Kinder an die Macht

IMG_1671Heute war mir irgendwie nach Musik von damals. Und so fiel meine Wahl tatsächlich auf Grönemeyer und sein mittlerweile uraltes Album „Sprünge“, das neben den schmachtenden Hits „Mehr geht leider nicht“ und „Unterwegs“ auch den 80er Hit „Kinder an die Macht“ enthält. Ich hab das damals ja nicht so genau mitgekriegt und auch gar nicht so genau hingehört, fand es eher amüsant. Aber es gab wohl Menschen, vor allem Eltern, die ihn dafür arg kritisierten. Und heute, 27 Jahre später, frage ich mich – warum?

Abgesehen davon, dass es sicher kein ernst gemeinter Vorschlag war, Kinder an die Macht zu setzen und das Land regieren zu lassen, so finde ich, dass Kinder einige Qualitäten haben, die dafür sprechen, dass man ihnen etwas mehr Macht zuspricht, als heutzutage üblich.

Denn genau die Macht ist es ja, die wir uns als Erwachsene oft vorbehalten. Wir kennen die Welt, sind gut erzogen und wissen, was zu tun und zu lassen ist. Unsere Kinder wissen das nicht, also müssen wir an ihnen ziehen und zupfen, sie rütteln und schieben und ihnen beibringen, wie die Welt funktioniert. Nun, das mag für einige übertrieben klingen, aber wer sich umschaut in dieser Welt und Eltern im Umgang mit ihren Kindern erlebt, der wird bald erkennen, dass es oft doch die traurige Wahrheit ist. Machtspiele beim Essen, beim Zähneputzen, an der Kasse im Supermarkt, auf dem Spielplatz. „Wenn Du nicht gleich…, dann werde ich…“

Belohnen, Bestrafen, Disziplinieren und Belehren. All das können Erwachsene sehr gut. Und nicht nur Eltern. Auch Fremde, die uns begegnen. In der U-Bahn, auf der Straße, im Wohnhaus.

Und je mehr ich mich damit befasse und diese „Erziehungsmethoden“ hinterfrage, umso mehr freue ich mich, wenn ich sehe, wie fröhlicher und entspannter nicht nur die Kinder, sondern auch die Erwachsenen sind, die ihren Kindern einfach etwas mehr „Macht“ einräumen. Zulassen, dass sie mitreden und den Tag mitgestalten, uns zeigen, was sie befriedigt und was sie überfordert, dass sie wütend sein dürfen, traurig oder auch mal richtig gut drauf (und laut). Sie mehr Mensch sein lassen.

Gerade in den öffentlichen Verkehrsmitteln fällt so etwas auf. Wenn Herr Klein laut ruft: „Ui Mama schau, Autos!“ Dann lächeln die Leute. Finden ihn süß und putzig. Wenn er in einer überfüllten U-Bahn laut ruft „Aussteigen!“ weil es ihm zu viel wird, dann werden sowohl er als auch ich böse angeschaut. Er, der sich so daneben benimmt. Und ich – die ich als Mutter mein Kind nicht unter Kontrolle habe. (Und schlimmer noch, es nicht einmal versuche, sondern nur sage: „Du würdest am liebsten sofort aussteigen. Es ist sehr voll hier drin. Wir müssen aber noch x Stationen fahren.“

Dabei würde es uns Erwachsenen auch manchmal besser gehen, würden wir dem Beispiel der Kinder folgen. Das Rauslassen, was in uns nagt. Anstatt grummelnd, mit eingewachsen frustrierten Gesichtszügen die anderen Fahrgäste misslaunig zu betrachten. Anstatt eilig hastend andere Mitmenschen fast umzurennen. Anstatt sich über alles und jeden zu beschweren wie z.B. auch defekte U-Bahnzüge, für die nun auch ein/e Fahrer/in nichts kann.

„Die Welt gehört in Kinderhände/
Dem Trübsinn ein Ende/
Wir werden in Grund und Boden gelacht/
Kinder an die Macht“ (Herbert Grönemeyer)

Und manchmal, ja manchmal würde es uns auch guttun, uns mal so richtig laut zu freuen. Zu lachen. Zu jubeln. In eine Pfütze zu springen oder einem anderen Menschen zu sagen: „Sie haben aber strahlende Augen!“ Eben dem von Grönemeyer besungenen Trübsinn ein Ende setzen. Uns selbst in Grund und Boden lachen. Und für einen Moment, einen Tag, eine Woche wieder Kind sein. DAS täte uns allen gut.

 

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