zahlt mir diese Arbeitszeit, die ich da täglich leiste? Genau. Niemand. Ach doch, natürlich, ich bekomme ja Familienbeihilfe. Das ist bei drei Kindern nicht wenig, genaugenommen sind es knapp €580. Aber zwei Drittel davon sind allein schon für die Kinderbetreuung weg. Und wie gesagt, Kinder haben Hunger und wachsen aus ihrer Kleidung. Die kostet Geld.

Und falls das jetzt so klingt, als hielte ich drei Kinder für eine Belastung – nein! Ich liebe meine Kinder, ich liebe es, Zeit mit ihnen zu verbringen. Aber ja, es ist auch anstrengend all das zu schupfen, vor allem, wenn dafür einfach kein Geld kommt. Und wenn da jetzt ein 12h Tag für Arbeitnehmer durchgeboxt wird, dann heißt dass, dass sich meine 12,5h auch wieder auf 14h erhöhen, weil der Liepste mehr arbeiten darf. Wer dafür auch entsprechend entlohnt wird, brauche ich hier wohl nicht erwähnen.

Und ich bin eine der glücklichen, die einen Mann hat, mit dem sie das gemeinsam meistern kann. Ich möchte gar nicht wissen, was Alleinerziehende da leisten und vor allem, für welchen Preis.

Also danke. In diesem System läuft einiges schief. Und es gäbe genügend Baustellen, die man richten könnte, damit Menschen sich nicht wie Roboter durch den Alltag schieben. Der 12h Tag ist sicher der komplett falsche Weg.

Dieser Beitrag hat 5 Kommentare

  1. Micha

    12 Stunden-Tag? Wer kommt denn auf so eine absurde Idee? Der Trend geht doch wirklich zu weniger Arbeitsstunden wie es jetzt glaube ich in einem der skandinavischen Länder probiert wird. Abgesehen davon ist der Tag als Mutter natürlich voll – wie du sehr schön beschrieben hast und dass es dafür weder Entlohnung noch Anerkennung gibt… darüber ärgere ich mich auch oft.
    Liebe Grüße, Micha

  2. Lothar

    Hallo,
    davon lese ich das erste Mal. Nicht ganz. Ich glaube in einem newsticker davon gelesen zu haben.
    Ein 5 oder 6 Stunden Tag wäre doch viel Besser und gesünder.

    Als Mutter ist ein 12 bis 18 Stunden Tag wohl normal. Aber dafür gibts ja nur Luft und Liebe was ja aber auch eine schöne Entlohung ist.

    Liebe Grüße
    Lothar

    1. Eva

      Luft und Liebe als schoene Entlohnung?! Ich kann nur hoffen, dass dieser Kommentar ironisch gemeint ist. LG von einer Mit-Be- und Ausgelasteten!

  3. Heike Spatz

    Liebe Nadine, über diese Umstände zebrechen ich mir ebenfalls den Kopf. Was scheinbar das „normalste“ der Welt ist – ein Familie gründen – ist ein Spagat. Und ich zerbrech mir da wirklich den Kopf und es geht und geht nicht in mein Hirn rein.
    Meine Antwort – Kinder zu begleiten, muß entlohnt werden!!!!und zwar auf einem ganz anderen Niveau alsheute!!!! Ich höre die imaginären Stimmen : “ und wer soll das bezahlen?“ Ich glaube, dass das wirtschaftlich gesehen ein Aufschwung wäre, dann würde wieder mehr Geld fließen und ich hätte da noch einige StaatsSubventionen z.B. in der Landwirtschaft oder in der sogenannten RegelschulenBildungSystem oder im BankenrettungsWahnsinn, die der Staat von mir aus streichen könnte. OMG – ich merke, wie mich das aufwühlt.

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